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Rechtsprechung im Arbeitsrecht
Entscheidungen von 2019
Kündigung eines katholischen Chefarztes wegen Wiederheirat (Loyalitätspflicht)
Kündigung eines katholischen Chefarztes wegen Wiederheirat (Loyalitätspflicht)
19. Mai 2025
5 Kommentare
4,6 ★ (20.970 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A ist jahrelang Chefarzt in einer Klinik, die der Aufsicht des Erzbischofs E unterliegt. Bei Vertragsschluss verpflichtete sich der katholische A, die katholische Glaubens- und Sittenlehre zu achten. Nach seiner Scheidung heiratet er ein zweites Mal. E kündigt ihm.
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Einordnung des Falls
Kündigung eines katholischen Chefarztes wegen Wiederheirat (Loyalitätspflicht)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Auf das Arbeitsverhältnis des A mit der Klinik ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine soziale Rechtfertigung der Kündigung kann im Verhalten des Arbeitnehmers A begründet sein (§ 1 Abs. 2 KSchG).
Ja, in der Tat!
3. Kirchen sowie kirchennahe Einrichtungen können bestimmte Anforderungen an die religiöse Lebensführung ihrer Arbeitnehmer stellen.
Ja!
4. Bei Wiederheirat evangelischer oder konfessionsloser Arbeitnehmer kündigt die Klinik nicht und behandelt daher ungleich. Gemäß § 2 Abs. 4 AGG ist das AGG im Fall von Kündigungen aber nicht zu prüfen.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Da es für evangelische und konfessionslose Ärzte an dieser Klinik keine Anforderungen hinsichtlich ihrer Lebensführung gibt, könnte ein AGG-Verstoß wegen Ungleichbehandlung aufgrund der Religion vorliegen.
Ja, in der Tat!
6. Ein katholischer Chefarzt dient als Repräsentant einer Klinik in katholischer Trägerschaft. Es ist daher gerechtfertigt, ihm im Falle eines solchen Loyalitätsverstoßes zu kündigen.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
millisiewert
24.3.2025, 11:11:31
Wäre das nicht eher ein personenbezogener Kündigungsgrund als ein verhaltensbedingter? Er wird ja nicht während der Arbeitszeit geheiratet haben.

Louicay
3.4.2025, 08:10:19
Hi @[millisiewert](271147), Nein, da ein personenbedingter Kündigungsgrund auf einer Eigenschaft beruhen muss, die in der Person des Arbeitnehmers selbst begründet ist, diesem folglich auf Dauer immanent ist und sich daher der Steuerbarkeit durch Willensbetätigung entzieht. Für den Arbeitnehmer ist es vorliegend jedoch durchaus steuerbar, ob er erneut heiratet oder nicht.

Louicay
3.4.2025, 08:19:14
Ergänzend zur Aufgabe kann ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass die Rspr. in Fällen der Beteiligung von Religionsgemeinschaften auf Arbeitgeberseite zwischen dem sog. "verkündungsnahen" und dem "verkündungsfernen" Bereich zur Evaluation der Konkreten Umstände unterscheidet. Dabei ist diese Thematik nicht lediglich im Bereich der Kündigung relevant, sondern findet sich ebenfalls im Bereich der Anfechtung oder Fragerechts des AG wieder. Generell kann man sich merken, dass die Maßnahme des AG, die aufgrund der Religionszugehörigkeit des AN vorgenommen wird grundsätzlich nur dann gerechtfertigt ist, wenn der AN im "verkündungsnahen" Bereich tätig ist oder tätig werden soll. Konkret: Wenn der AN nicht gerade das Wort Gottes von der Kanzel an die Gemeinde verkündet, sollte man in der Klausur sehr gut begründen, warum es gerade in diesem Fall dem AG besonders auf die Religionszugehörigkeit des AN oder dessen "Loyalität" zur Konfession ankommen darf (Stichwort: Arbeitsplatzrelevanz)