Sachgrundlose Befristung und Vorbeschäftigung

10. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

C schließt mit A einen auf 1 Jahr befristeten Arbeitsvertrag. Aufgrund der Erkrankung eines Angestellten arbeitet A bereits vor dem geplanten Termin. Später schließen C und A einen früher datierten auf 1 Jahr befristeten Vertrag. Diesen verlängern sie nunmehr nochmals um ein halbes Jahr.

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Einordnung des Falls

Sachgrundlose Befristung und Vorbeschäftigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Befristung könnte nach Normen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) wirksam vereinbart worden sein.

Genau, so ist das!

Befristete Arbeitsverträge sollen Anpassungen an die Marktbedingungen sowie eine Brücke zur Dauerbeschäftigung ermöglichen. Das TzBfG unterscheidet zwischen sachgrundloser Befristung und Befristung mit Sachgrund. Nach dem Grundsatz des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG kann im Zeitraum von 2 Jahren eine Befristung vereinbart und bis zu dreimal verlängert werden. Hier sind rechnerisch weniger als 2 Jahre vergangen, so dass in dieser Hinsicht keine Bedenken gegen eine sachgrundlose Befristung bestehen.
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2. Wenn die Befristung aus irgendeinem Grund fehlerhaft erfolgt ist, gilt das Arbeitsverhältnis als niemals geschlossen (ex tunc).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Bestimmungen über befristete Arbeitsverträge haben das Ziel, eine Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern (§ 1 TzBfG). Unbefristete Arbeitsverhältnisse sollen nach der gesetzgeberischen Wertung die Regel sein, um dem Arbeitnehmer eine sichere Planungsgrundlage zu ermöglichen. Der Arbeitnehmer kann die Wirksamkeit der Befristungsabrede mit einer Befristungskontrollklage gerichtlich überprüfen lassen. Stellt sich die Befristung als unwirksam heraus, gilt sein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 16 S. 1 TzBfG).

3. Eine sachgrundlose Befristung ist unwirksam, wenn „bereits zuvor“ ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestand (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).

Ja!

Dies soll sog. Kettenbefristungen bei sachgrundlosen Befristungen verhindern. BAG: § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verbiete aber nicht die Vereinbarung einer Befristung ohne Sachgrund, wenn die Laufzeit eines zuvor geschlossenen Arbeitsvertrags noch nicht begonnen hat. Das ergebe sich aus dem Wortlaut, der an den Bestand des Arbeitsverhältnisses und nicht an die tatsächliche Beschäftigung oder den Vertragsabschluss anknüpft. Ein Arbeitsverhältnis entstehe in dem Zeitpunkt, von dem an die Vertragsparteien die wechselseitigen Rechte und Pflichten begründen wollen. Das sei regelmäßig der vereinbarte Arbeitsbeginn (RdNr. 11). Die Gefahr von Kettenbefristungen sei dann nicht gegeben.

4. Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG).

Genau, so ist das!

BAG: Ein Verlängerungsvertrag könne nur wirksam sein, wenn der Ausgangsvertrag seinerseits wirksam vereinbart wurde (RdNr. 14). Nur wenn die Schriftform eingehalten wird, kann ein Arbeitsvertrag wirksam befristet werden. A hat die Arbeit vor dem im ersten Vertrag geplanten Arbeitsbeginn aufgenommen. Dass dieser ursprüngliche Arbeitsvertrag — der nicht in Vollzug gesetzt wurde — bereits eine Befristung enthielt, ist egal. Erst nach Arbeitsbeginn wurde über den neuen Zeitraum ein schriftlicher Vertrag mit Befristung geschlossen. Somit gab es schon ein Arbeitsverhältnis, das der sachgrundlosen Befristung gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG entgegensteht.

5. Das Arbeitsverhältnis zwischen A und C gilt also als auf unbestimmte Zeit geschlossen.

Ja, in der Tat!

Die Befristungskontrollklage ist begründet. Der Verlängerungsvertrag basiert auf einem Arbeitsvertrag ohne wirksame Befristung. Indem A ohne schriftlich befristeten Arbeitsvertrag als Vertretung mit der Arbeit angefangen hat, wurde ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen. BAG: Selbst wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht lange bestanden hat, bräuchte es einen Sachgrund, um wirksam eine nachträgliche Befristung zu vereinbaren. Nach Sinn und Zweck solle nur bei Neueinstellungen und Verlängerung solcher Verträge eine sachgrundlose Befristung möglich sein (RdNr. 20). A ist daher weiterhin unbefristet bei C beschäftigt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KI

killinit

1.7.2021, 18:04:48

Es wäre noch wichtig festzustellen, dass ein mangelndes Schriftformerfordernis nicht direkt in der Unwirksamkeit resultiert, solange es nachgeholt wird und nicht in der 3-Wochen-Frist gerügt wird

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.7.2021, 19:25:17

Hi killinit, vielen Dank für Deine Anmerkung! Bei arbeitsrechtlichen Fällen empfiehlt es sich allerdings die verschiedenen Prüfungspunkte deutlich auseinander zu halten. Dabei ist insbesondere zwischen der Wirksamkeitsfiktion (§ 17 S. 2 TzBfG iVm § 7 KschG) und der eigentlichen Frage der materiellen Wirksamkeit der Befristung zu unterscheiden. Grundsätzlich gilt, dass eine Befristungsabrede, die aufgrund der fehlenden Schriftform unwirksam ist (§ 14 Abs. 4 TzBfG), als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt (§ 16 S. 1 TzBfG). Der Formmangel kann nach bereits erfolgter Arbeitsaufnahme auch nicht mehr geheilt werden. Das Bundesarbeitsgericht ist hier sehr streng und argumentiert, dass eine Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts (§ 141 Abs. 2 BGB) in diesen Fällen nicht möglich sei. Denn aufgrund der Sonderregelung des § 16 S. 1 TzBfG, sei die Regelung des § 141 Abs. 2 BGB weder direkt noch analog anwendbar (vgl. BAG, Urteil vom 1. 12. 2004 - 7 AZR 198/04 - NZA 2005, 575). Etwas anderes gelte nur dann, wenn die nachträglich gefertigte Urkunde inhaltlich von der mündlich getroffenen Vereinbarung abweiche. Die Wirksamkeit der Befristung bestimme sich in diesem Fall anhand der schriftlichen Vereinbarung. Zur ihrer Wirksamkeit bedarf es regelmäßig eines sachlichen Grundes iSd § 14 Abs. 1, da wegen der vorangegangenen mündlichen Abrede das Anschlussverbot für sachgrundlose Befristungen eingreift (§ 14 Abs. 2 S. 2). Ist die schriftliche „Bestätigung“ dagegen bereits vor Arbeitsaufnahme erfolgt, so ist in entsprechender Anwendung des § 154 Abs. 2 BGB davon auszugehen, dass allein durch die vorangegangene mündliche Abrede noch kein (unwirksam) befristeter Vertrag zustande gekommen ist. (Vgl. MüKoBGB/Hesse, 8. Aufl. 2020, TzBfG § 14 Rn. 127) Für die Frage der Wirksamkeit ist es also – zumindest nach den vom BAG aufgestellten Grundsätzen- essenziell, ob die Bestätigung vor oder nach der Arbeitsaufnahme erfolgt ist. Davon zu unterscheiden ist die von Dir angesprochene 3-Wochen-Frist, die sich aus § 17 S.1 TzBfG ergibt. Dem Arbeitsrecht liegt insgesamt der Gedanke zugrunde, dass Prozesse und Streitigkeiten möglichst schnell aus der Welt geräumt werden. Bei Entfristungsklagen gilt deswegen, dass der Arbeitnehmer spätestens 3 Wochen nach Ablauf seiner Befristung eine entsprechende Klage bei Gericht einreichen soll, damit hierüber entschieden werden kann. Ähnlich ist dies bei Kündigungen, gegen die man sich auch spätestens 3 Wochen nach Erhalt w

ehre

n muss (§ 4 KSchG). Versäumt man diese Fristen, so gilt die Befristung bzw. Kündigung als wirksam (§ 7 KSchG). Es handelt sich insoweit allerdings um eine bloße Fiktion der Wirksamkeit der eigentlich unwirksamen Befristung/Kündigung. Beste Grüße, Lukas – für das Jurafuchs-Team

JO

jomolino

6.9.2021, 15:26:56

Ich konnte dem Sachverhalt die mangelnde Schriftform nicht entnehmen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.10.2021, 14:00:51

Hallo nomamo, die fehlende Schriftform bezieht sich auf die Vertretung, die A vor seinem eigentlichen Arbeitsbeginn erbracht hat. Aufgrund dieser Vertretungstätigkeit wurde ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingegangen, was im Anschluss daran nicht mehr sachgrundlos befristet werden kann. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BRSA

BrSa

19.7.2024, 15:41:14

Er hat 2x einen 1 Jahres Vertrag bekommen, davor schon dort gearbeitet und danach ein weiteres halbes Jahr. Dennoch wird in der erste Frage gesagt, die 2 Jahres Grenze sei nicht überschritten?

LELEE

Leo Lee

21.7.2024, 12:58:23

Hallo BrSa, vielen Dank für den wichtigen und sehr guten Hinweis! In der Tat war der letzte Satz etwas missverständlich formuliert; hier ging es darum, dass nunmehr neue halbe Jahr, um das der Vertrag verlängert werden soll, zu untersuchen. Davor gab es zwei Mal eine Vereinbarung für ein Jahr, allerdings wurde der zweite Vertrag früher datiert, weshalb noch keine zwei Jahre vergangen sind :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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