Mithalter Reitbeteiligung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Richterin R liebt das Reiten und vereinbart mit Pferdefan P, der Eigentümer des Pferdes Wendy (W) ist und für dessen Unterhalt aufkommt: R darf W gegen Kostenbeteiligung (€100/Monat) 3 Tage pro Woche ausreiten. An den Reittagen behält P die Entscheidungsbefugnis über W und gibt vor, auf welchen Flächen R reiten darf. R darf auch keine anderen Personen auf dem Pferd reiten lassen. An den Reittagen kümmert R sich auch um W, weil P beruflich keine Zeit dafür hat. R stürzt schwer, der Unfallhergang ist nicht aufklärbar.
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Einordnung des Falls
Mithalter Reitbeteiligung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. P ist Tierhalter.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Sofern R Mithalterin ist, scheiden Ansprüche nach § 833 S. 1 BGB aus.
Ja!
3. R ist Mithalterin.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. R ist Tieraufseherin (§ 834 S. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
5. Die Tieraufseherhaftung (§ 834 S. 1 BGB) ist eine Gefährdungshaftung.
Nein!
6. P muss aufgrund seiner vorrangigen Gefährdungshaftung vollständig für den Schaden der R einstehen.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Tigerwitsch
14.3.2021, 21:39:59
Ich verstehe nicht ganz, wieso der TB des § 834 Satz 1 BGB hier greift. Es mag ja sein, dass R Tieraufseher ist. Der Geschädigte iSd § 834 BGB muss jedoch ein „Dritter“ sein. R kann doch nicht gleichzeitig Tieraufseher und Dritter sein.
Lukas_Mengestu
16.3.2021, 11:25:52
Hallo Tigerwitsch, in der Tat greift § 834 S. 1 BGB hier nicht selbstständig ein. Vielmehr hast Du Recht, dass der Tatbestand des § 834 S. 1 BGB auf die Verletzung von Dritten ausgerichtet ist. Über § 254 BGB (Mitverschulden) muss sich R jedoch entgegenhalten lassen, dass er selbst die Aufsichtspflicht (§ 834 S. 1 BGB) über das Pferd übernommen hat. Diese Pflicht führt also nicht nur zu einer Haftung ggü. Dritten, sondern mindert auch den eigenen Schadensersatzanspruch den R ggü. P nach
§ 833 BGBhat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Anton 666
26.1.2022, 11:16:16
§ 843 S. 1 ist aber versehentlich in den Fall reingerutscht oder?
evanici
12.9.2023, 00:49:22
Wieso § 254 analog?
Dogu
13.10.2023, 15:39:27
In meinem AS-Skript steht, dass der Tieraufseher eng auszulegen ist. ME ist der hier eng vorgegebene Entscheidungsrahmen (welche Weiden etc.) nicht geeignet, die Haftungsausdehnung auf den Aufseher bzw. Haftungsbeschränkung des Tierhalters zu begründen.
Leo Lee
14.10.2023, 14:19:52
Hallo Dogu, das ist in der Tat eine vertretbare Lösung! Beachte, dass sich je nach Region die Auslegungskultur sich massiv unterscheiden kann :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
Steinfan
22.4.2024, 13:26:33
Zu beachten ist, dass vermutetes Verschulden nach dem BGH bei der Abwägung auf Rechtsfolgenseite des § 254 BGB nicht genügt (str.). Hierzu BeckOGK/Looschelders, 1.3.2024, BGB § 254 Rn. 312: „Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, von denen feststeht, dass sie eingetreten und für den Schaden (mit-)ursächlich geworden sind. Hieraus wird überwiegend gefolgert, dass ein nur gesetzlich VERMUTETES VERSCHULDEN (zB nach §§ 831, 832) AUßER BETRACHT bleiben muss. Der Zweck der Verschuldensvermutungen besteht indes darin, dem Begünstigten hinsichtlich solcher Umstände, die außerhalb seiner Sphäre liegen, über Beweisschwierigkeiten hinwegzuhelfen. Dieser Zweck trifft nicht nur auf die Voraussetzungen der Haftung oder des Mitverschuldens, sondern auch auf die Aufteilung des Schadens nach § 254 zu. Vorzugswürdig ist daher die Auffassung, dass ein vermutetes Verschulden bei der Abwägung mit dem höchsten Maß zu berücksichtigen ist, das von dem Belasteten nicht widerlegt werden konnte.“