Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geschäftsfähigkeit

§ 109 BGB - Widerrufsmöglichkeit während der Schwebezeit

§ 109 BGB - Widerrufsmöglichkeit während der Schwebezeit

17. Februar 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 16-jährige K hat bei Rollerhändler R einen Roller gekauft. Da R wusste, dass K minderjährig ist, hatte K wahrheitswidrig behauptet, dass ihre Eltern E einverstanden sind. Als R den Roller zu Ks Elternhaus liefert, fliegt alles auf. R fragt die E, ob der Kauf für sie in Ordnung ist.

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Einordnung des Falls

§ 109 BGB - Widerrufsmöglichkeit während der Schwebezeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Kaufvertrag ist schwebend unwirksam (§ 108 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB). Schließt er einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab (§ 108 Abs. 1 BGB). Bis dahin ist er schwebend unwirksam. Der Kaufvertrag begründet für K die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung und ist daher nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Sie hat den Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung ihrer Eltern geschlossen. Er ist schwebend unwirksam.
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2. Wenn die E den Kaufvertrag gegenüber R genehmigen, wird er dadurch wirksam (§ 108 Abs. 2 BGB).

Ja!

Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab (§ 108 Abs. 1 BGB). Fordert der andere Teil den Vertreter zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen (§ 108 Abs. 2 S. 1 HS. 1 BGB). Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach der Aufforderung erklärt werden (§ 108 Abs. 2 S. 2 HS 1 BGB). Da R die E zur Genehmigung aufgefordert hat, kann diese nur ihm gegenüber und innerhalb von zwei Wochen nach der Aufforderung erklärt werden.

3. Bis zur Genehmigung des Kaufvertrags durch die E kann R den Kaufvertrag widerrufen (§ 109 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Teil zum Widerruf berechtigt (§ 109 Abs. 1 BGB). Hat der andere Teil die Minderjährigkeit gekannt, so kann er nur widerrufen, wenn der Minderjährige der Wahrheit zuwider die Einwilligung des Vertreters behauptet hat; er kann in diesem Fall nicht widerrufen, wenn ihm das Fehlen der Einwilligung bei dem Abschluss des Vertrags bekannt war. R kannte die Minderjährigkeit der K, wusste jedoch nicht, dass die E nicht mit dem Kauf einverstanden sind und K diesbezüglich log. Damit kann er den Vertrag bis zur Genehmigung durch die E widerrufen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Skra8

Skra8

10.9.2024, 15:29:59

Liebes JuraFuchs-Team, bei der letzten Frage: "Bis zur Genehmigung des Kaufvertrages durch E kann R den Kaufvertrag widerrufen", fehlt meiner Ansicht nach der Hinweis auf § 109 Abs. 2 BGB. Genau diese Konstellation beschreibt der Sachverhalt, und ich meine, dass der ungefähre Wortlaut des § 109 Abs. 2 BGB auch im Maßstab wiedergegeben wird.

AS

as.mzkw

28.11.2024, 09:16:07

Was @[Skra8](184520) sagt. Hier liegt ein glatter Fall des § 109 II BGB vor.

NIE

Niels

29.12.2024, 22:25:16

Wie verhält es sich mit der Bindung an einen Antrag, sollte man diesen gegenüber einem Minderjährigen abgeben. Hat hierbei § 145 oder § 109 Anwendungsvorrang? § 131 sagt, die Willenserklärung wird erst mit Zugang beim ges. Vertreter wirksam, wie sieht es hier mit dem Widerruf aus?

CO

cornelius.spans

12.1.2025, 21:21:07

Hi, ein Antrag iSd. §

145 BGB

, der gegenüber einem Minderjährigen abgegeben wird, ist für diesen

lediglich rechtlich vorteilhaft

iSd. §

107 BGB

. Denn die rechtliche Position des Minderjährigen wird ausschließlich verbessert. Der Antrag kann angenommen oder abgelehnt werden, wobei den Minderjährigen aber keine Pflichten treffen. Der Antrag wird deshalb nach § 131 II 2 BGB mit Zugang beim Minderjährigen wirksam. Bei der reinen Betrachtung des Antrags gegenüber einem Minderjährigen bleibt es auch bei der

Bindung an den Antrag

nach §

145 BGB

.

§ 109 BGB

ist in diesem Stadium (noch) nicht anwendbar, da der Anwendungsbereich der Norm erst eröffnet ist, wenn bereits ein Vertrag zustande gekommen ist, dieser aber noch zu genehmigen ist. Um aber auch diese Frage noch zu beantworten nehmen wir den Fall an: Antrag an Minderjährigen, Annahme durch Minderjährige ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter; Der geschlossene Vertrag ist

nicht lediglich rechtlich vorteilhaft

e für den Minderjährigen. Hier ist daher der Fall des § 108 I BGB gegeben. Es besteht daher ein

schwebend unwirksam

er Vertrag. Nach § 109 I 1 BGB kann jetzt der andere Teil bis zur wirksamen Genehmigung widerrufen, außer zB die Minderjährigkeit war bekannt (§ 109 II BGB). Auf §

145 BGB

kommt es jetzt nicht mehr an, da die

Bindung an den Antrag

ja spätestens mit der Annahme nicht mehr besteht. Denn die

Bindung an den Antrag

soll ja nur dem Adressaten die Möglichkeit geben, in angemessener Frist den Vertrag auch annehmen zu können (§

147 BGB

). Einen Vertrag haben wir hier aber ja schon. Die §§ 109 und

145 BGB

kommen sich in der Hinsicht also gar nicht in die Quere, da Ihnen unterschiedliche Sachverhalte zu Grunde liegen. MfG


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