+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A erfährt am 01.02.1986, dass deutsche Polizeibeamte am 03.02.1986 nach Südafrika reisen sollen. A ist empört und lädt am 02.02.1986 zur "Anti-Apartheid"-Demo am 03.02.1986 ein. Die Versammlung verläuft reibungslos, war aber nicht angemeldet. A wird zu einer Geldstrafe verurteilt.

Einordnung des Falls

Anmeldepflicht bei Eilversammlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel ist spätestens 48 Stunden vor ihrer Bekanntgabe der zuständigen Behörde zu melden. Dies ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden.

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Genau, so ist das!

Art. 8 Abs. 1 GG schützt jede Versammlung unabhängig davon, ob sie angemeldet ist. Allerdings besteht gemäß § 14 Abs. 1 VersG die Pflicht, öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel spätestens 48 Stunden vor ihrer Bekanntgabe der zuständigen Behörde zu melden. Die Anmeldepflicht stützt sich auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG. Sie dient dem Schutz der Versammlungsteilnehmer und Dritter und ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Frist von 48 Stunden ist angemessen. Die Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung ist strafbewehrt (§ 26 Nr. 2 VersG).

2. Eilversammlungen fallen nicht in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG. Sie sind folglich unzulässig, unabhängig von der Frage, ob sie die Anmeldepflicht einhalten.

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Nein, das trifft nicht zu!

Eine Versammlung ist (1) eine örtliche Zusammenkunft (2) mehrerer Personen (3) zu einem gemeinsamen Zweck. Wie lange im Voraus die Versammlung geplant oder organisiert wurde, ist unerheblich. Dem Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG unterfallen selbst Spontanversammlungen, die sich aus einem aktuellen Anlass ungeplant ohne Veranstalter und meist ohne Leiter entwickeln. Folglich sind erst recht auch kurzfristig organisierte Eilversammlungen von der Versammlungsfreiheit geschützt. Dies folgt aus dem offenen Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 GG sowie dem Telos. Eilversammlungen sind in gleicher Weise schutzwürdig wie lang im Voraus geplante Versammlungen.

3. Die Anmeldepflicht des § 14 Abs. 1 VersG gilt bei Eilversammlungen unter freiem Himmel infolge verfassungskonformer Auslegung nicht.

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Nein!

Eilversammlungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie - im Unterschied zu Spontanversammlungen - zwar geplant sind und Veranstalter haben, dass sie aber die Anmeldefrist von 48 Stunden nicht einhalten können, ohne dass dadurch der Versammlungszweck gefährdet wird. Ein Beharren auf der Einhaltung der vollen Anmeldefrist von 48 Stunden würde zur generellen Unzulässigkeit von Eilversammlungen führen. Das wäre mit Art. 8 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Anders als bei Spontanversammlungen ist bei Eilversammlungen jedoch nur die 48-Stunden-Frist problematisch; eines Verzichts auf die Anmeldung bedarf es von Verfassungs hingegen nicht.

4. Die Anmeldepflicht des § 14 Abs. 1 VersG gilt bei Eilversammlungen unter freiem Himmel aufgrund verfassungskonformer Auslegung nur eingeschränkt, mit der Folge, sodass die Frist verkürzt ist.

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Genau, so ist das!

Richtig! Die Beharrung auf der 48-Stunden-Frist des § 14 Abs. 1 VersG würde zur generellen Unzulässigkeit von Eilversammlungen führen. Deshalb bedarf es in verfassungskonformer Auslegung des § 14 Abs. 1 VersG einer Verkürzung der Anmeldefrist, die der Eigenart der Versammlung Rechnung trägt. Die Anmeldepflicht bleibt hingegen bestehen. Eilversammlungen sind somit anzumelden, und zwar sobald die Möglichkeit dazu besteht. Dies ist in dem Zeitpunkt der Fall, in dem der Beschluss getroffen wird, die Versammlung zu veranstalten, spätestens zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Veranstaltung.

5. Die Verurteilung des A als Veranstalter der "Anti-Apartheid"-Demo zu einer Geldstrafe nach § 26 Nr. 2 VersG war verfassungsgemäß.

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Ja, in der Tat!

Da die Anmeldepflicht des § 14 Abs. 1 VersG bei Eilversammlungen bestehen bleibt und nur die Anmeldefrist entsprechend verkürzt wird, hätte A hier die Versammlung anmelden müssen - und zwar zum Zeitpunkt, in dem er den Beschluss getroffen hat, die "Anti-Apartheid"-Demo zu veranstalten, spätestens zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Veranstaltung (02.02.1986). Die Strafandrohung des § 26 Nr. 2 VersG dient der Einhaltung der Anmeldepflicht und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Als Veranstalter hat sich A gemäß § 26 Nr. 2 VersG strafbar gemacht.

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