Beendigung des Werkvertrags unterliegt den allgemeinen Regeln, enthält aber auch spezifische Beendigungsgründe: 1. Kündigung durch den Unternehmer, § 643 BGB


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Beim vereinbarten Termin in Us Tattoo Studio taucht B nicht auf. Nach erfolglosem Anruf setzt U eine Frist von zwei Wochen. Danach brauche B „gar nicht mehr kommen“.

Einordnung des Falls

Beendigung des Werkvertrags unterliegt den allgemeinen Regeln, enthält aber auch spezifische Beendigungsgründe: 1. Kündigung durch den Unternehmer, § 643 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Unterlässt der Besteller eine notwendige Mitwirkung, kann der Unternehmer kündigen (§ 643 BGB).

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Ja, in der Tat!

Ein Kündigung nach § 643 BGB setzt voraus, dass (1.) eine Mitwirkung des Bestellers zur Herstellung des Werks erforderlich ist, (2.) der Besteller sich in Annahmeverzug befindet und (3.) eine angemessene Frist mit Kündigungsandrohung abgelaufen ist (§ 643 S. 1 BGB). In diesem Fall hat der Unternehmer nur Anspruch auf anteilige Vergütung. Zum Vergleich: Bei Kündigung des Werkvertrags durch den Besteller hat der Unternehmer zunächst einen vollen Vergütungsanspruch (§ 648 S. 2 BGB). Auch diese Kündigung wirkt ex nunc, also für die Zukunft.

2. Zur Herstellung des Werkes durch U ist Bs Mitwirkung erforderlich.

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Ja!

Zur Herstellung des Werkes müsste der Besteller mitwirken (§ 642 BGB). Falls B nicht erscheint, kann U auf Bs Körper kein Tattoo stechen.

3. B befindet sich im Annahmeverzug.

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Genau, so ist das!

Der Besteller müsste durch die unterlassene Mitwirkung in Annahmeverzug geraten (§ 642 BGB). Der Annahmeverzug (auch Gläubigerverzug) bestimmt sich nach den §§ 293ff. BGB. Der Schuldner (hier der Werkunternehmer) muss die Leistung anbieten (§§ 294ff. BGB). Wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, genügt ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB). Der Schuldner muss tatsächlich auch leisten können (§ 297 BGB). U war beim Termin in der Lage, das Werk herzustellen. Durch den Anruf hat U gegenüber B die Leistung wörtlich angeboten.Selbst ohne wörtliches Angebot wäre Annahmeverzug eingetreten, da Bs Leistung nach dem Kalender bestimmt und ein Angebot somit entbehrlich war (§ 296 S. 1 BGB).

4. U hat im Zusammenhang mit der Kündigungsandrohung eine angemessene Frist gesetzt.

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Ja, in der Tat!

Eine angemessene Frist muss so bemessen sein, dass die Nachholung der Handlung bei gehöriger Anstrengung auch möglich ist. Eine zu kurz bemessene Frist setzt eine angemessene Frist in Gang. B ist es bei gehöriger Anstrengung möglich, in den nächsten zwei Wochen U’s Tattoo Studio aufzusuchen. U hat der B erklärt, sie brauche danach „gar nicht mehr kommen“. Damit hat U gegenüber B die Kündigung angedroht. Ob der Besteller (hier B) den Fristablauf zu vertreten hat oder nicht, ist im Übrigen gleichgültig.

5. U muss die Kündigung nach Ablauf der Frist explizit erklären.

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Nein!

Der Vertrag gilt als aufgehoben, wenn nicht die Nachholung der Mitwirkung bis zum Ablauf der Frist erfolgt (§ 643 S. 2 BGB). Einer expliziten Erklärung bedarf es nicht. Der Unternehmer kann die Kündigung nach Fristablauf auch nicht mehr einseitig zurücknehmen.

6. U hat Anspruch auf die volle Vergütung.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Im Falle der Kündigung hat der Unternehmer in entsprechender Anwendung des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB nur Anspruch auf anteilige Vergütung (§ 645 Abs. 1 S. 2 BGB). Daneben hat der Werkunternehmer einen Entschädigungsanspruch nach § 642 Abs. 2 BGB.

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RA

Raphaeljura

11.7.2023, 01:40:15

Der Unternehmer hat also zwei Anspruchsgrundlagen im obigen Fall?

DI

Diaa

11.8.2023, 07:18:52

Doofe Frage, aber sind die §§ 645 und 642 eigenständige Anspruchsgrundlagen?

LU

luc1502

29.8.2023, 20:27:38

m.E. müsste das der Fall sein, denn §645 I 2 verweist auf S.1 und der spricht von "Vergütung", wohingegen der §642 I a.E. eine Entschädigung vorsieht + beide Male steht "kann verlangen" und wenn man das dann mit §194 I BGB kombiniert, müsste man beide Male eine Anspruchsgrundlage annehmen.


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