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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der nunmehr einarmige B wird nochmal von Rentner R überfahren. Dieses mal verliert er zum Glück nicht auch noch seinen linken Arm. Er erleidet aber einen schmerzhaften offenen Bruch, den er von Chirurg C für €5.000 operieren lässt.

Einordnung des Falls

Grundfall 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, wird durch die Differenzhypothese ermittelt.

Genau, so ist das!

Der Schädiger hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB). Darauf aufbauend wird bei Vermögensschäden durch die Differenzhypothese ermittelt, ob jemand eine ersetzbare „Einbuße“ erlitten hat, indem ein Vergleich zwischen zwei Güterlagen vorgenommen wird: (1) Was ist jetzt die konkrete tatsächlichen Lage des Geschädigten mit schädigendem Ereignis und (2) wie wäre jetzt seine hypothetische Lage, wenn das Schadensereignis nicht eingetreten wäre? Ein Schaden liegt vor, wenn sich ein Unterschied zwischen beiden Güterlagen ergibt, der sich zu Lasten des Geschädigten auswirkt.

2. B hat nur einen Nichtvermögensschaden erlitten, weil auch nur sein Körper unmittelbar verletzt wurde.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Vermögens- wird vom Nichtvermögensschaden danach abgegrenzt, ob der jeweilige Schaden in Geld messbar ist. Es gibt jedoch keine allgemeingültigen Kriterien dafür, wann eine solche Messbarkeit vorliegt. B hat sowohl einen Nichtvermögensschaden als auch einen Vermögensschaden erlitten: (1) Ein Schaden ist der Armbruch und das damit verbundenen Leid, denn wäre er nicht überfahren worden (schädigendes Ereignis), hätte er diese Einbuße nicht erlitten. Dieser Schaden ist nicht in Geld messbar, sodass es sich um einen (immateriellen) Nichtvermögensschaden handelt. (2) Infolge des schädigenden Ereignisses sind jedoch mit dem Armbruch auch Heilbehandlungskosten entstanden. Diese sind in Geld messbar und somit ein (materieller) Vermögens(folge)schaden.

3. Nach dem Gesetz hätte R den B selbst operieren bzw. dies in Auftrag geben können, weil nach § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich der Schädiger selbst den ordnungsgemäßen Zustand herzustellen hat.

Ja!

Der Schädiger hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 Abs. 1 BGB). Den Schädiger trifft daher eine Herstellungspflicht. Im Rahmen dieser Naturalrestitution ist dabei sowohl für § 249 Abs. 1 BGB als auch § 249 Abs. 2 BGB unerheblich, ob es sich um einen Vermögens- oder Nichtvermögensschaden handelt, d.h. der Schädiger muss nach § 249 Abs. 1 BGB auf eigene Kosten das Auto reparieren (Vermögensschaden) oder wie etwa hier die Wunde – ggf. unter Zuziehung Dritter – versorgen (Nichtvermögensschaden) bzw. dem Geschädigten die Kosten dafür ersetzen (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB).

4. B kann die Heilbehandlungskosten auch im Rahmen der Naturalrestitution ersetzt verlangen (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

§ 249 Abs. 2 BGB eröffnet dem Geschädigten die Möglichkeit, statt der Herstellung durch den Schädiger den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag zu verlangen (Ersetzungsbefugnis). Zweck der Regelung ist es, dem Geschädigten zu ersparen, das verletzte Rechtsgut dem Schädiger zur Wiederherstellung anvertrauen zu müssen. Voraussetzung ist jedoch, dass wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung (oder Zerstörung) einer Sache Schadensersatz zu leisten ist. In allen anderen Fällen des § 249 BGB kann der Geschädigte erst nach Ablauf einer angemessenen Frist Ersatz in Geld verlangen (§ 250 BGB).

5. Wenn die Heilbehandlungskosten unverhältnismäßig hoch sind, kann der Schädiger stattdessen den Geschädigten auch nur „in Geld entschädigen“ (§ 251 Abs. 2 S. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Ist die Naturalrestitution nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich, dann kann der Schädiger statt der Wiederherstellung Entschädigung in Geld leisten und muss so „nur“ die Vermögensminderung des Geschädigten ausgleichen (§ 251 Abs. 2 S. 1 BGB). Für die Feststellung der Unverhältnismäßigkeit ist ein Wertvergleich erforderlich, bei dem die für die Herstellung erforderlichen Aufwendungen in ein Verhältnis zu dem Wert des geschädigten Rechtsguts zu setzen sind. Weil der Personenschaden des B jedoch nicht in einem Vermögenswert bemessen werden kann, gibt es keinen Wert, der den Herstellungskosten gegenübergestellt werden könnte. Eine Unverhältnismäßigkeit der Wiederherstellung von Personenschäden gibt es deshalb nicht. Die Ersatzfähigkeit von Heilbehandlungskosten ist ausschließlich nach der medizinischen Erforderlichkeit gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu bewerten.

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Tigerwitsch

Tigerwitsch

6.3.2021, 15:14:22

Der arme B - und vor R müsste man sich in Acht nehmen 😂

REDP

RedPrometheus

11.8.2022, 12:29:53

Danke, dass ihr auch beim lernen einen zum Schmunzeln bringen könnt 😅

Maitre68

Maitre68

8.4.2024, 17:28:37

Nur spasseshalber. Wenn man durch einen Star-Chirurg verletzt wird, kann man dann von diesem verlangen, dass er einen höchstpersönlich operiert im Rahmen der Naturalrestitution? Oder kann der sich da Dritten bedienen?

TI

Timurso

8.4.2024, 19:29:28

Ja, das dürfte gehen. Schließlich gibt § 249 II 1 BGB nach seinem Wortlaut ("kann") dem Gläubiger ein Wahlrecht, nicht dagegen dem Schuldner.

Irina95

Irina95

18.4.2024, 11:35:49

Ich steh ein bisschen auf dem schlauch. „Voraussetzung ist jedoch, dass wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung (oder Zerstörung) einer Sache Schadensersatz zu leisten ist. In allen anderen Fällen des § 249 BGB kann der Geschädigte erst nach Ablauf einer angemessenen Frist Ersatz in Geld verlangen (§ 250 BGB)“ Was wären denn genau jetzt die anderen Fälle? Hab ich in den Fällen nicht eigentlich immer einen Schadensersatzanspruch? Was wäre ein Beispiel wo ich eine Frist setzten müsste?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

18.4.2024, 17:18:03

Hallo Irina95, in der Tat erscheint der tatsächlich Anwendungsbereich des § 250 BGB klein. Denn im Fall einer Gesundheitsverletzung oder Sachbeschädigung kann der Geschädigte ohne Fristsetzung nach § 249 BGB Schadensersatz verlangen. Darunter fallen beispielsweise folgende Fälle: Wenn der Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit besteht und dem Gläubiger deshalb ein Befreiungsanspruch zusteht. Hierfür muss jedoch stets die Belastung mit der Verbindlichkeit feststehen und der Befreiungsanspruch auf einer Verpflichtung zum Schadensersatz beruhen. Ferner findet § 250 Anwendung bei einem Schaden in Gestalt einer Besitzentziehung, wenn sich die Naturalrestitution auf die Rückgewähr der Sache beschränkt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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