Zivilrecht
Schadensrecht
Feststellung eines ersatzfähigen Schadens
Kein Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten im Werkrecht
Kein Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten im Werkrecht
4. Juli 2025
35 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B schließt mit W einen Vertrag über die Errichtung eines Werks im Wert von €5.000. Ein Jahr nach Abnahme (§ 640 BGB) zeigen sich Sachmängel, die aber bereits bei Abnahme vorhanden waren. Die Behebung der Mängel würde €1.000 kosten. Mit dem Mangel ist das Werk nur €4.500 wert. B hat W erfolglos eine Frist zur Behebung der Mängel gesetzt.
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Einordnung des Falls
Kein Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten im Werkrecht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat gegen W einen Anspruch auf Ersatz des mangelbedingten Minderwerts des Werkes (€500) aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB.
Ja!
2. B kann die Mangelbeseitigungskosten auch als Aufwendungsersatz gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB verlangen.
Genau, so ist das!
3. B stehen gegen W Gewährleistungsrechte nach Werkvertragsrecht (§ 634 BGB) zu.
Ja, in der Tat!
4. Lässt B den Mangel beseitigen, hat er gegen W einen Anspruch auf Ersatz der Mangelbeseitigungskosten in Höhe von €1.000 nebst Umsatzsteuer aus Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB.
Ja!
5. Der Anspruch auf Ersatz des mangelbedingten Minderwerts ist in Anlehnung an §§ 634 Nr. 3, 638 BGB zu bemessen.
Genau, so ist das!
6. Auch wenn B Schadensersatz statt der Leistung verlangt, kann er weiterhin gem. §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB Vorschuss fordern, wenn er den Mangel beseitigen will.
Ja, in der Tat!
7. B kann gegen W alternativ auch einen Anspruch auf Ersatz der fiktiven Mängelbeseitigungskosten in Höhe von €1.000 aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1,3, 281 Abs. 1 BGB geltend machen.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Mona
14.8.2020, 20:43:59
Ich verstehe bei der ich glaube vorletzten Antwort nicht ganz inwiefern B den „
Schaden“ selbst verursacht hat. Ist das einfach ungünstig formuliert oder habe ich etwas übersehen?

Eigentum verpflichtet 🏔️
14.8.2020, 22:01:50
Hallo Mona, danke für die gute Frage! Das hängt mit den unterschiedlichen
Schadenspostenzusammen. Da der BGH in dieser Entscheidung für das Werkvertragsrecht den
Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskostenals
Schadenabgelehnt hat, könnte B ohne Beseitigung des Mangels nur den Minderwert (500€) als
Schadensersatz verlangen. Entscheidet sich B aber den Mangel für 1000€ zu beseitigen, so entspricht sein
Schadennicht mehr dem Minderwert, sondern den Mängelbeseitigungskosten. Daher hat B durch die Mangelbeseitigung die letzte Ursache zur Entstehung des
Schadens von 1000€ gesetzt. Dennoch besteht ein
Schadensersatzanspruch.
Mona
15.8.2020, 21:30:09
Danke für deine schnelle und sehr verständliche Antwort und generell für eure Mühe und diese App!:) Ich bin mir sicher, ich bin bei weitem nicht die einzige, die das sehr zu schätzen weiß!

Eigentum verpflichtet 🏔️
16.8.2020, 00:58:11
Vielen Dank, liebe Mona für das sehr nette Lob, das freut uns wirklich sehr und ist natürlich auch Ansporn für uns! Sehr interessant noch zu diesem Fall des VII. Zivilsenats des BGH im Werkvertragsrecht: Der V. Senat, zuständig für Kaufverträge, hat eine Anfrage (Beschl. v. 13.03.2020, Az. V ZR 33/19) an den VII. Senat gestellt, ob er an der Aufgabe der Rechtsprechung zum fiktiven
Schadensersatz festhält. Das hätte dann nämlich auch Auswirkungen auf das
Kaufrecht. Wahrscheinlich landet die Frage demnächst beim Großen Senat für Zivilsachen des BGH.

Eigentum verpflichtet 🏔️
16.8.2020, 00:58:46
Die Frage ist durchaus examensrelevant, durchaus auch für die mündliche Prüfung.

TeamRahad 🧞
7.2.2021, 09:07:20
Examensrelevant trifft zu, in Bayern war der Fall 2020 im zweiten Examen dran ✌️

Tigerwitsch
12.3.2021, 17:09:48
Interessant: Der V. Zivilsenat hat nunmehr bestätigt, dass im
Kaufrecht(!) der Ersatz fiktiver Schäden weiterhin gilt. https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/2021054.html Wenn die Entscheidung veröffentlicht ist, wäre es klasse, wenn Ihr das in der Rubrik „aktuelle Rechtsprechung“ besprecht 😊
Lorenz
30.9.2024, 10:48:29
Ist in BW 2022 im 2. Examen gelaufen. Aber offenbar noch nicht beim Großen Senat gewesen
Florian
26.3.2025, 20:27:41
@[Lorenz](211175) ja genau, es wurde von den beiden Senaten gesagt, dass es spezifisch um das Werk- und
Kaufrechtging und nicht allgemein um das
Schadensrechtund daher keine Vorlage an den großen Senat erforderlich wäre, weil gerade keine Abweichung von einer Rspr. des anderen Senats gegeben sei.
🦊²
21.12.2022, 09:01:42
Hi, also folgt dann konkret der Zahlungsanspruch aus § 251 Abs. 1 BGB, weil die Naturalrestituion Unmöglich geworden ist infolge des
Schadensersatz statt der Leistungverlangen gem. § 281 IV BGB, oder? Liebe Grüße

Lukas_Mengestu
21.12.2022, 10:49:01
Hallo Fuchs², in der Tat ist bei der
Schadensberechnung letztlich auf § 251 Abs. 1 BGB zurückzugreifen. Die Herstellung ist auch dann unmöglich, wenn rechtliche Gründe die
Naturalrestitutionausschließen, hier also wegen § 281 Abs. 4 BGB (Oetker, in: MüKoBGB, 9. Aufl. 2022, BGB § 251 Rn. 6). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

iudexaquo
21.10.2023, 16:37:41
könntet ihr die Erklärung zur letzten Frage noch vervollständigen? :)

Wendelin Neubert
18.6.2025, 14:40:22
Hallo iudexaquo, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Wendelin Neubert, für das Jurafuchs-Team
Magie99Capona
22.6.2024, 18:38:23
für was genau verlange ich denn Vorschuss wenn ich
SE statt der Leistungverlange? hab das bei der frage Nicht ganz verstanden
Patrick4219
26.7.2024, 19:36:53
Vorschuss für die Reparaturkosten. Wenn du deine Mauer für 1000.-€ repatieren lässt, dann steht dir auch beim
SE statt der Leistungein Anspruch auf Zahlung der Reparaturkosten (als
Schadensposten) zu. Für diesen kannst du dann einen Vorschuss verlangen.
Diaa
7.9.2024, 14:45:29
@[Patrick4219](231635) dein Beispiel erläutert doch die Situation eines Vorschusses für Aufwendungen..

Tobias Krapp
22.10.2024, 18:15:46
Hallo @[Magie99Capona](247187) @[Patrick4219](231635) @[Diaa](211889), das war hier in der Aufgabe bisher etwas unpräzise formuliert. Natürlich kann kein "Vorschuss" für den
Schadensersatz verlangt werden. Dem BGH ging es darum, dass auch der Besteller, der bereits
Schadensersatz statt der Leistungin Form des kleinen
Schadensersatzes verlangt hat (mit der Wirkung des § 281 IV BGB), weiterhin das Recht hat, Vorschuss zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will. Dass der
Nacherfüllungsanspruch gem. § 281 IV BGB nun ausgeschlossen ist, ist insoweit egal. Auch hier ergibt sich der Vorschussanspruch dann aber aus §§ 634 Nr. 2, 637 I, III BGB, und der Vorschuss ist dann ganz normal der Vorschuss für die Mängelbeseitigungskosten. Ich habe das sprachlich in der Aufgabe präzisiert. Vielen Dank euch für euren Hinweis auf diese kleine Unstimmigkeit! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
cakelover
4.3.2025, 16:39:30
Muss der kleine
Schadensersatz dann mit dem Vorschuss verrechnet werden? Denn das Werk ist nach Mängelbeseitigung ja nicht mehr mangelhaft und der Minderwert besteht dann ja nicht mehr
Nani123
21.10.2024, 16:27:23
ich verstehe einen Teil der Antwort in der letzten Frage nicht: Zunächst heißt es, dass der Vorschuss beim AS auf
Aufwendungsersatzsich aus dem Wortlaut ergibt = § 637 III Vorschuss geht auch beim
Schadensersatz und § 281 IV steht dem nicht entgegen, weil sie sich nicht auf den
Aufwendungsersatzbezieht. Bis hierhin alles klar und verständlich. Aber dann: „Aus § 637 I HS. 2 kann nicht hergeleitet werden, dass ein noch bestehender AS auf NE VSS eines Vorschussanspruches sei.“ Warum sollte das denn überhaupt erst hergeleitet werden? Und was genau bedeutet das jetzt? Stehe da total auf dem Schlauch..

Tobias Krapp
22.10.2024, 18:04:59
Hallo @[Jana](82314), der BGH hat sich an dieser Stelle kurz mit einer Mindermeinung auseinandergesetzt, die das fordert. Hintergrund: Sobald der Besteller
Schadensersatz fordert, ist der Anspruch auf
Nacherfüllunggem. § 281 IV BGB ausgeschlossen. § 637 I Hs. 2 wiederum spricht davon, dass der Vorschuss nur verlangt werden kann "wenn nicht der Unternehmer die
Nacherfüllungzu Recht verweigert". Man könnte dann ja sagen: Wenn es einen Ausschluss des Vorschusses gibt, wenn der Unternehmer die
Nacherfüllungzu Recht verweigert, wie soll das funktionieren, wenn die
Nacherfüllungausgeschlossen ist? Der Unternehmer ist ja dann von seiner Pflicht zur
Nacherfüllungfrei, die Frage der berechtigten Verweigerung stellt sich gar nicht mehr. Daraus ließe sich im Umkehrschluss folgern: Die Frage der berechtigten Verweigerung stellt sich nur, wenn noch ein
Nacherfüllungsanspruch besteht. Und da die (fehlende) berechtigte Verweigerung Anspruchsvoraussetzung für 637 ist, ist das Voraussetzung für den Anspruch. Das ist die Argumentation, und diese hat der BGH wie in der Aufgabe gezeigt mit dem Argument, dass der Besteller durch die Wahl des
Schadensersatzes statt der Leistung nicht schlechter gestellt werden soll, verworfen. Ich hoffe, das hat weitergeholfen! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
Nani123
22.10.2024, 20:53:19
@[Tobias Krapp](259492) vielen Dank für Deine verständliche Antwort! :)

Moltisanti
9.12.2024, 09:47:50
Noch nie habe ich AS als Abkürzung für Anspruch gesehen, erfinde doch keine eigenen Abkürzungen
Antonia
27.10.2024, 00:03:37
Wird die
Differenzhypothesealso nicht im Rahmen der
Naturalrestitutionangewandt? Nur im Rahmen der §251, 252?
Leo Lee
16.11.2024, 01:58:30
Hallo Antonia, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Die
Differenzhypotheseist eine allgemeine Erwägung des
Schadensrechts, weshalb diese Hypothese immer zur Anwendung gelangt, um die
Schadenshöhe und den
Schadensumfang zu ermitteln. Deshalb immer daran denken, beim Punkt "
Schaden" anhand der
Differenzhypotheseerstmal den konkreten
Schaden(bzw. dessen Höhe) zu ermitteln, ehe du auf die Einzelheiten eingehst. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Oetker § 249 Rn. 16 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
cakelover
27.1.2025, 19:05:57
Kann der Geschädigte nach Geltendmachung des Vorschusses auch noch den kleinen
Schadensersatz behalten oder muss dieser quasi mit den Mängelbeseitigungskosten verrechnet werden?
P K
29.1.2025, 21:59:01
Den mangelbedingten Minderwert kann er natürlich behalten, konkret berechnete Mängelbeseitigungskosten müssen natürlich verrechnet werden mit dem Vorschuss.
Droski
31.1.2025, 12:38:44
Es wurde doch keine Frist gesetzt, was § 637 jedoch voraussetzt. In einem Aufbauschema zu §§ 634 Nr. 2, 637 wurde das Fristerfordernis auch als Vss genannt.
Linder
11.3.2025, 19:43:15
Ich weiß nicht, ob es zwischendurch eine Änderung gab, aber im letzten Satz des SV steht, dass erfolglos eine Frist gesetzt wurde!
hardymary
4.3.2025, 20:29:46
Ich habe gelernt, dass bei dem kleinen SE (also Sache behalten und mangelbedingter Minderwert ersetzt bekommen) zumindest im
Kaufrechtgerade nicht das Verhältnis der
Minderungeine Rolle spielt, sondern sogar ein Abgrenzungsproblem darstellt. Ist der Kaufpreis nämlich ≠ objektiver Wert, divergiert der Wert der
Minderungzu dem SE Anspruch, weil der SE Anspruch das
Erfüllungsinteresseersetzt und damit den obj. Wert. Meine Frage also, wieso wird das Verhältnis der
Minderunghier bei dem SE Anspruch berücksichtigt?
Florian
26.3.2025, 20:33:11
Push - bitte beantworten:)
Florian
18.6.2025, 16:03:58
Könnt ihr dazu etwas sagen?:) @[Tim Gottschalk](287974) @[Sebastian Schmitt](263562)
Anna Sophie
9.6.2025, 12:38:43
Wenn ein Werkunternehmer weiterhin Vorschuss der Mangelbeseitigungskosten verlangen kann, ist es doch komplett irrelevant für ihn dass er nach Änderung der Rsp. des BGH nun diese fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht mehr im Wege des SE geltebd machen kann oder? Statt zwei AGL, bleibt ihm halt nur noch die aus 637 BGB iHV 1000€
Leo Lee
19.6.2025, 10:40:07
Hallo Anna Sophie, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat hat es i.E. fast keine Konsequenzen, da - wie du völlig richtig anmerkst - eben der eine Anspruch noch bleibt. Auch hat der BGH im Jahre 2022, als er über die fiktiven Beseitigungskosten i.R.d.
Kaufrechts zu entscheiden hatte, nebenbei nochmal klargestellt, dass im Werkvertragsrecht die Probleme (die es im
Kaufrechtsehr wohl gibt) nicht gegeben seien, da ein Vorschussanspruch im Werkrecht existiert. Hierzu kann ich die Lektüre des Artikels vom NJW sehr empfehlen (findest du hier: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bgh-fiktive-maengelbeseitigungskosten-im-
kaufrecht-ja-im-werkvertragsrecht-nein) :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo