Kein Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten im Werkrecht


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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B schließt mit W einen Vertrag über die Errichtung eines Werks im Wert von €5.000. Ein Jahr nach Abnahme (§ 640 BGB) zeigen sich Sachmängel, die aber bereits bei Abnahme vorhanden waren. Die Behebung der Mängel würde €1.000 kosten. Mit dem Mangel ist das Werk nur €4.500 wert. B hat W erfolglos eine Frist zur Behebung der Mängel gesetzt.

Einordnung des Falls

Kein Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten im Werkrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat gegen W einen Anspruch auf Ersatz des mangelbedingten Minderwerts des Werkes (€500) aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB.

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Ja!

Es handelt sich um einen Anspruch auf Schadenseratz statt der Leistung. Hätte W den Mangel im letzten möglichen Zeitpunkt der Nacherfüllung behoben, wäre die Schadensposition entfallen. Die Voraussetzungen des Anspruchs liegen vor: Das Werk war bei Abnahme mangelhaft, W hat die Pflicht zur Behebung der Mängel nicht binnen der gesetzten Frist erfüllt. Sein Verschulden wird vermutet. Da B bereits Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat, ist Naturalrestution ausgeschlossen (§ 281 Abs. 4: "... der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen..."). B kann die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert des Werkes ohne Mangel (€5.000) und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel (€4.500) als Schaden geltend machen (BGH, RdNr. 27).

2. B kann die Mangelbeseitigungskosten auch als Aufwendungsersatz gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB verlangen.

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Genau, so ist das!

Die Tatbestandsvoraussetzungen entsprechen denen der §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1,3, 281 Abs. 1 BGB. Unterschied: Der Anspruch aus §§ 634 Nr. 2, 637 BGB setzt kein Verschulden des W voraus und ist daher in der Regel günstiger für den Besteller.

3. B stehen gegen W Gewährleistungsrechte nach Werkvertragsrecht (§ 634 BGB) zu.

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Ja, in der Tat!

Notwendige Voraussetzung für Mängelrechte im Werkrecht sind das Bestehen eines Werkvertrags (§ 631 BGB) sowie ein Sachmangel (§ 633 Abs. 2 BGB) im Zeitpunkt der Abnahme (§ 640 BGB). Diese Voraussetzungen liegen vor.Die Rechte des Bestellers werden in § 634 BGB aufgezählt und sind auch auf Bauverträge (§ 650a BGB) und Verbraucherbauverträge (§ 650i BGB) anwendbar. Diese Vertragstypen sind Fallgruppen des allgemeinen Werkvertrags, auf die bestimmte Sondernormen zusätzlich anwendbar sind.

4. Lässt B den Mangel beseitigen, hat er gegen W einen Anspruch auf Ersatz der Mangelbeseitigungskosten in Höhe von €1.000 nebst Umsatzsteuer aus Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB.

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Ja!

Es handelt sich um den kleinen Schadensersatz statt der Leistung, weil B nur die Kosten der Mangelbehebung verlangt, am Vertrag im Übrigen aber festhalten möchte (Unterschied zum großen Schadensersatz statt der Leistung). W hat die Pflicht zur Nacherfüllung verletzt. Das Vertretenmüssen wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Problematisch ist, dass der Schaden erst aufgrund der Mangelbeseitigung durch B selbst entstanden ist, er also als letzter zur Verursachung beigetragen hat. Dies steht der Ersatzfähigkeit indes nicht entgegen, weil B sich zu dieser Schadensbeseitigung herausgefordert fühlen durfte (BGH, RdNr. 46).

5. Der Anspruch auf Ersatz des mangelbedingten Minderwerts ist in Anlehnung an §§ 634 Nr. 3, 638 BGB zu bemessen.

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Genau, so ist das!

Maßgeblich für die Bemessung des mangelbedingten Minderwerts ist das Äquivalenzverhältnis aus Leistung und Gegenleistung. Dieses Verhältnis kommt in § 638 BGB (Minderung) zum Ausdruck. Weil der Anspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB strengere Voraussetzungen hat (Verschulden!) sind die Wertungen des § 638 BGB auch auf den Anspruch auf Schadensersatz zu übertragen (BGH, RdNr. 40f.).Hier beträgt der Wert des Werkes mit Mangel €4.500.

6. Sowohl für den Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung als auch für den Anspruch auf Aufwendungsersatz kann B einen Vorschuss verlangen (§§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB).

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Ja, in der Tat!

B kann einen Vorschuss verlangen (§§ 634 Nr. 2, 637), unabhängig davon, welche Anspruchsgrundlage er wählt (BGH RdNr. 48f.). Für den Anspruch auf Aufwendungsersatz ergibt sich diese Rechtsfolge aus dem Gesetzeswortlaut. Nach BGH besteht der Anspruch aber auch, wenn B Schadensersatz verlangt. Dem steht § 281 Abs. 4 BGB nicht entgegen, weil diese Vorschrift nur die Primärleistung (Mängelbeseitigung) ausschließt. Aus § 637 Abs. 1 HS. 2 kann nicht hergeleitet werden, dass ein noch bestehender Anspruch auf Nacherfüllung Voraussetzung eines Vorschussanspruches sei. Denn durch die Wahl des Schadensersatzes statt der Leistung soll der Besteller nicht schlechter gestellt werden als bei der Nacherfüllung. Dem entspricht es, dass der W die (Vorfinanzierungs-) Kosten der Mangelbeseitigung trägt (BGH, RdNr. 49f.).

7. B kann gegen W alternativ auch einen Anspruch auf Ersatz der fiktiven Mängelbeseitigungskosten in Höhe von €1.000 aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1,3, 281 Abs. 1 BGB geltend machen.

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Nein!

Mit dem vorliegenden Urteil ändert der BGH die bisherige Rechtsprechung, nach der diese Art der Schadensberechnung möglich gewesen war.Dafür sprechen folgende Argumente: (1) Beim Besteller realisiert sich kein Vermögensnachteil in Höhe fiktiver Mängelbeseitigungskosten. (2) Eine Schadensberechnung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bildet das Leistungsdefizit nicht zutreffend ab, sondern führt zu einer Übervorteilung des Bestellers. Dies liegt daran, dass die Kosten der fiktiven Mängelbeseitigung von vielen Faktoren abhängen und auch die Kosten des Werkes weit übersteigen können (BGH RdNr. 32f.). Sofern eine Schadensbeseitigung nicht erfolgt, kann nur der mangelbedingte Minderwert liquidiert werden.

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