Unechter Erfüllungsbetrug
2. April 2025
10 Kommentare
4,7 ★ (9.256 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

A, der einen Felgenhandel betrieb, verkaufte gefälschte Markenfelgen zu einem geringen Preis. Dabei waren die Felgen objektiv das Geld wert. B, der davon ausging, dass es sich um Originalprodukte handle, kaufte einige Felgen, bemerkt den Schwindel jedoch bald.
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Einordnung des Falls
Unechter Erfüllungsbetrug
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Dem B ist bei Vertragsabschluss ein Vermögensschaden (§ 263 Abs. 1 StGB) entstanden.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Dem B ist bei der Erfüllung durch Lieferung der Felgen nach Ansicht der Rspr. ein Schaden entstanden.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

lucylawless
30.1.2021, 13:01:01
Was genau ist denn der Unterschied zu der Aufgabe davor mit der Wollhose? In beiden Fällen ist der Käufer davon ausgegangen, das echte Produkt (Markenfelgen, Wollhose) zu bekommen, während er ein anderes Produkt bekam (markenlose Felgen und andere Hose aber beides den gezahlten Preis wert). Warum ist der erste Fall eine Täuschung und der zweite bloß ein schlechteres Geschäft?
Victor
4.2.2021, 16:58:42
Im ersten Fall zahlt der Käufer den Preis für das Originalprodukt und bekommt jedoch eine minderwertigere Hose zugeschickt, die im Wert hinter dem Kaufpreis zurückbleibt. Im zweiten Fall stellt sich der Käufer vor er würde Originalware erhalten. Er zahlt einen Kaufpreis der jedoch dem Wert der Ware entspricht die er erhält. Nach der
Gesamtsaldierunghat er somit keinen
Schaden.

Orfeas
17.2.2021, 15:08:50
@Victor stimmt nicht. Der Sachverhalt bzgl. der Wollhose ist dahingehend missverständlich formuliert. Es heißt aber die Hose sei den gezahlten Kaufpreis objektiv Wert. Der Unterschied ist hier nur, dass der Felgenhändler von Anfang an keine Originalfelgen versenden wollte. Während der Hosenhändler zunächst die Qualitativ höherwertige Wollhose zunächst noch senden wollte(Zeitpunkt der Eingehung) und sich erst später bei der Erfüllung umentscheidet(=
echter Erfüllungsbetrug). Der Felgenhändler wollte von Anfang an mit gefälschter Ware erfüllen(=
unechter Erfüllungsbetrug, weil Täuschungshandlung schon im Eingehungszeitpunkt vorgenommen wurde). Unschlüssig ist aber warum der BGH nur den Täter bestraft, der erst später entscheidet dem Opfer falsche Ware zu schicken.

Orfeas
17.2.2021, 15:10:47
Schließlich müsste doch dann der Täter, welcher schon von Anfang an vertragswidrig liefern will, erst Recht zu bestrafen sein 🤔

Isabell
30.3.2021, 19:01:32
Ich glaube dann fehlt in den Antworten des Falles zuvor irgendwo ein "nicht".
Kind als Schaden
17.2.2025, 21:15:55
@[Orfeas](116285) Die Idee des BGH (ich teile sie ausdrücklich nicht!) ist folgende: Im Felgen-Fall führt die Täuschung zumindest nicht direkt zu einem Vermögens
schaden. Dass dann später doch noch ggf. ein
Schadenannehmbar ist durch die Erfüllung entgegen des Vertrages (Zivilrechtlich kann man hier auch nochmal gesondert über Erfüllungswirkung usw. reden) ist dem BGH aber egal. Die Tathandlung der Täuschung endet praktisch nach der Feststellung, dass kein
Schadenvorliegt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dass freilich auch später noch ein
Schadenentstehen kann, sieht der BGH in diesem Fall nicht so -> Den
Schaden, den man im Felgenfall mit der Lit. annehmen kann (Stichwort: Anspruch ist bereits Teil des Vermögens des Geschädigten geworden), den sieht der BGH nicht, da dieser "
Schaden" dann nicht mehr auf einer Täuschung basiert, sondern unabhängig von der Täuschung im Eigehungsstadium eintritt. Im Wollhosen-Fall liegen die Dinge anders. Dort kann praktisch eine Verknüpfung zwischen der Täuschung und dem
Schadenhergestellt werden, sodass, obwohl die Fälle fast identisch sind, hier eine Strafbarkeit bejaht wird. Ich halte die Lösung für sehr umstritten und denke, dass es nicht richtig ist, eine Unterscheidung des Betrugs in Erfüllung- und
Eingehungsbetrug(echt/unecht) derart spitzfindig vorzunehmen, dass letztlich wenige Stunden zwischen dem Täuschungsentschluss einen derart gravierenden Unterschied in der rechtlichen Bewertung eines Sachverhalts machen, der seinem Wortlaut nach gänzlich keine eine derart diffizile Unterscheidung der Begehungsvarianten kennt.
Claudia
25.10.2021, 14:16:28
Bitte noch weitere Fälle zu: - Abgrenzung
Sachbetrug<> Trickdiebstahl -
Dreiecksbetrug<>
Diebstahl in mittelbarer Täterschaft- und gerne noch
Provisionsvertreterfälle Das wäre toll 🤗🤗🤗

Lukas_Mengestu
25.10.2021, 17:43:06
Lieben Dank, Claudia. Wir sind stetig dabei unsere Rechtsgebiete noch zu erweitern und nehmen Deine Vorschläge gerne mit auf die Liste. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Hannah B.
30.3.2022, 15:14:23
Die Thematik kam in der mündlichen Prüfung im 1. Examen Thüringen Frühjahr 2021 dran.
Vincent
5.2.2025, 13:07:00
Mir erschließt sich nicht ganz, warum der Vermögens
schadenhier verneint wird. Schließlich ist das Verkaufen gefälschter Markenprodukte grundsätzlich verboten. Ich könnte eine Begründung im der Richtung verstehen, dass angeführt wird, dass der O den Vertrag anfechten kann. Die Begründung, dass die Felgen jedoch "das
Geldwert sind" verstehe ich nicht. Denn die gefälschten Felgen haben eigentlich keinen wirtschaftlichen Wert, da er diese nicht problemlos weiterverkaufen darf.