Unechter Erfüllungsbetrug

11. Juli 2025

15 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A, der einen Felgenhandel betrieb, verkaufte gefälschte Markenfelgen zu einem geringen Preis. Dabei waren die Felgen objektiv das Geld wert. B, der davon ausging, dass es sich um Originalprodukte handle, kaufte einige Felgen, bemerkt den Schwindel jedoch bald.

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Einordnung des Falls

Unechter Erfüllungsbetrug

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Dem B ist bei Vertragsabschluss ein Vermögensschaden (§ 263 Abs. 1 StGB) entstanden.

Nein!

Ein Vermögensschaden ist ein negativer Saldo, welcher im Wege einer Gesamtbetrachtung aller Zu- und Abflüsse ermittelt wird. Das Vermögen bildet dabei alle Positionen, denen ein wirtschaftlicher Wert zukommt, sofern diese rechtlich nicht missbilligt ist. Beim Abschluss eines Vertrags ergibt ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. B verpflichtete sich zwar zur Übereignung und Übergabe von Markenfelgen, eine Eigenschaft, die den später tatsächlich übereigneten Felgen fehlte. Der Anspruch ist jedoch von gleichem Wert wie die von B eingegangene Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung. Ein negativer Saldo liegt daher nicht vor. Die bloße Aussicht auf ein gutes Geschäft wird durch den Betrugstatbestand nicht geschützt.
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2. Dem B ist bei der Erfüllung durch Lieferung der Felgen nach Ansicht der Rspr. ein Schaden entstanden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Zwar wird von einzelnen Stimmen im Schrifttum vertreten, dass ein Schaden dadurch eintrete, dass - wie von Anfang an geplant - die Erfüllung hinter der versprochenen Leistung zurückbleibe (unechter Erfüllungsbetrug). So wird angeführt, dass die Situation nicht anders beurteilt werden dürfe, als wenn A sich erst im Nachhinein dazu entschiede, mit minderwertigen Felgen zu erfüllen (echter Erfüllungsbetrug). In diesem Fall läge unstrittig auch dann ein Betrug vor, wenn die minderwertige Ware ihr Geld wert sei. Diese überzeugende, zivilrechtlich geprägte Ansicht wurde indes bislang nicht vom BGH übernommen. Der BGH ist der Auffassung, dass in der Konstellation des unechten Erfüllungsbetrugs der Schaden nicht als Wert der entgangenen Gegenleistung bestimmt werden kann, da insoweit eine Einheitsbetrachtung erfolgen müsse.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

lucylawless

lucylawless

30.1.2021, 13:01:01

Was genau ist denn der Unterschied zu der Aufgabe davor mit der Wollhose? In beiden Fällen ist der Käufer davon ausgegangen, das echte Produkt (Markenfelgen, Wollhose) zu bekommen, während er ein anderes Produkt bekam (markenlose Felgen und andere Hose aber beides den gezahlten Preis wert). Warum ist der erste Fall eine

Täuschung

und der zweite bloß ein schlechteres Geschäft?

VIC

Victor

4.2.2021, 16:58:42

Im ersten Fall zahlt der Käufer den Preis für das Originalprodukt und bekommt jedoch eine minderwertigere Hose zugeschickt, die im Wert hinter dem Kaufpreis zurückbleibt. Im zweiten Fall stellt sich der Käufer vor er würde Originalware erhalten. Er zahlt einen Kaufpreis der jedoch dem Wert der Ware entspricht die er erhält. Nach der

Gesamtsaldierung

hat er somit keinen

Schaden

.

Orfeas

Orfeas

17.2.2021, 15:08:50

@Victor stimmt nicht. Der Sachverhalt bzgl. der Wollhose ist dahingehend missverständlich formuliert. Es heißt aber die Hose sei den gezahlten Kaufpreis objektiv Wert. Der Unterschied ist hier nur, dass der Felgenhändler von Anfang an keine Originalfelgen versenden wollte. Während der Hosenhändler zunächst die Qualitativ höherwertige Wollhose zunächst noch senden wollte(Zeitpunkt der Eingehung) und sich erst später bei der Erfüllung umentscheidet(=

echter Erfüllungsbetrug

). Der Felgenhändler wollte von Anfang an mit gefälschter Ware erfüllen(=

unechter Erfüllungsbetrug

, weil

Täuschung

shandlung schon im Eingehungszeitpunkt vorgenommen wurde). Unschlüssig ist aber warum der BGH nur den Täter bestraft, der erst später entscheidet dem Opfer falsche Ware zu schicken.

Orfeas

Orfeas

17.2.2021, 15:10:47

Schließlich müsste doch dann der Täter, welcher schon von Anfang an vertragswidrig liefern will, erst Recht zu bestrafen sein 🤔

Isabell

Isabell

30.3.2021, 19:01:32

Ich glaube dann fehlt in den Antworten des Falles zuvor irgendwo ein "nicht".

Kind als Schaden

Kind als Schaden

17.2.2025, 21:15:55

@[Orfeas](116285) Die Idee des BGH (ich teile sie ausdrücklich nicht!) ist folgende: Im Felgen-Fall führt die

Täuschung

zumindest nicht direkt zu einem Vermögens

schaden

. Dass dann später doch noch ggf. ein

Schaden

annehmbar ist durch die Erfüllung entgegen des Vertrages (Zivilrechtlich kann man hier auch nochmal gesondert über

Erfüllungswirkung

usw. reden) ist dem BGH aber egal. Die Tathandlung der

Täuschung

endet praktisch nach der Feststellung, dass kein

Schaden

vorliegt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dass freilich auch später noch ein

Schaden

entstehen kann, sieht der BGH in diesem Fall nicht so -> Den

Schaden

, den man im Felgenfall mit der Lit. annehmen kann (Stichwort: Anspruch ist bereits Teil des Vermögens des Geschädigten geworden), den sieht der BGH nicht, da dieser "

Schaden

" dann nicht mehr auf einer

Täuschung

basiert, sondern unabhängig von der

Täuschung

im Eigehungsstadium eintritt. Im Wollhosen-Fall liegen die Dinge anders. Dort kann praktisch eine Verknüpfung zwischen der

Täuschung

und dem

Schaden

hergestellt werden, sodass, obwohl die Fälle fast identisch sind, hier eine Strafbarkeit bejaht wird. Ich halte die Lösung für sehr umstritten und denke, dass es nicht richtig ist, eine Unterscheidung des Betrugs in Erfüllung- und

Eingehungsbetrug

(echt/unecht) derart spitzfindig vorzunehmen, dass letztlich wenige Stunden zwischen dem

Täuschung

sentschluss einen derart gravierenden Unterschied in der rechtlichen Bewertung eines Sachverhalts machen, der seinem Wortlaut nach gänzlich keine eine derart diffizile Unterscheidung der Begehungsvarianten kennt.

Simon

Simon

6.6.2025, 16:40:26

Ich würde mich tatsächlich - entgegen der h.M. in den Forumskommentaren ;) - der Ansicht des BGH anschließen. (1) Wichtig ist, denke ich, zwischen Zivil- und Strafrecht zu unterscheiden. Nicht jede Vertragsverletzung soll strafrechtlich sanktioniert werden (Stichwort: ultima ratio und Fragmentarität). Zivilrechtlich hat O natürlich nach §§ 437 Nr. 3 Alt. 1, 280 I, III, 281,

475d

I Nr. 3, II 1 BGB einen Anspruch auf

Schaden

sersatz hinsichtlich seines positiven

Erfüllungsinteresse

s. Dies resultiert daraus, dass O einen Anspruch auf Übergabe und

Übereignung

der Felgen aus § 433 I 1 BGB hatte, den T nicht erfüllt hat. (2) (a) Den

Schaden

, der aus der Nichterfüllung dieses Anspruchs resultiert, könnte man also zum Anlass nehmen, auch einen Vermögens

schaden

i.S.d. § 263 I StGB zu bejahen. Allerdings sollte man beachten, dass der

Vermögensbegriff

im Strafrecht unstrittig von einem wirtschaftlichen Verständnis ausgeht (das von der h.M. über den juristisch-ökonomischen

Vermögensbegriff

dann korrigiert wird), sodass sich Zivil- und Strafrecht hier nicht völlig decken. So wäre z.B. ein Anspruch gegen eine vermögenslose Person wirtschaftlich wertlos, sodass dieser kein Vermögen i.S.d. strafrechtlichen Verständnisses darstellen würde. (b) Nun kann man mit Recht anmerken, dass dies mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar ist, da T nicht vermögenslos ist und der Anspruch gegen ihn damit grundsätzlich werthaltig war. Der von Anfang an bestehende Vorbehalt, geringwertigere Felgen zu liefern könnte danach ebenfalls nicht beachtlich sein, da dies nichts daran ändert, dass O auf diesen Anspruch (berechtigterweise) vertraut und mit ihm schon geplant hat, sodass er seinem Vermögen zuzurechnen war. Zudem könnte er ihn notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. (3) (a) Der entscheidende Unterschied liegt m.E. aber in der Tathandlung. Beim echten

Erfüllungsbetrug

täuscht der Täter erst nach Vertragsschluss, sodass das Opfer seinen Anspruch nicht voll geltend macht, sondern sich mit dem geringwertigeren Erfüllungsgegenstand zufrieden gibt. Daher liegt in der nicht vollständigen Erfüllung des Anspruchs ein Vermögens

schaden

. Beim unechten

Erfüllungsbetrug

hingegen täuscht der Täter schon beim Vertragsschluss. Zwar kann man den dadurch entstandenen Anspruch durchaus zum Vermögen des Opfers zählen [s.o. unter (2)(b)]. Allerdings erlangt das Opfer diesen Anspruch durch dieselbe Tathandlung, mit dem es ihn auch wieder verliert: Bei Zusammentreffen von Eingehungs- und

Erfüllungsbetrug

liegt nach ganz h.M. nämlich nur eine Betrugstat vor, d.h.

Täuschung

bei Vertragsschluss und

Täuschung

bei Vertragserfüllung werden zu einer Tat bzw. einer (lediglich fortwirkenden)

Täuschung

zusammengefasst. Damit verliert O hier durch die Tathandlung des T nur einen Anspruch, der ihm infolge der Tathandlung überhaupt erst entstanden ist. Im Endeffekt stellt sich seine Vermögenslage ohne den Betrug daher genauso dar, wie mit dem Betrug. (b) Angenommen, die Originalfelgen wären 2.000€ wert, die gefälschten nur 500€, wobei der Kaufpreis ebenfalls 500€ beträgt. Das Vermögen des O beläuft sich auf 100.000€. Vor der einheitlichen Betrugstat (bestehend aus

Täuschung

bei Vertragsschluss und

Täuschung

bei Erfüllung) hatte O im Ausgangsfall also 100.000€ Vermögen. Nach der Tat flossen zwar 500€ aus seinem Vermögen ab, allerdings kamen auch Felgen im Wert von 500€ hinzu. Damit liegt kein

Schaden

vor; der ausgebliebene Gewinn ist irrelevant. Beim echten

Erfüllungsbetrug

hingegen wäre Os Vermögen schon vor der Betrugstat (

Täuschung

bei Erfüllung) durch den Vertragsschluss um 1.500€ gemehrt gewesen (+2.000€ Felgen - 500€ Kaufpreis), sodass es sich auf 101.500€ belief. Nach der Tat beträgt sein Vermögen aber nur 100.000€, da er zwar Felgen im Wert von 500€ erhielt, allerdings auch 500€ zahlte und die Verwirklichung seines Geschäftsgewinns i.H.v. 1.500€ ausblieb. M.a.W.: (1)

Echter Erfüllungsbetrug

: Vermögen=100.000€ + 1.500€ Gewinnexspektanz -> Betrug (

Täuschung

bei Erfüllung) -> Vermögen=100.000€; (2)

Unechter Erfüllungsbetrug

: Vermögen=100.000€ -> Betrug (

Täuschung

bei Vertragsschluss und Erfüllung) -> Vermögen=100.000€. (4) Dieser Ansatz bestätigt sich auch mit einem Blick auf die zivilrechtliche Lage: Dort wäre ein

Schaden

sersatz aus §§ 280 I, 241 II, 311 II Nr. 1 BGB (c.i.c.) wegen der

Täuschung

bei Vertragsschluss nur auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet, d.h. der

Schaden

bestünde im Vertragsschluss selbst. Der

Schaden

sersatz wegen des positiven Interesses [s.o. unter (1)] gründet sich nicht auf die

Täuschung

, sondern resultiert schlichtweg aus der Nichterfüllung des Anspruchs aus § 433 I 1 BGB. Strafrechtlicher Anknüpfungspunkt ist aber nicht die Nichterfüllung, sondern die

Täuschung

. (5) (a) Das Argument, dass derjenige, der schon bei Vertragsschluss täusche besser stehe als der, der nur bei Erfüllung täusche, verfängt m.E. nicht, da es einen vergleichbaren Unrechtsgehalt beider

Täuschung

en impliziert, der schlichtweg nicht existiert: Einmal (beim echten

Erfüllungsbetrug

) wird das Opfer um eine feste Gewinnexspektanz gebracht, die schon vor der

Täuschung

bestand, ein anderes mal (beim unechten

Erfüllungsbetrug

) wird lediglich eine vage Gewinnaussicht, die durch die

Täuschung

selbst begründet wurde, enttäuscht. (b) Würde man das anders sehen, so würde man letztlich die Dispositionsbefugnis des Opfers schützen, da bei jeder

Täuschung

über wertbildende Faktoren i.R.d. Vertragsschlusses ein

Erfüllungsbetrug

bejaht werden müsste, obwohl die gekaufte Ware objektiv "ihr Geld wert ist". Das ist nicht Sinn und Zweck des § 263 StGB.

BECCA

Becca_la

13.6.2025, 14:48:50

@[Simon](131793) richtig gute Ausführungen 👍🏻 Mega!

CLAUD

Claudia

25.10.2021, 14:16:28

Bitte noch weitere Fälle zu: - Abgrenzung

Sachbetrug

<>

Trickdiebstahl

-

Dreiecksbetrug

<>

Diebstahl in mittelbarer Täterschaft

- und gerne noch

Provisionsvertreter

fälle Das wäre toll 🤗🤗🤗

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.10.2021, 17:43:06

Lieben Dank, Claudia. Wir sind stetig dabei unsere Rechtsgebiete noch zu erweitern und nehmen Deine Vorschläge gerne mit auf die Liste. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Hannah B.

Hannah B.

30.3.2022, 15:14:23

Die Thematik kam in der mündlichen Prüfung im 1. Examen Thüringen Frühjahr 2021 dran.

Vincent

Vincent

5.2.2025, 13:07:00

Mir erschließt sich nicht ganz, warum der Vermögens

schaden

hier verneint wird. Schließlich ist das Verkaufen gefälschter Markenprodukte grundsätzlich verboten. Ich könnte eine Begründung im der Richtung verstehen, dass angeführt wird, dass der O den Vertrag anfechten kann. Die Begründung, dass die Felgen jedoch "das Geld wert sind" verstehe ich nicht. Denn die gefälschten Felgen haben eigentlich keinen wirtschaftlichen Wert, da er diese nicht problemlos weiterverkaufen darf.

Sarah

Sarah

5.6.2025, 15:58:20

Das würde mich auch interessieren ☺️

Absenderhorizont

Absenderhorizont

18.6.2025, 14:48:40

ich finde es auch sehr widersprüchlich formuliert, dass gefälschte Felgen objektiv ihr Geld wert sein können. Vielleicht handelt es sich um „hochwertigere“ gefälschte Felgen, die lediglich suggerieren sollen, dass sie von einem bestimmten, bekannten Hersteller stammen, ohne dabei qualitativ minderwertig sein zu müssen?

Noah 1248549102178439372

Noah 1248549102178439372

8.6.2025, 19:47:57

Wäre schön, wenn die Thematik etwas umfassender und nachvollziehbar dargestellt wäre.


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