Unechter Erfüllungsbetrug

2. April 2025

10 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A, der einen Felgenhandel betrieb, verkaufte gefälschte Markenfelgen zu einem geringen Preis. Dabei waren die Felgen objektiv das Geld wert. B, der davon ausging, dass es sich um Originalprodukte handle, kaufte einige Felgen, bemerkt den Schwindel jedoch bald.

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Einordnung des Falls

Unechter Erfüllungsbetrug

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Dem B ist bei Vertragsabschluss ein Vermögensschaden (§ 263 Abs. 1 StGB) entstanden.

Nein!

Ein Vermögensschaden ist ein negatives Saldo, welches im Wege einer Gesamtbetrachtung aller Zu- und Abflüsse ermittelt wird. Das Vermögen bilden dabei alle Positionen, denen ein wirtschaftlicher Wert zukommt, sofern diese rechtlich nicht missbilligt ist. Beim Abschluss eines Vertrages, ergibt ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Zu vergleichen sind demnach die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen. B verpflichtete sich zwar zur Übereignung und Übergabe von Markenfelgen, eine Eigenschaft die den später tatsächlich übereigneten Felgen fehlte. Der Anspruch ist jedoch von gleichem Wert wie die von B eingegangene Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung. Ein negatives Saldo liegt daher nicht vor. Die bloße Aussicht auf ein gutes Geschäft wird durch den Betrugstatbestand nicht geschützt.
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2. Dem B ist bei der Erfüllung durch Lieferung der Felgen nach Ansicht der Rspr. ein Schaden entstanden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Zwar wird von einzelnen Stimmen im Schrifftum vertreten, dass ein Schaden dadurch eintrete, dass - wie von Anfang an geplant - die Erfüllung hinter der versprochenen Leistung zurückbleibe (unechter Erfüllungsbetrug). So wird angeführt, dass die Situation nicht anders beurteilt werden dürfe, als wenn A sich erst im Nachhinein dazu entschiede, mit minderwertigen Felgen zu erfüllen (echter Erfüllungsbetrug ). In diesem Fall läge unstrittig auch dann ein Betrug vor, wenn die minderwertige Ware ihr Geld Wert sei. Diese überzeugende, zivilrechtlich geprägte Ansicht wurde indes bislang nicht vom BGH übernommen. Der BGH ist der Auffassung, dass in der Konstellation des unechten Erfüllungsbetrugs der Schaden nicht als Wert der entgangenen Gegenleistung bestimmt werden kann, da insoweit eine Einheitsbetrachtung erfolgen müsse.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

lucylawless

lucylawless

30.1.2021, 13:01:01

Was genau ist denn der Unterschied zu der Aufgabe davor mit der Wollhose? In beiden Fällen ist der Käufer davon ausgegangen, das echte Produkt (Markenfelgen, Wollhose) zu bekommen, während er ein anderes Produkt bekam (markenlose Felgen und andere Hose aber beides den gezahlten Preis wert). Warum ist der erste Fall eine Täuschung und der zweite bloß ein schlechteres Geschäft?

VIC

Victor

4.2.2021, 16:58:42

Im ersten Fall zahlt der Käufer den Preis für das Originalprodukt und bekommt jedoch eine minderwertigere Hose zugeschickt, die im Wert hinter dem Kaufpreis zurückbleibt. Im zweiten Fall stellt sich der Käufer vor er würde Originalware erhalten. Er zahlt einen Kaufpreis der jedoch dem Wert der Ware entspricht die er erhält. Nach der

Gesamtsaldierung

hat er somit keinen

Schaden

.

Orfeas

Orfeas

17.2.2021, 15:08:50

@Victor stimmt nicht. Der Sachverhalt bzgl. der Wollhose ist dahingehend missverständlich formuliert. Es heißt aber die Hose sei den gezahlten Kaufpreis objektiv Wert. Der Unterschied ist hier nur, dass der Felgenhändler von Anfang an keine Originalfelgen versenden wollte. Während der Hosenhändler zunächst die Qualitativ höherwertige Wollhose zunächst noch senden wollte(Zeitpunkt der Eingehung) und sich erst später bei der Erfüllung umentscheidet(=

echter Erfüllungsbetrug

). Der Felgenhändler wollte von Anfang an mit gefälschter Ware erfüllen(=

unechter Erfüllungsbetrug

, weil Täuschungshandlung schon im Eingehungszeitpunkt vorgenommen wurde). Unschlüssig ist aber warum der BGH nur den Täter bestraft, der erst später entscheidet dem Opfer falsche Ware zu schicken.

Orfeas

Orfeas

17.2.2021, 15:10:47

Schließlich müsste doch dann der Täter, welcher schon von Anfang an vertragswidrig liefern will, erst Recht zu bestrafen sein 🤔

Isabell

Isabell

30.3.2021, 19:01:32

Ich glaube dann fehlt in den Antworten des Falles zuvor irgendwo ein "nicht".

Kind als Schaden

Kind als Schaden

17.2.2025, 21:15:55

@[Orfeas](116285) Die Idee des BGH (ich teile sie ausdrücklich nicht!) ist folgende: Im Felgen-Fall führt die Täuschung zumindest nicht direkt zu einem Vermögens

schaden

. Dass dann später doch noch ggf. ein

Schaden

annehmbar ist durch die Erfüllung entgegen des Vertrages (Zivilrechtlich kann man hier auch nochmal gesondert über Erfüllungswirkung usw. reden) ist dem BGH aber egal. Die Tathandlung der Täuschung endet praktisch nach der Feststellung, dass kein

Schaden

vorliegt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dass freilich auch später noch ein

Schaden

entstehen kann, sieht der BGH in diesem Fall nicht so -> Den

Schaden

, den man im Felgenfall mit der Lit. annehmen kann (Stichwort: Anspruch ist bereits Teil des Vermögens des Geschädigten geworden), den sieht der BGH nicht, da dieser "

Schaden

" dann nicht mehr auf einer Täuschung basiert, sondern unabhängig von der Täuschung im Eigehungsstadium eintritt. Im Wollhosen-Fall liegen die Dinge anders. Dort kann praktisch eine Verknüpfung zwischen der Täuschung und dem

Schaden

hergestellt werden, sodass, obwohl die Fälle fast identisch sind, hier eine Strafbarkeit bejaht wird. Ich halte die Lösung für sehr umstritten und denke, dass es nicht richtig ist, eine Unterscheidung des Betrugs in Erfüllung- und

Eingehungsbetrug

(echt/unecht) derart spitzfindig vorzunehmen, dass letztlich wenige Stunden zwischen dem Täuschungsentschluss einen derart gravierenden Unterschied in der rechtlichen Bewertung eines Sachverhalts machen, der seinem Wortlaut nach gänzlich keine eine derart diffizile Unterscheidung der Begehungsvarianten kennt.

CLAUD

Claudia

25.10.2021, 14:16:28

Bitte noch weitere Fälle zu: - Abgrenzung

Sachbetrug

<> Trickdiebstahl -

Dreiecksbetrug

<>

Diebstahl in mittelbarer Täterschaft

- und gerne noch

Provisionsvertreter

fälle Das wäre toll 🤗🤗🤗

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.10.2021, 17:43:06

Lieben Dank, Claudia. Wir sind stetig dabei unsere Rechtsgebiete noch zu erweitern und nehmen Deine Vorschläge gerne mit auf die Liste. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Hannah B.

Hannah B.

30.3.2022, 15:14:23

Die Thematik kam in der mündlichen Prüfung im 1. Examen Thüringen Frühjahr 2021 dran.

Vincent

Vincent

5.2.2025, 13:07:00

Mir erschließt sich nicht ganz, warum der Vermögens

schaden

hier verneint wird. Schließlich ist das Verkaufen gefälschter Markenprodukte grundsätzlich verboten. Ich könnte eine Begründung im der Richtung verstehen, dass angeführt wird, dass der O den Vertrag anfechten kann. Die Begründung, dass die Felgen jedoch "das

Geld

wert sind" verstehe ich nicht. Denn die gefälschten Felgen haben eigentlich keinen wirtschaftlichen Wert, da er diese nicht problemlos weiterverkaufen darf.


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