Objektiver Tatbestand

22. November 2024

4,8(17.616 mal geöffnet in Jurafuchs)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T dringt in O's Wohnung ein und packt in diebischer Absicht Schmuck der O in ihre Jackentaschen. Als O die Wohnung betritt und sie sieht, nimmt T sich einen Schuhlöffel der O und schlägt der O damit mehrmals ins Gesicht und auf den Kopf. Dann flieht T mit der Beute.

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Einordnung des Falls

Objektiver Tatbestand

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen (§ 252 StGB).

Ja, in der Tat!

Räuberischer Diebstahl ist ein selbständiges, raubähnliches Sonderdelikt, das wie der Raub das Eigentum und die Freiheit der Willensbetätigung schützt. Wer mittels Gewalt/Drohungen auf frischer Tat noch ungesicherten Gewahrsam sichern möchte, ist genau so gefährlich und strafwürdig wie ein Räuber, der Gewalt/Drohungen zur Erlangung des Gewahrsams einsetzt. § 252 StGB greift in einem bestimmten zeitlichen Stadium ein, nämlich wenn das Nötigungsmittel nach Vollendung, aber vor Beendigung des Diebstahls (§ 242 StGB) eingesetzt wird.
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2. Der objektive Tatbestand des § 252 StGB setzt zunächst eine Vortat voraus.

Ja!

Der objektive Tatbestand des § 252 StGB setzt als Vortat einen vollendeten Diebstahl (§ 242 StGB) voraus. Dies erfasst nach h.M. jede Form der Wegnahme (in Selbst- oder Drittzueignungsabsicht), d.h. auch einen Raub (§ 249 StGB) und die privilegierten Fälle der §§ 247, 248a StGB. Tauglicher Täter ist, wer Täter des Diebstahls (zumindest Mittäter war). Da § 252 StGB bereits gesicherten Gewahrsam voraussetzt, muss die Vortat vollendet sein (Gewalt und Drohungen vor Vollendung der Wegnahme führen zu § 249 StGB).

3. T hat einen vollendeten Diebstahl begangen. Eine Vortat liegt vor.

Genau, so ist das!

Der Schmuck ist eine für T fremde bewegliche Sache. Indem T den Schmuck in ihre Jackentaschen verstaut hat, hat sie fremden Gewahrsam aufgehoben und neuen Gewahrsam gegen den Willen der O begründet (Stichwort: Gewahrsamsenklave). Somit hat T den Schmuck weggenommen. T hatte auch Vorsatz und Zueignungsabsicht. Der Diebstahl ist mit Erlangung neuen Gewahrsams vollendet (so etwa beim Einstecken kleiner Gegenstände in fremder Gewahrsamssphäre). Beendigung liegt erst vor, wenn das Delikt in tatsächlicher Hinsicht zum Abschluss kommt, d. h. wenn der Täter gesicherten Gewahrsam erlangt hat (z. B. wenn er sich mit der Beute vom Tatort entfernt hat).

4. T ist „auf frischer Tat betroffen“ (§ 252 StGB).

Ja, in der Tat!

Auf frischer Tat betroffen ist der Täter, wenn er in Tatortnähe und spätestens alsbald nach Tatausführung wahrgenommen wird und sich noch im Besitz der Beute befindet. Betroffen ist der Täter, wenn er wahrgenommen wird (Betroffen-Werden durch einen anderen). Nach der BGH-Rspr. ist der Täter auch dann betroffen, wenn er, weil er sich für „betroffen“ hält, einem nach seiner Ansicht unmittelbar bevorstehenden Bemerktwerden durch Anwendung der Raubmittel zuvorkommen will (subjektives Betroffen-Sein).

5. Indem T die O mit dem Schuhlöffel traktiert hat, hat sie „gegen eine Person Gewalt verübt“ (§ 252 StGB).

Ja!

In den Nötigungsmitteln stimmen § 252 StGB und § 249 StGB überein. Der Täter muss nach Vollendung des Diebstahls Gewalt gegen eine Person verüben oder mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben drohen. Als Adressaten der Gewalt/Drohung kommen alle Personen in Betracht, die zumindest nach der Tätervorstellung bereit sind, ihm das Diebesgut wieder zu entziehen. In Betracht kommen daher u.U. auch Ahnungslose und Unbeteiligte. Gewalt iSd § 240 StGB ist jede körperliche Tätigkeit, durch die körperlich wirkender Zwang ausgeübt wird, um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. Gewalt gegen eine Person bedeutet, dass die Gewaltanwendung unmittelbar oder mittelbar auf den Körper des Opfers bezogen sein muss. T hat nach vollendeter Wegnahme die O mit dem Schuhlöffel auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen und so körperlich wirkenden Zwang ausgeübt, um erwarteten Widerstand zu überwinden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Lord Denning

Lord Denning

9.9.2024, 15:04:43

Könnte man auch einen objektiven Betroffenheitsbegriff verwenden, aber im Falle, dass der Täter sich als betroffen sieht, einen untauglichen Versuch von § 252 annehmen? Diese Lösung, sofern sinnvoll und kohärent, erschiene mir als etwas wortlautfreundlicher :) Wie seht Ihr das?


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