+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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In einem Nachtzug bestiehlt T schlafende Reisende. Die Beute lagert er in einem anderen Abteil zwischen und bewacht sie dort. Stunden später wird Z auf Ts Verhalten aufmerksam und stellt ihn im Abteil. Indem T den Z mit einem Messer bedroht, gelingt es ihm samt Diebesbeute aus dem Zug zu entkommen.

Einordnung des Falls

betroffen sein auf frischer Tat: Schlafwagen-Fall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen (§ 252 StGB).

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Genau, so ist das!

Räuberischer Diebstahl ist ein selbständiges, raubähnliches Sonderdelikt, das wie der Raub das Eigentum und die Freiheit der Willensbetätigung schützt. Wer mittels Gewalt/Drohungen auf frischer Tat noch ungesicherten Gewahrsam sichern möchte, ist genau so gefährlich und strafwürdig wie ein Räuber, der Gewalt/Drohungen zur Erlangung des Gewahrsams einsetzt. § 252 StGB greift in einem bestimmten zeitlichen Stadium ein, nämlich wenn das Nötigungsmittel nach Vollendung, aber vor Beendigung des Diebstahls (§ 242 StGB) eingesetzt wird.

2. Auf „frischer Tat betroffen“ ist nach h.M. auch, wer nicht vom Opfer, sondern von einem Dritten gestellt wird.

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Ja, in der Tat!

Nach der engsten vertretenen Ansicht liegt ein Betreffen nur vor, wenn das Opfer den Täter als Dieb wahrnimmt. Nach überwiegender Ansicht muss es sich bei dem anderen aber nicht um das Opfer des Diebstahls selbst handeln, vielmehr reicht ein Zusammentreffen mit einem beliebigen Dritten aus. Die herrschende Meinung verlangt zudem nicht notwendiger Weise eine tatsächliche Kenntnis davon, dass es sich bei der wahrgenommenen Person um den Dieb handelt. Es bedarf also seitens des Wahrnehmenden keines Verdachtsmoments des Diebstahls, es genügt vielmehr, dass der Täter lediglich als Individuum wahrgenommen wird.

3. T ist „auf frischer Tat betroffen“ (§ 252 StGB).

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Nein!

Auf frischer Tat betroffen ist der Täter, wenn er in Tatortnähe und spätestens alsbald nach Tatausführung wahrgenommen wird und sich noch im Besitz der Beute befindet. Voraussetzung ist ein enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang zwischen der Wegnahme der Beute und dem Einsatz des Raubmittels zur Beutesicherung. Dieser Zusammenhang fehlt, wenn der Dieb seine Beute zwischenlagert und erst später, nach der Entdeckung durch einen Dritten, unter Einsatz des Raubmittels wieder an sich nimmt. T war somit nicht auf frischer Tat betroffen und hat sich nicht gemäß § 252 StGB strafbar gemacht.

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GEAS

Geasoph

13.12.2021, 12:11:52

Ist es dann ein versuchter räuberischer Diebstahl?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.12.2021, 18:04:03

Hallo Geasoph, ein versuchter räuberischer Diebstahl würde in diesem Fall nicht vorliegen. Vielmehr hätte man dann zunächst einfach 2 in Tatmehrheit zueinander stehende Taten, nämlich zunächst einen Diebstahl (mit Waffen) und später dann eine Nötigung. Der BGH hat aber darauf hingewiesen, dass der Waffeneinsatz - je nach Umständen des Einzelfalles - zusätzlich auch noch eine schwere räuberische Erpressung mit Blick auf das Nichtbezahlen des Fahrpreises in Betracht kommt. Denn eine solche liege regelmäßig vor, wenn "ein dem Transportunternehmer unbekannter Fahrgast gewaltsam seine Flucht erzwingt und so verhindert, dass der gegen ihn bestehende Fahpreisanspruch durchgesetzt werden kann. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

I-m-possible

I-m-possible

29.7.2022, 18:53:06

Hier heißt es, dass der Täter durch den Einsatz des Nötigungsmittels die Sache wieder an sich nimmt. Laut Sachverhalt hat der Täter sie aber nie verloren. M.E nach reicht ja auch Beuteerhaltungsabsicht.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

4.8.2022, 12:46:43

Hallo I-m-possible, T lagert laut Sachverhalt die Beute in einem anderen Abteil zwischen. Auch wenn dadurch kein Gewahrsamsverlust eintritt, führt das Zwischenlagern der Beute zu einer Unterbrechung, die den direkten Zusammenhang mit dem Diebstahl ausschließt schon aufgrund des zeitlichen Verzugs. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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