Vorrangiges Sekundärrecht

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G ist Automobil-Händler in Köln und importiert Fahrzeuge aus Frankreich. Deutsche Behörden untersagen G die Einfuhr, weil die Fahrzeuge erforderliche Umweltstandards nicht einhalten. Das Einfuhrverbot bei mangelnden Umweltstandards beruht auf einer vollharmonisierenden Verordnung.

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Einordnung des Falls

Vorrangiges Sekundärrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der sachliche und räumliche Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit ist eröffnet.

Genau, so ist das!

Autos sind bewegliche, körperlichen Güter, die einen Geldwert haben und somit Waren im Sinne der Warenverkehrsfreiheit. Ferner geht es um die Einfuhr von Autos von Frankreich nach Deutschland, sodass auch ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben ist.
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2. Die Warenverkehrsfreiheit ist auch dann anwendbar, wenn der Sachverhalt durch Sekundärrecht vollharmonisierend geregelt wird.

Nein, das trifft nicht zu!

Wenn der Sachverhalt abschließend durch unionsrechtliches Sekundärrecht auf Grundlage von Art. 114 AEUV geregelt wird, dann ist das Sekundärrecht gegenüber der Warenverkehrsfreiheit als Primärrecht vorrangiger Prüfungsmaßstab. Die Warenverkehrsfreiheit ist dann als subsidiär nicht anwendbar. Der Sachverhalt wird vielmehr über die Anwendung der Richtlinie oder Verordnung gelöst. Die Warenverkehrsfreiheit kann jedoch als Auslegungshilfe herangezogen werden. Im Bearbeitervermerk findet sich in der Regel ein Hinweis darauf, dass kein abschließendes, vorrangiges Sekundärrecht vorliegt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Whale

Whale

6.6.2024, 09:06:33

Kann eine Verordnung auch nicht vollharmonisierend wirken, also nicht abschließend sein? Ich dachte Verordnungen wirken unmittelbar in den Mitgliedstaaten und damit kann an ihnen nichts durch die Mitgliedstaaten verändert werden, oder?

Whale

Whale

28.6.2024, 11:56:15

Ich habe die Antwort selbst ausfindig machen können: Im Allgemeinen sind Verordnungen als Instrument der Vollharmonisierung konzipiert, um einheitliche Rechtsvorschriften in der gesamten EU zu gewährleisten. Es gibt jedoch Fälle, in denen Verordnungen spezifische Regelungen treffen und gleichzeitig nationale Regelungen in nicht betroffenen Bereichen zulassen. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Verordnung als "nicht vollharmonisierend" im traditionellen Sinne betrachtet wird. Diese Fälle finden sich zum einen wieder in Mindeststandards, die den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, strengere Vorschriften zu erlassen, solange diese nicht im Widerspruch zur Verordnung stehen und zum anderen in Verordnungen, die bewusst bestimmte Bereiche ausklammern, die weiterhin national geregelt werden können.

Whale

Whale

7.6.2024, 13:14:23

Dem Wortlaut des Art. 114 AEUV kann ich nicht entnehmen, warum nun genau Sekundärrecht vor Primärrecht gilt. Ist das auf den Grundsatz lex specialis derogat legi generali zurückzuführen?


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