„Schwarzfahren“ bei Fehlvorstellung des Bordpersonals


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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A steigt in Berlin in einen Zug der Deutschen Bahn ein, ohne eine gültige Fahrkarte gekauft zu haben. Das Bordpersonal geht mit der Vorstellung durch den Zug, dass alle Passagiere eine gültige Fahrkarte besitzen. A sitzt seelenruhig auf seinem Platz und liest Zeitung.

Einordnung des Falls

„Schwarzfahren“ bei Fehlvorstellung des Bordpersonals

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat das Bordpersonal konkludent darüber "getäuscht" (§ 263 Abs. 1 StGB), dass er eine Fahrkarte hat.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Täuschungshandlung ist die ausdrückliche oder konkludente intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mit dem Ziel bewusster Irreführung. Eine konkludente Täuschung liegt in einem irreführenden Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist, der ein gewisser Erklärungswert beizumessen ist. Das Merkmal der Täuschung setzt als Grundvoraussetzung eine kommunikative Beziehung zwischen dem Täter und dem zu täuschenden Opfer voraus.Daran fehlt es aber vorliegend, weshalb die Fehlvorstellung des Bordpersonals, dass alle Passagiere eine gültige Fahrkarte haben, nicht durch eine Täuschung des A hervorgerufen wurde. Vielmehr nutzt A einen bestehenden Irrtum des Bordpersonals ohne täuschendes Zutun aus.

2. A hat das Bordpersonal durch ein strafbares Unterlassen "getäuscht" (§§ 263 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).

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Nein, das trifft nicht zu!

Liegt damit keine aktive konkludente Täuschungshandlung vor, könnte A das Bordpersonal durch ein Unterlassen getäuscht haben.§ 263 StGB kann nicht nur durch aktives Tun, sondern auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Um mittels eines Unterlassens zu täuschen, hätte A eine strafbewehrte Aufklärungspflicht aus einer Garantenstellung treffen müssen (vgl. § 13 StGB). Jedoch kann eine Garantenstellung des A weder aus Gesetz, Ingerenz noch aus besonderen Vertrauensverhältnis oder aus Treu und Glauben abgeleitet werden. (Weiterführender Hinweis: Im Anschluss ist die Strafbarkeit des Erschleichens einer Beförderungsleistung gem. § 265a StGB zu prüfen: s. hier)

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