„Schwarzfahren“ bei Fehlvorstellung des Bordpersonals
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A steigt in Berlin in einen Zug der Deutschen Bahn ein, ohne eine gültige Fahrkarte gekauft zu haben. Das Bordpersonal geht mit der Vorstellung durch den Zug, dass alle Passagiere eine gültige Fahrkarte besitzen. A sitzt seelenruhig auf seinem Platz und liest Zeitung.
Einordnung des Falls
„Schwarzfahren“ bei Fehlvorstellung des Bordpersonals
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat das Bordpersonal konkludent darüber "getäuscht" (§ 263 Abs. 1 StGB), dass er eine Fahrkarte hat.
Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.
Nein, das ist nicht der Fall!
2. A hat das Bordpersonal durch ein strafbares Unterlassen "getäuscht" (§§ 263 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
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Gregor1234
14.12.2020, 11:26:28
In der Frage wurde danach gefragt, ob eine Täuschung durch Unterlassen vorliegt und nicht, ob diese hier (wegen einer möglichen Garantenstellung) strafbar ist.

Lukas_Mengestu
16.11.2021, 18:41:20
Danke Gregor, wir haben die Frage insoweit konkretisiert, dass es um ein "strafbares" Unterlassen gehen muss. Dies setzt voraus, dass eine entsprechende Handlungspflicht, also eine Garantenstellung besteht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

I-m-possible
30.7.2022, 18:58:41
Ich meine aber eine Entscheidung gelesen zu haben, wonach aber in einem solchen Fall eine konkludente Täuschung möglich ist - mit dem Zusatz, dass der Schaffner nach Neu - Zugestiegenen fragt- und der Täter „sich mit dem Anschein umgibt dass alles seine Richtigkeit“ hat.

Lukas_Mengestu
1.8.2022, 14:37:01
Hallo I-m-possible, sehr guter Hinweis. Fragt der Schaffner gezielt nach, so liegt in dem Schweigen auf die Frage eine konkludente Täuschung. Schau Dir hierzu gerne den folgenden Fall an: https://applink.jurafuchs.de/xNPAsJoC8rb. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

I-m-possible
3.8.2022, 07:12:15
Vielen Dank, der Fall kam im Anschluss. Top!
StellaChiara
24.1.2023, 19:06:58
Hallo :) kurze Frage, würde den Fahrgast hier nicht eine Garantenpflicht aus Ingerenz treffen? Immerhin hat er doch pflichtwidrig kein Ticket gekauft, oder?

Lukas_Mengestu
24.1.2023, 19:48:08
Hallo StellaChiara, allein die vertragliche Pflicht ein Ticket zu kaufen, genügt noch nicht, um eine Garantenstellung aus Ingerenz zu begründen (vgl. MüKoStGB/Hefendehl, 4. Aufl. 2022, StGB § 263 RdNr. 350). Einen strafbaren Betrug kann insoweit allenfalls derjenige begehen, der auf die explizite Nachfrage, ob jemand zugestiegen ist, schweigt und damit ggfs. konkludent "nein" sagt (MüKoStGB/Hefendehl, 4. Aufl. 2022, StGB § 263 Rn. 351). Beste Grüße, Lukas -für das Jurafuchs-Team
StellaChiara
29.1.2023, 14:14:56
ok, und in Deinem genannten Fall würde sich dann die Garantenstellung aus Ingerenz begründen? Vielen Dank!