Hallo Sinemm,
vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat ist das Thema „
sachgedankliches Mitbewusstsein“ ein kompliziertes, weshalb man sehr wohl meinen kann, dass auch hier mit dem Kontrollgang ein solches Vorläge (da der Kontrolleur schließlich denkt: „Ist alles in Ordnung“). Beachte allerdings, dass das sachgedankliche Mitbewusstsein ein sog. Mindestmaß an Kommunikation erfordert; ein bloßes NICHTWISSEN (sog. ignorantia facti) reicht nicht. D.h., wenn beim Supermarkt etwa ich an der Kasse vorbeigehe und dabei 5 Artikel bezahle und 1 Artikel verstecke, kommuniziere ich (konkludent), dass diese 5 Artikel „alle“ Artikel sind und ich nichts versteckt habe. In diesem Fall ist es aber so, dass der Kontrolleur sich BLOß DENKT, dass alle Passagiere eine Fahrkarte besitzen. Das bedeutet, dass er im Umkehrschluss schlichtweg nicht weiß (ignorantia facti), dass A keine Fahrkarte hat. Und anders als beim Supermarktbeispiel tut der A auch nichts, was konkludent kundtut, dass er eine Fahrkarte besitzt (ich weiß, etwas inkonsequent in Anbetracht der Tatsache, dass das Einsteigen als konkludente Erklärung gedeutet werden könnte; jedoch sind hier Lit. und Rspr. einhelliger Meinung). Wichtig ist also, dass in irgendeiner Weise eine Kommunikation erfolgt. In dem Schaffnerbeispiel wäre es dann wie folgt: Der Schaffner geht durch den Zug und FRAGT LAUT, ob alle eine Fahrkarte besitzen würden. Wenn jetzt unser A still bleibt und nichts macht, OBWOHL gefragt wurde, erklärt er durch seine Stille KONKLUDENT, er habe eine Fahrkarte. Summa summarum: Gab es zuvor ein Mindestmaß an Kommunikation (Supermarkt: Artikel aufs Band legen – konkludent Erklärung, dass man nichts versteckt hat/Zug: Kontrolleur fragt laut und geht dann durch den Zug)? Wenn ja, dann wird konkludent getäuscht. Wenn nicht, dann nicht :). Hierzu kann i.Ü. die Lektüre von Mü-Ko-StGB 4. Auflage, Hefendehl § 263 Rn. 336 ff. sehr empfehlen :) Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Mir fällt dazu noch ein BGH-Fall ein, bei welchem es als
sachgedankliches Mitbewusstsein genügen soll, dass der Verkäufer eines Wettscheins denkt, dass in den entsprechenden Wettbewerb keine Täuschung stattfindet. Dies soll auch genügen. Fühlt sich bisschen nach einem Lauf auf der Klinge an.
Verständnisfrage:
Müsste aber nicht wenn man das Beispiel im Supermarkt nimmt, wo man die Artikel hinlegt und dann davon ausgegangen wird, dass man nichts versteckt genauso bei dem in Anspruch nehmen der Beförderungsleistung der Bahn argumentiert werden können ?
Man könnte ja auch sagen, dass indem der "Täter" sich hingesetzt hat und mit der Bahn fährt der Kontrolleur davon ausgehen kann das er auch ein Ticket hat und eben gerade nicht ohne ticket fährt ???