Beförderungserschleichung bei Hoffnung, nicht aufzufallen („Schwarzfahrer-Fall“)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Lernplan SR Großer Schein (100%)
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Klassisches Klausurproblem

P ist pleite und will sich die Fahrtkosten auf dem Weg zu seinem Freund sparen. Ohne Ticket steigt er in die Straßenbahn, setzt sich unauffällig auf einen Sitzplatz und fährt vier Stationen.

Einordnung des Falls

Beförderungserschleichung bei Hoffnung, nicht aufzufallen („Schwarzfahrer-Fall“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P könnte sich gemäß § 265a Abs. 1 Var. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er ohne Ticket mit der Bahn fuhr.

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Ja, in der Tat!

P müsste dafür objektiv zunächst (1) die Beförderung durch ein Verkehrsmittel, (2) welche entgeltlich ist, (3) erschlichen haben.

2. Ist die Fahrt mit der Straßenbahn eine Beförderung mit einem Verkehrsmittel im Sinne des § 265a Abs. 1 Var. 3 StGB?

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Ja!

Beförderung durch ein Verkehrsmittel ist jeder Transport von Personen oder Sachen durch ein öffentliches oder privates Verkehrsmittel.Entgelt ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung.Durch die Fahrt mit der Straßenbahn wird P durch ein öffentliches Verkehrsmittel befördert. Diese Fahrt soll auch gegen Entgelt erfolgen.

3. Nach Ansicht der Rspr. erfordert das Erschleichen der Beförderung durch ein Verkehrsmittel, dass Sicherheitsvorkehrungen umgangen werden.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Wann die Beförderung durch ein Verkehrsmittel erschlichen wird, ist strittig. Nach der Rspr. genügt dafür, dass der Täter die Leistung nutzt und sich dabei durch sein Verhalten mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt. Nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur muss der Täter darüberhinaus Kontroll- oder Sicherungsvorkehrungen ausschalten oder umgehen.

4. Hat sich P nach Ansicht der Rspr. die Beförderung erschlichen?

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Ja, in der Tat!

Es genügt nach Ansicht der Rechtsprechung, dass der Täter die Leistung nutzt und sich dabei durch sein Verhalten mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt.P ist mit der Bahn gefahren und hat sich wie jeder andere zahlende Fahrgast verhalten. Er hat damit den Anschein erweckt, dass er die AGB des Verkehrsbetriebs erfüllt und ein Ticket hat. Damit hat er sich mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgeben. P hat sich die Beförderung nach Ansicht der Rechtsprechung erschlichen.

5. Hat sich P die Beförderung auch nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur erschlichen?

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Nein!

Ein Erschleichen liegt nach überwiegender Auffassung in der Literatur vor, wenn der Täter die Leistung nutzt und dafür Kontroll- oder Sicherungsvorkehrungen ausschaltet oder umgeht.P ist mit keinen Sicherheitsvorkehrungen in Kontakt gekommen. Er hat diese folglich auch nicht ausgeschaltet oder umgangen. Nach überwiegender Literaturauffassung hat sich P die Beförderung damit nicht erschlichen. Eine Strafbarkeit nach § 265a Abs. 1 Var. 3 StGB schiede aus.Mangels getäuschtem Kontrolleur läge auch kein Betrug und in der Regel auch kein versuchter Betrug vor, sodass P straflos bliebe.

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