Beschneidung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der 3 Monate alte K soll auf Bitte seiner Eltern von Arzt A beschnitten werden. Medizinisch notwendig ist der Eingriff nicht. A klärt die Eltern entsprechend auf und führt den Eingriff fehlerfrei durch. K hat weder während des Eingriffs noch in seinem späteren Leben Schmerzen oder Beschwerden.
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Einordnung des Falls
Beschneidung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat den K durch die Beschneidung "körperlich misshandelt" (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem A bei K die Beschneidung vornahm, hat er ihn "an der Gesundheit geschädigt" (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
3. A ist durch die Einwilligung der Eltern gerechtfertigt (§ 228 StGB).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Vulpes
3.8.2020, 22:00:27
Ich finde die Erklärungen unzulänglich. Hier wird einfach behauptet, dass beide Merkmale vorliegen. Insb. bei der
Gesundheitsschädigungfrage ich mich worin diese bestehen soll. Da würde ich präziser sein wollen, sonst muss man sich am Ende noch Vorwerfen lassen pauschal etwas gegen Beschneidung aus religiösen Gründen zu haben, was gerade bei Studierenden, die es betrifft, komisch ankommt.
Orfeas
4.3.2021, 01:18:21
Man muss sich gar nichts vorwerfen lassen. Es ist nur das Ergebnis von Definition und Subsumtion. Die Haut die abgeschnitten wird hat eine körperliche Funktion, sei es nur eine sensitive. Diese gehört auch zum körperlichen Normalzustand. Eine
Gesundheitsschädigungist daher gegeben.
Lukas_Mengestu
22.7.2021, 16:34:25
Vielen Dank euch beiden! Im Hinblick auf die mit der Beschneidung einhergehende Substanzverletzung des Kindes, wird die Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Körperverletzung in der juristischen Diskussion tatsächlich einhellig bejaht. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da gerade die Rechtsprechung den Tatbestand der Körperverletzung selbst bei medizinisch indizierten Eingriffen bejaht und erst auf Ebene der Rechtswidrigkeit zu einem Strafbarkeitsausschluss kommt (Einwilligung). Um Missverständnissen vorzubeugen, haben wir dennoch die Hinweistexte noch etwas ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Im🍑nderabilie
11.1.2023, 10:35:16
Gibt es Meinungen die vertreten, dass bei invasiver Religionsausübung zulasten des Kindes die Religionsmündigkeit abgewartet werden soll und deshalb eine rechtfertigende Einwilligung ausscheidet? Ich finde die Annahme einer rechtfertigenden Einwilligung bei einem nicht indizierten Eingriff - lege artis hin oder her - eher schwierig. Gerade bei Kindern müsste ja der Begriff des Heileingriffs eher eng auszulegen sein.
kimchi92
10.7.2023, 19:22:56
Ist es wirklich eine unangemessene Behandlung iSd 223 I Alt. 1 StGB, wenn die Eltern es aus religiöser Überzeugung vornehmen lassen? Und wird nicht die Beschneidung in einigen Kulturkreisen auch zur Vorbeugung von Verletzungen vorgenommen? Kann das dann unangemessen sein?
D34
17.2.2024, 15:09:53
Es gibt auf jeden Fall innerhalb der Strafrechtswissenschaft Kritiker der Kindesbeschneidung. Dass diesbezüglich eine Debatte grundsätzlich existiert, wird schon dadurch klar, dass es unterschiedliche Maßstäbe bei Jungen und Mädchen gibt. Die Beschneidung bei Mädchen ist schließlich als eigene Straftat normiert. Bei Jungen ist sie sogar ohne religiösen Zusammenhang erlaubt. Der religiöse Zusammenhang bei Mädchen ist zugegebenermaßen auch etwas diffuser, weil es sich bei der weiblichen Genitalverstümmelung (man beachte abweichende Benennung M/F) eher um eine kulturelle Praktik handelt als einer religiösen. Wobei das im einzelnen natürlich auch zu kurz greift. Zumindest im Rahmen nichtreligiöser Beschneidungen wird sich der Gesetzgeber hier aber vorwerfen lassen müssen mit zweierlei Maß zu messen. Entsprechende Vertreter der Ansicht, dass männliche Beschneidung zumindest als nicht-religiöse Handlung nicht zu rechtfertigen ist, sind Jörg Scheinfeld in Mainz oder Holm Putzke in Passau.