Gift 1
31. Mai 2025
10 Kommentare
4,7 ★ (20.773 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T ist in J verliebt, der sich jedoch nur für die hübsche O interessiert. T schüttet ihrer Nebenbuhlerin O auf dem Heimweg von der Bibliothek konzentrierte Salzsäure ins Gesicht. O erleidet schwere Verätzungen, die dauerhafte Narben hinterlassen.
Diesen Fall lösen 93,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Gift 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem T der O Salzsäure ins Gesicht geschüttet hat, hat T den objektiven Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) erfüllt.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wenn T die Körperverletzung "durch Beibringung von Gift begeht", verwirklicht sie den objektiven Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB).
Genau, so ist das!
3. Die von T verwendete konzentrierte Salzsäure ist ein "Gift" (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
4. Indem T der O die Säure ins Gesicht geschüttet hat, hat sie ihr das Gift nach h.M. "beigebracht" (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB).
Ja!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Nickname
29.1.2023, 13:51:34
Super Aufgabe! Sollte man jedoch der a.A. folgen und die Wirkung im Außenbereich unter § 224 I Nr. 2 subsumieren, müsste ich ja
gesundheitsschädliche Stoffeals gefährliches Werkzeug definieren, richtig? Dann würde ich bei zB Bakterien oder Viren sagen, dass dies körperliche Gegenstände sind, die nach ihrer generellen
Beschaffenheitund ihrer konkreten
Verwendungdazu geeignet sind, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Da stoße ich jedoch bei dem Merkmal „körperliche Gegenstände“ etwas an meine Wortlautgrenze.
TubaTheo
11.6.2024, 13:54:56
Bakterien oder Viren sind ja aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie ins Körperinnere in die Atemwege oder in die Blutlaufbahn gelangen. Deswegen soll man sich ja immer schön die Hände waschen, damit die Viren nicht ins Körperinnere gelangen (wenn ich mir mit der Hand ins Gesicht fasse). Der bloße äußerliche Körperkontakt mit Viren führt noch nicht einmal zu einer Körperverletzung. Deine Frage ist zwar schon ein bisschen her, aber ich hoffe, ich konnte sie beantworten :)
SM2206
22.5.2025, 02:07:16
Nach herrschender Meinung muss das gefährliche Werkzeug kein körperlicher Gegenstand (im klassischen Sinne) sein. Auch Flüssigkeiten oder Gase sollen gefährliche Werkzeuge sein können. Das Ganze liegt daran, dass es die Nr. 1 früher (vor dem 6. StrRG) nicht gab. Aus diesem Grund hat man den Begriff des gefährlichen Werkzeugs im Laufe der Jahrzehnte immer weiter ausgelegt. Seitdem es die Nr. 1 gibt, führt die Auslegung des gefährlichen Werkzeugs durch die h.M. aber dazu, dass die Nr. 1 keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr hat. Sämtliche Fälle der Nr. 1 erfüllen immer auch die Nr. 2. Die Nr. 2 tritt dann zwar im Wege der Spezialität zurück, Nr. 1 ist aber eben überflüssig. Das ist auch der Grund, warum von einer Mindermeinung bzgl. der Nr. 1 für ein Beibringen verlangt wird, dass der Stoff oder das Gift seine Wirkung im Körperinneren entfaltet. Ziel dieser Auffassung ist nämlich, dass man der Nr. 1 einen eigenständigen Anwendungsbereich erhält. Was aber selten gesagt und auch hier nicht klargestellt wird, ist, dass diselben Vertreter dann den Begriff des gefährlichen Werkzeugs entgegen der h.M. wieder einengen und voraussetzen, dass das gefährliche Werkzeug nur ein Gegenstand sein kann, der von außen verletzend auf den Körper einwirkt, während die Nr. 1 eben alle Tatmittel erfasst, die aus dem Körperinneren wirken. Das alles ist furchtbar konstruiert. Meines Erachtens kann man dasselbe Ergebnis, nämlich eine sinnvolle Abgrenzung der Nr. 1 von der Nr. 2 dadurch erreichen, dass man für das gefährliche Werkzeug einfach voraussetzt, dass es sich um einen festen Gegenstand handelt. Flüssige und gasförmige fallen dann unter die Nr. 1, feste unter die Nr. 2. Sowas in der Art hat sich der BGH wohl auch gedacht, indem er in einem Urteil aus jüngerer Vergangenheit vorausgesetzt hat, dass das gefährliche Werkzeug ein fester Gegenstand sein muss.
Tin
12.7.2023, 11:43:02
Die Narben könnten die O dauerhaft entstellen (hierzu fehlen weitere Angaben im SV) aber grundsätzlich wäre noch § 226 I Nr. 3 zu prüfen oder?
Jenny2905
10.8.2023, 23:49:13
Ja sehe ich genau so. Geeignet wäre die Tat dafür, aber es müssten wohl mehr Angaben im Sachverhalt stehen um diese unter eine dauerhafte Entstellung subsumieren zu können.