Zuckerwasser (Fehlen rechtlicher Relevanz)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A möchte den B, mit dem er um den zukünftigen Chefposten konkurriert, mit Rattengift töten. Er vergreift sich in der Flasche und nimmt versehentlich Multivitaminsaft, der mit Kiwisaft angereichert ist und mischt diesen in B's Wasserglas. B bemerkt wegen der Farbe, dass etwas beigemischt worden ist, denkt sich aber nichts dabei. B trinkt und stirbt. Er ist auf Kiwis allergisch.
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Einordnung des Falls
Zuckerwasser (Fehlen rechtlicher Relevanz)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Tod des B ist A objektiv zuzurechnen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat den Tod des B kausal verursacht.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jogomogo
15.1.2020, 21:39:03
Henk
3.3.2020, 09:46:02
Dann müsstest Du erst die
Sozialadäquanzverneinen. ZB wenn wir eine Gesellschaft voller Allergiker hätten und deshalb jeder die Finger von fremden Getränken lässt. Danach müsstest Du den atypischen
Kausalverlauf(obj) bestimmen. Es entspricht der allg Lebenserfahrung (Zuckerwasser wohl eher schlechtes Beispiel), dass Allergiker dabei sterben können. Interessant wird es beim
Vorsatz(Irrtum über das
Tatmittel und Eigenschaft des
Tatobjekts - Allergiker). Bei der hyp. Gesellschaft (s.o.) müsste man dann überlegen, ob man eine Fl Tötung wg dem Zuckerwasser plus versuchte Tötung durch das vermeintl Gift oder eine vollendete Tötung (unbeachtlicher Irrtum) annimmt.
Dennis
16.4.2020, 08:29:32
M.E. kann das verdeckte Mischen von Substanzen in fremde Getränke bereits eine
rechtlich missbilligte Gefahrdarstellen. Es ist Aufgabe desjenigen der heimlich Substanzen in fremde Getränke mischt, sich über deren Wirkung zu informieren. Dem Konsument ist dies (v.a. bei Zucker) oftmals kaum möglich. Die
rechtlich missbilligte Gefahrliegt hier in der Heimlichkeit. So würde auch das offensichtliche Reichen von zuckerhaltigen Getränken nicht zu einer objektiven Zurechnung führen.
Peter E.
20.6.2020, 12:12:09
Ich bin hier auch anderer Meinung! Ich nehme an, hier eine Differenzierung vorzunehmen, ob man nun eine Bestellung aufgibt und diese mit tödlicher Dosis bekommt. Hat das Opfer eine Bestellung aufgegeben, kann es davon ausgehen, dass es auch diese auch so ausgeführt wird, wenn er explizit darauf hingewiesen hat. Jeden Schluck nachzuprüfen, halte ich für ein argloses Opfer mehr als fraglich. Das unerla ubte Risiko liegt mE bereits in der Hinzufügung weiterer Zu
taten ohne Wissen des Opfers. Dementsprechend müsste jeder unkundige Geräte mit sich führen, um Getränke auf Substanzen zu untersuchen. Das ist meines Erachtens völlig überzogen!
der unerkannt geisteskranke E
3.1.2023, 18:56:35
Aber würde auch nach dieser Argumen
tation, die ja eine objektive Zurechenbarkeit eigentlich bejahen möchte, nicht diese auf Grund eines atypischen
Kausalverlaufs dennoch entfallen? Das würde natürlich von der hinzugefügten Substanz abhängen, wäre bei Fruchtsäften, gegen die nur sehr wenige Menschen allergisch sind, aber wahrscheinlich der Fall, oder?
デニス
5.7.2020, 22:15:29
Überlegt doch mal: Gesinnungsstrafrecht existiert bei uns nicht, insofern sind wir uns ja bestimmt alle einig. Also ist alleine darauf abzustellen, dass ein Café mit Zucker gereicht wurde. Das kann ja wohl kaum eine Strafbarkeit begründen.
Eigentum verpflichtet 🏔️
7.7.2020, 12:38:53
Hallo Vaan, absolut korrekt, das deutsche Strafrecht kennt (auch aus Konsequenz des Nationalsozialismus) kein Gesinnungsstrafrecht. Jedoch wird hier der Täter auch nicht wegen seiner Gesinnung bestraft, sondern wegen eines Versuchs (strafbar nach §§ 212, 211, 22, 23 I, 12 I StGB) der Tötung des Opfers. Denn er wollte tödliches Rattengift in den Kaffee des Opfers hineingeben und hat sich nur in der Flasche vergriffen, sodass ihm mangels objektiver Zurechenbarkeit der Tod des Opfers nicht zugerechnet werden kann. Der
Tatentschluss und das unmittelbare Ansetzen sind hier als
Tatbestand des Versuchs aber
rechtswidrigund schuldhaft begangen und damit strafbar.
デニス
7.7.2020, 13:01:44
Gut, ich hätte mich anders ausdrücken sollen. Das ist mir schon klar, ich wollte lediglich auf meine Vorredner reagieren, die in die falsche Richtung gedacht/argumentiert haben, nämlich in Richtung Gesinnung. Dann formuliere ich es eben um das Verabreichen eines Cafés mitsamt Zucker kann in diesem Fall wohl allenfalls eine Strafbarkeit nach §§ 212, 211, 22 etc. begründen.
Eigentum verpflichtet 🏔️
7.7.2020, 13:38:41
Hallo Vaan, ja das stimmt, eine Strafbarkeit wegen vollendetem Delikt darf hier selbstverständlich nicht aus irgendeiner Gesinnung des Täters abgeleitet werden.
デニス
7.7.2020, 13:42:31
Ich muss bei näherem Hinsehen aber schon zugeben, dass ich Dir wohl auch keinen Raum für abweichende Schlussfolgerungen gegeben habe, da ich einen neuen Thread aufgemacht hatte. Sonst hätte ich meinen Kommentar auf m
ehrere Threads/Kommentare copy-pasten müssen. :D
デニス
7.7.2020, 13:43:03
Das „überlegt doch mal“ war folglich auch nicht an die Moderatoren gerichtet haha
L
9.4.2023, 21:51:33
Könnte man hier eine Strafbarkeit wegen Untauglichen Versuchs oder ähnliches annehmen??
Timurso
19.6.2023, 14:18:37
Ich würde einen untauglichen Versuch hier als gegeben ansehen, ja.
egu93
4.10.2024, 09:50:09
.... das ist in jedem Fall ein
untauglicher Versuch. Deshalb ist die Frage insgesamt leider sehr unglücklich gestellt.
Elias Von der Brelie
8.5.2023, 13:23:32
Ich finde den Vergleich in der Erklärung ein wenig unpassend. A hat dem B ja keinen Fruchtsaft gereicht. Er hat es in das Glas des B ohne dessen Wissen eingeschlichen. Selbst wenn man sagt der B hätte prüfen müssen als ihm die Farbe auffiel kann man das meines Erachtens nicht damit vergleichen mögliche Allergene wissentlich entgegen zu nehmen. Gut möglich dass der B trotzdem davon ausgehen würde er hätte es nur mit merkwürdigem Wasser zu tun, da er sich das Glass Wasser so wie ich das verstehe selbst eingegossen hat.
Carl Wagner
10.5.2023, 19:19:55
Vielen Dank für deine Anmerkung, Elias von der Brelie! Sicherlich sind das zwei verschiedene Situationen. Es geht allerdings darum, ein
rechtlich missbilligtes Risikozu schaffen. Anderen Menschen Fruchtsaft zu reichen, ist aber nicht rechtlich missbilligend. Es ist viel mehr sozial adäquates Verhalten. Ausnahme: Der Täter hat Sonderwissen. Hätte A gewusst, dass B gegen Kiwis allergisch ist und ihm mit Absicht eine Saft mit Kiwi gereicht (oder heimlich eingegossen), dann läge es Nahe kraft Sonderwissen die Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr zu bejahen. (zum Sonderwissen siehe etwa Schönke/Schröder, 30. Auflage, StGB vor § 13 Rn. 93). Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team!
caraninii
31.10.2024, 11:38:42
Müsste das nicht eher eine Frage des
Vorsatzes sein? Also wäre das Beimischen von Allergenen in das Getränk des Allergikers nicht grundsätzlich eine rechtliche missbilligte Gefahr, mangels Wissen entfiele jedoch der
Vorsatz? So wie die Situation, in der A dem B Gift beimischt, jedoch nicht weiß, dass es sich um Gift handelt?
FranziSe
18.10.2024, 15:34:01
Hallo zusammen, ich hätte eine Frage. Muss der Täter das Opfer nicht grundsätzlich so nehmen wie es ist? Ist das Opfer zum Beispiel Bluter und verblutet an einer für einen gesunden Menschen ungefährlichen Wunde, welche durch den Täter zugefügt wurde, dann ist der
tatbestandliche Erfolg dem Täter doch obj. zurechenbar, oder nicht? Warum ist dies im oben genannten Kiwi—Fall anders? Im Voraus schon mal vielen Dank. Liebe Grüße Franzi
Sassun
20.10.2024, 11:56:58
Grundsätzlich würde ich dir Recht geben. Allerdings fügt der Täter in Bluter-Konstellationen idR dem Opfer eine Verletzung zu (zum Beispiel einen eigentlich nicht tödlicher
Messerstich). Hier hat unser Täter nur einen Saft eingeschenkt. Saft einschenken ist aber ein gebilligtes Verhalten. Der Täter hatte auch nicht etwa überlegendes Sachwissen derart, dass er von der Allergie seines Opfers wusste.
FranziSe
21.10.2024, 18:40:20
Super, vielen Dank 😊