Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Besondere öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen
Öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch
Öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch
31. Mai 2025
20 Kommentare
4,8 ★ (19.850 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Gemeinde G eröffnet neben dem Grundstück der N einen öffentlichen Grillplatz, auf dem am Wochenende zwischen 12 und 20 Uhr gegrillt werden darf. Der Platz wird tatsächlich fast permanent genutzt. N fühlt sich durch den dauerhaften Geruch belästigt und will, dass die Nutzungszeiten eingehalten werden.
Diesen Fall lösen 93,4 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. N begehrt, dass sich die Nutzer des Grillplatzes an die Nutzungsvorschriften halten. Ein (privatrechtliches) Vorgehen gegen die einzelnen Störer ist allerdings wenig vielversprechend.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. In Betracht kommt der sogenannte öffentlich-rechtliche Abwehranspruch.
Ja!
3. Der öffentlich-rechtliche Abwehranspruch ist gesetzlich ausdrücklich geregelt.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
schokokeks
8.8.2022, 08:57:16
Hallo :) Wieso kommt hier der Abwehr- und nicht der (künftigen Beeinträchtigungen vorbeugende) Unterlassungsanspruch in Betracht? Mir fällt die Abgrenzung teilweise schwer.

Lukas_Mengestu
8.8.2022, 18:38:02
Hallo schokokeks, der Abwehr- und Duldungsanspruch liegen in der Tat eng beieinander. Während der Abwehranspruch eine fortdauernder Störung voraussetzt, bedarf es für den Duldungsanspruch der Gefahr einer erneuten (bzw. in engen Fällen auch erstmaligen) Störung. Aus der Illustration geht hervor, dass hier tatsächlich gerade eine Beeinträchtigung durch aktive Griller vorliegt. Im Hinblick auf alle weiteren drohenden Grillsessions wäre aber in der Tat ein Unterlassungsanpruch zu prüfen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
StellaChiara
5.7.2023, 13:57:13
Hallo:) warum wird hier nicht der FBA geprüft? Stellen die Emmissionen keine Folgen im Sinne des FBA dar? Sehe hier eigentlich das gleiche Problem wie bei einer Laterne, die aufgrund des Lichteinfalls ins Schlafzimmer entfernt werden soll

Pilea
10.8.2023, 14:46:57
Schließe mich der Frage an.

J-Lo
19.8.2023, 08:42:51
Freue mich auch über eine Antwort! :-)

kokapidis
11.9.2023, 11:41:43
Ein FBA ist auf die Beseitigung von Folgen ÖffR Handelns oder Wiederherstellung des vorherigen Zustands gerichtet. Vorliegend beghert N, dass die Nutzungszeiten des Grillplatzes eingehalten werden. Sie möchte also, dass ein Verhalten (= die Nutzung außerhalb der Öffnungszeiten), unterlassen wird. Man könnte andenken, dass das damit gleichzusetzen ist, dass ein vorheriger Zustand wiederhergestellt werden soll. Das gibt der SV aber nicht her. Dafür müsste der Platz ursprünglich iRd Öffnungszeiten genutzt worden sein und aktuell nicht mehr, wogegen N sich dann gerichtet hätte. Der SV gibt aber an, dass der Platz noch nie ordnungsgemäß benutzt wurde. Zudem sind auch keine Folgen bei N eingetreten, die beseitigt werden könnten. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn N durch den Rauch des ständigen Grillens eine Lungenkrankheit erlitten hätte, die dann einen Schaden bei ihr verursacht hätte. Wenn diese negative Folge ein Eingriff in das ET der N darstellen würde, würde ein Entschädigungsanspruch aus einem enteignendem Eingriff in Betracht kommen. Also wenn beispielsweise der Rauch in die Wände der Wohnung einzieht, was dann zu einem Schaden bei N führt. Korrigiert mich gerne, wenn ich falsch liege. :-)

CR7
22.11.2023, 15:24:16
Ich schließe mich @[kokapidis](14792) an! Der FBA knüpft an das
Erfolgsunrechtan; der Ab.u.Un-Anspruch jedoch an das Handlungsunrecht. Beim FBA kommt es nicht darauf an, ob die Handlung rechtmäßig oder
rechtswidrigwar, sondern lediglich darauf, ob der herbeigeführte, andauernde Zustand rechtmäßig oder
rechtswidrigwar. Wie schon richtig erklärt, wird hier auf die Handlung (das Grillen außerhalb der Nutzungszeit) abgestellt und diese Handlung soll zukünftig unterlassen werden. Wäre bei der Antragstellerin zusätzlich noch eine
Gesundheitsschädigungeingetreten, dann wäre das unmittelbare Folge des Handelns, dessen Rechtmäßigkeit aber aufgrund tatsächlicher
Unmöglichkeitnicht wiederhergestellt werden kann, so dass ihr ein Folgeentschädigungsanspruch zusteht. Dieser kann ggf. im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht werden.

Naticat
6.3.2024, 10:50:31

F. Rosenberg 🦅
28.3.2024, 11:30:36
§§ 1004,
906 BGB analogmüsste es heißen. Meine Quellen: VGH Baden-Württemberg (
Beschlussvom 06.03.2012 - 10 S 2428/11); Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 2.4.1988 - 7 C 33.87)

Charliefux
1.4.2024, 19:10:54
@[Lukas_Mengestu](136780) Stimmst du der Herleitung hier zu? :) LG
Wysiati
30.8.2024, 01:56:17
@[Naticat](137690) Ich meine §§ 12, 862 und
1004 BGBnormieren, dass man von jemandem eine Handlung verlangen kann. Ich sehe hier also durchaus den roten Faden, wird man in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt, muss die Möglichkeit bestehen, dies abzuwehren.
§ 906 BGBsetzt dem eine untere Grenze. Bei fehlender oder nur unwesentlicher Beeinträchtigung kann man das Verhalten nicht verbieten. Ich denke, dass das nicht all zu eng zu sehen ist. Man muss bedenken, eine ausdrückliche gesetzliche Normierung gibt es nicht. Aber vergleichbare Rechtsgedanken finde ich, ohne hier Quellen angeben zu können, in all den oben genannten Normen.

Tomˑ
18.10.2024, 09:49:39
Sehe bei den zitierten Normen auch die Gemeinsamkeit eine bestimmte Handlung (konkret die "Beseitigung der Beeinträchtigung bzw. Störung") und ggf. weiteres Unterlassen von jemandem verlangen zu können.
okalinkk
11.3.2025, 10:51:45
Ist der öffentliche rechtliche Abwehranspruch gleichzusetzen mit dem öffentlich rechtlichen Unterlassungsanspruch?
Florian
21.4.2025, 19:15:57
Nein, das sind zwei unterschiedliche Ziele. Beim einen wird eine Abwehr (ein aktives Tun begehrt), beim zweiten wird ein Unterlassen begehrt. Hier ist es der Abwehranspruch, weil Maßnahmen begehrt werden, die die Benutzung innerhalb der Nutzungszeiten sicherstellen.
nessi1006
24.3.2025, 10:57:33
könnte man hier nicht auch einen Anspruch aus einer polizeilichen Grundklausel herleiten (zB. aus
17 ASOG) und das damit begründen, dass wegen den Immissionen eine
Ermessensreduzierung auf nullvorliegt und deshalb die Polizei einschreiten muss?
Leo Lee
27.3.2025, 13:50:13
Hallo nessi1006, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man sich hier auch überlegen, ob man nicht die Polizei dazu verpflichten sollte, dort einzugreifen. Allerdings ist die insofern unschädlich für unseren Anspruch, als dieser Zweck ebenfalls mit dem ÖR-Abwehranspruch erreicht werden kann. Denn wenn der Staat dazu verpflichtet wird, den Immissionen vorzubeugen, dann wird er dies z.B. durch den Einsatz von
Polizeikontrollen sicherstellen. Anderenfalls müsste unser Kläger jedes Mal eine
Verpflichtungsklageerheben, was dann wiederum eine
FFKL wäre, weil das Grillen zumeist ohnehin zeitlich erledigt sein wird, um sein Ziel zu erreichen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo