Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gemeinde G erlässt einen Gebührenbescheid für die Straßenreinigung gegenüber A. A überweist statt der geforderten 100 € versehentlich 1.000 €. Sie möchte die zu viel bezahlten 900 € von G zurück bekommen.

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Einordnung des Falls

Öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat einen Anspruch auf Zahlung der 900 € gemäß § 812 Abs. 1 Var. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 812 Abs. 1 Var. 1 BGB ist direkt nur auf zivilrechtliche Rechtsbeziehungen und gerade nicht auf öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen anwendbar. Auch, wenn eine mit dem Regelungsgehalt des § 812 BGB vergleichbare Situation besteht, kann nicht ohne Weiteres auf die §§ 812ff. BGB zurückgegriffen werden - gerade auch, weil es im öffentlichen Recht vorrangige Sondervorschriften gibt. Die Grundsätze der §§ 812ff. BGB sind allenfalls entsprechend anwendbar. A kann einen Anspruch gegen G auf Herausgabe der 900 € nicht direkt auf § 812 Abs. 1 S. 1 BGB stützen.
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2. A könnte einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber G geltend machen.

Ja!

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist auf den Ausgleich rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen im öffentlichen Recht gerichtet. Die Rechtsbeziehung ist öffentlich-rechtlich, wenn der vermeintliche bzw. später weggefallen Rechtsgrund öffentlich-rechtlicher Natur ist. Der Anspruch kann von den Bürgern gegen die Behörde, aber auch von den Behörden gegen die Bürger geltend gemacht werden. Die Grundsätze der §§ 812 ff. BGB sind in der Regel entsprechend anwendbar, es sei denn, dem stehen öffentlich-rechtliche Besonderheiten entgegen. Der vermeintliche Rechtsgrund für As Zahlung besteht in einem Verwaltungsakt (= öffentlich rechtlicher Natur). A könnte einen Anspruch auf 900 € auf Grundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch haben.

3. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch wird teilweise mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung begründet.

Genau, so ist das!

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist trotz der strukturellen Ähnlichkeit zu den §§ 812 ff. BGB ein eigenständiges Institut des öffentlichen Rechts und benötigt daher eine eigene Rechtsgrundlage. Zum Teil gibt es spezialgesetzliche Ausprägungen, auf die vorrangig zurückgegriffen werden muss. Vor allem ist an § 49a VwVfG zu denken, welcher allerdings nur einen Anspruch der Behörde gegenüber dem Bürger begründet. Fehlt eine spezialgesetzliche Regelung, ist auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückzugreifen, der mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sowie den Grundrechten begründet wird. Er ist jedenfalls mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannt.

4. Der Rechtsgrund für die Zahlung der 900 € besteht in dem Gebührenbescheid. A hat keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen G.

Nein, das trifft nicht zu!

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist auf den Ausgleich rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen im öffentlichen Recht gerichtet. Die Prüfung richtet sich in der Regel nach den Grundsätzen der §§ 812 ff. BGB. A zahlte die 900 € zweckgerichtet mit dem Ziel, Gs vermeintlichen Zahlungsanspruch zu erfüllen. G hat damit durch Leistung der A 900 € erlangt (Besitz oder Vermögenswert in Form einer Bankgutschrift). Der Gebührenbescheid (= Verwaltungsakt) kommt grundsätzlich als öffentlich-rechtlicher Rechtsgrund in Betracht. Dieser bildet allerdings nur einen Rechtsgrund für die Zahlung von 100 €. Die Zahlung der weiteren 900 € erfolgte damit ohne Rechtsgrund. A hat einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gerichtet auf die Rückerlangung der 900 € gegen G.
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