Fehlerhafte Bedienung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Repetitorin R sieht auf der Düsseldorfer Königsallee den Automaten der Masken-GmbH (M). Für die Vorlesung braucht R noch eine FFP2-Maske. R hat kein 2€-Stück, aber eine 10 Baht-Münze aus Thailand, die einem 2€-Stück gleicht. R steckt sie in den Automaten und erhält eine Maske.

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Einordnung des Falls

Fehlerhafte Bedienung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zwischen M und R ist ein Kaufvertrag über die Schutzmaske zustande gekommen.

Nein!

Ein Kaufvertrag kommt durch Angebot und Annahme (§§ 145ff. BGB) zustande. Nach h.M stellt bereits das Aufstellen des Automaten ein antizipiertes Angebot an jeden dar, der das verlangte Geldstück einwirft (offerte ad incertas personas). Es solle jedoch nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nur soweit und solange gelten, wie (1) der Vorrat reicht, (2) der Automat funktioniert und (3) der Automat ordnungsgemäß bedient wird. Da R durch den Einwurf der falschen Münze den Automaten nicht ordnungsgemäß bedient hat, liegt kein wirksames Angebot der M vor.
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2. Nach einem Teil der Literatur ist das bloße Aufstellen eine invitatio ad offerendum

Ja!

Nach einem Teil der Literatur ist das bloße Aufstellen eine invitatio ad offerendum. Der Kunde mache durch die Bedienung ein Angebot, das dadurch angenommen werde, dass der Automat die Leistung erbringt. Da es hier schon an der ordnungsgemäßen Bedienung fehlt, läge nach dieser Auffassung ebenfalls kein Angebot vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Praetor

Praetor

24.1.2022, 18:58:45

So sehr die erste Meinung in der Praxis auch einleuchtet, aber verwischt sie nicht die Grenze zwischen Verpflichtungs- und

Verfügungsgeschäft

? Bei Brox/Walker ist dazu auch nichts zu finden, kennt jemand eine Aussage der Dogmatik dazu?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.1.2022, 11:14:31

Hallo Praetor, interessanter Punkt. Dogmatisch sehe ich hier indes keine Probleme. Da die dingliche Einigungserklärung eine Willenserklärung darstellt und den §§ 104 ff. BGB unterliegt, kann sie ebenfalls bedingt abgegeben werden (vgl. zB Eigentumsvorbehalt). Auch wenn die Bedingung unter der die dingliche Einigung zustande kommt (ordnungsgemäße Bedienung+ Funktionsfähigkeit des Automaten) auch für das schuldrechtliche Geschäft relevant ist, so ist die dingliche Einigung dennoch unabhängig von dessen Wirksamkeit. Denn der Bestand des schuldrechtlichen Geschäfts ist ja gerade keine Bedingung. Auch wenn Verpflichtungs- und

Verfügungsgeschäft

zeitlich zusammenfallen, bleiben sie rechtlich dennoch getrennt. Ich hoffe, dadurch wird es etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

31.1.2022, 10:43:28

Liebes Jurafuchs-Team, es wäre super, wenn ihr noch ein paar Argumente der beiden Ansichten einfügen würdet. :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.1.2022, 18:04:54

Hallo QuiGonTim, das maßgebliche Ziel beider Ansichten ist, den Aufsteller des Warenautomats von einer Schadensersatzhaftung freizustellen (falls der Automat kaputt ist) bzw. sicherzustellen, dass er nur das Eigentum verliert, wenn er im Gegenzug auch den Kaufpreis erhält. Lediglich die Wege hierzu sind unterschiedlich (entweder kein Angebot oder

keine Annahme

). Da im Ergebnis nach beiden Ansichten kein Vertrag zustande kommt, braucht der Streit in einer Klausur auch nicht entschieden werden. Mangels praktischer Konsequenzen, wird in den einschlägigen Lehrbüchern und Kommentarstellen auch weitgehend auf Argumente für die jeweilige Seite verzichtet und lediglich festgestellt, dass es sich entweder um eine

invitatio ad offerendum

(so zB Busche, in: MüKo-BGB, 9.A. 2021, § 145 RdNr. 12; Brox/Walker, BGB AT, § 8 RdNr. 167a) oder eben um eine

invitatio ad offerendum

(so zB Ecket, in BeckOK-BGB, 60. Ed. 1.08.2021, § 145 RdNr. 41; Neuner, BGB AT, § 37 RdNr. 7) handelt. Eine vertiefte Darstellung ist in der Klausur insoweit nicht notwendig. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JCF

JCF

8.7.2024, 19:42:32

@[Lukas_Mengestu](136780) der Satz "Mangels praktischer Konsequenzen, wird [...] auf Argumente für die jeweilige Seite verzichtet und lediglich festgestellt, dass es sich entweder um eine

invitatio ad offerendum

[...] oder eben um eine

invitatio ad offerendum

[...] handelt" in deiner Erklärung ergibt so (zweimal

invitatio ad offerendum

) keinen Sinn. 😉

MI

Milou

7.2.2022, 10:28:33

wie würde das hier dann weitergehen? M hat dann wahrscheinlich Anspruch auf Rückübermittlung | Herausgabeanspruch oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.2.2022, 12:11:37

Hallo Milou, in der Tat könnte M hier eine Reihe an Herausgabeansprüchen geltend machen (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB; § 985 BGB; §

861

Abs. 1 BGB, § 1007 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 1 BGB; § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 BGB). Sofern M die Maske benutzt und anschließend vernichtet, ist an Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB; § 823 Abs. 1 BGB) bzw. Wertersatz (§§ 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2, 818 Abs. 1, 2 BGB) zu denken. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Simon

Simon

2.9.2022, 23:25:45

Hallo Lukas, zudem hat M hier einen Anspruch aus § 823 II iVm § 858 I, oder?

PPAA

Philipp Paasch

11.9.2022, 23:27:14

Müsste hinkommen, ja.

Edward Hopper

Edward Hopper

28.7.2022, 17:59:20

Der Vertrag wäre doch (selbst wenn er zustandekommt) nach 265a StGB i. v. m. 134 BGB unwirksam, oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.7.2022, 19:31:21

Hallo Edward, schau Dir hierzu gerne noch einmal unsere Einheit zu § 134 BGB an. Das Geschäft, also der Kaufvertrag über die Maske, wäre nur dann nichtig nach § 134 BGB, wenn der Kauf der Maske gegen ein Verbotsgesetz verstoßen würde. Dies wäre zB beim Fall des Drogenkaufs einschlägig, da der Verkauf von Drogen gegen das Betäubungsmittelgesetz verstößt. § 265a StGB richtet sich indes nicht gegen die Art des Geschäfts selbst (Verkauf von Masken), sondern stellt lediglich den Missbrauch von

Leistungsautomat

en unter Strafe. Hinzu kommt, dass es sich vorliegend bei dem Maskenautomat um einen sog. Warenautomat handelt. Automaten, die lediglich der Abgabe von Sachen dienen, fallen nach hM zudem nicht in den Tatbestand des § 265a StGB. Deren missbräuchliche Benutzung richtet sich vielmehr nach § 242 StGB (Diebstahl). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

IS

IsiRider

18.4.2023, 12:18:31

Was ist ein

Leistungsautomat

? Z.B. Zum Lösen eines Fahrtickets? Wo ist der Unterschied zum Warenautomat?

ROB

Robinski

22.3.2023, 18:06:21

Ich verstehe nicht ganz warum eine ordnungsgemäße Bedienung eine Bedingung ist. Liegt es nicht eher im Interesse des Aufstellers gegen jemanden der eine falsche Münze einschmeißt und dadurch trotzdem die Maske erhält einen vertraglichen Anspruch für die 2 Euro zu haben?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.3.2023, 15:12:38

Hallo Robinski, danke für deine Frage. Bei einem Vertragsschluss bekommt man ja nicht nur einen Anspruch, sondern wird eben auch verpflichtet. Ob man in einem Vertragsverhältnis mit jemandem stehen möchte, der das auf solche betrügerische Art und Weise eingegangen ist, darf bezweifelt werden. Zudem ist der Automatenaufsteller ja nicht komplett rechtlos gestellt, sondern z.B. über die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, §§ 812 ff. BGB geschützt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

29.8.2023, 09:11:00

Liebes Jurafuchs-Team, würdet ihr noch ein paar Argumente für und gegen die beiden Ansichten anführen? :)

LEO

Leon

11.10.2023, 11:28:36

Also ich hätte so argumentiert, dass der Automatenaufsteller einen Vertrag mit Gegenleistung 2€ schließen will. Als R dann die falsche Münze eingeworfen hat, hat sich damit seine Annahme nicht auf das ursprüngliche Angebot bezogen, weshalb Dissens vorliegt

LELEE

Leo Lee

14.10.2023, 15:24:59

Hallo Leon, das ist in der Tat ein Argument, das sich ebenfalls hören lässt. Beachte allerdings, dass - selbst wenn man mit einer falschen Münze zahlt - die Person das Angebot grundsätzlich annimmt (a.A. selbstverständlich vertretbar), denn ob ein Annahme vorliegt oder nicht, ist als empfangsbedürftige WE von der Warte des Empfängers aus (§§ 133, 157, 242) zu bestimmen. Und wer mit Falschgeld zahlt, zahlt trotzdem auf "das Angebot", solange die Münze einigermaßen echt aussieht :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

UGE

Ugento

4.9.2024, 07:25:42

Wenn der Automatenbetreiber einen Automaten aufstellt, erscheint es mir nicht schlüssig, das Verhalten des Empfängers der vermeintlichen Willenserklärung davon abhängig zu machen, ob seitens des Betreibers überhaupt ein Angebot vorliegt. Wäre es nicht sinniger, ein Angebot anzunehmen und dann die Annahme zu verneinen? Oder habe ich einen Denkfehler?


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