Fehlerhafte Bedienung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Repetitorin R sieht auf der Düsseldorfer Königsallee den Automaten der Masken-GmbH (M). Für die Vorlesung braucht R noch eine FFP2-Maske. R hat kein 2€-Stück, aber eine 10 Baht-Münze aus Thailand, die einem 2€-Stück gleicht. R steckt sie in den Automaten und erhält eine Maske.
Diesen Fall lösen 82,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Fehlerhafte Bedienung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Zwischen M und R ist ein Kaufvertrag über die Schutzmaske zustande gekommen.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Nach einem Teil der Literatur ist das bloße Aufstellen eine invitatio ad offerendum
Ja!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Praetor
24.1.2022, 18:58:45
So sehr die erste Meinung in der Praxis auch einleuchtet, aber verwischt sie nicht die Grenze zwischen Verpflichtungs- und
Verfügungsgeschäft? Bei Brox/Walker ist dazu auch nichts zu finden, kennt jemand eine Aussage der Dogmatik dazu?
Lukas_Mengestu
26.1.2022, 11:14:31
Hallo Praetor, interessanter Punkt. Dogmatisch sehe ich hier indes keine Probleme. Da die
dingliche Einigungserklärung eine Willenserklärung darstellt und den §§ 104 ff. BGB unterliegt, kann sie ebenfalls bedingt abgegeben werden (vgl. zB Eigentumsvorbehalt). Auch wenn die Bedingung unter der die
dingliche Einigungzustande kommt (ordnungsgemäße Bedienung+ Funktionsfähigkeit des Automaten) auch für das schuldrechtliche Geschäft relevant ist, so ist die
dingliche Einigungdennoch unabhängig von dessen Wirksamkeit. Denn der Bestand des schuldrechtlichen Geschäfts ist ja gerade keine Bedingung. Auch wenn Verpflichtungs- und
Verfügungsgeschäftzeitlich zusammenfallen, bleiben sie rechtlich dennoch getrennt. Ich hoffe, dadurch wird es etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
31.1.2022, 10:43:28
Liebes Jurafuchs-Team, es wäre super, wenn ihr noch ein paar Argumente der beiden Ansichten einfügen würdet. :)
Lukas_Mengestu
31.1.2022, 18:04:54
Hallo QuiGonTim, das maßgebliche Ziel beider Ansichten ist, den Aufsteller des Warenautomats von einer Schadensersatzhaftung freizustellen (falls der Automat kaputt ist) bzw. sicherzustellen, dass er nur das Eigentum verliert, wenn er im Gegenzug auch den Kaufpreis erhält. Lediglich die Wege hierzu sind unterschiedlich (entweder kein Angebot oder keine Annahme). Da im Ergebnis nach beiden Ansichten kein Vertrag zustande kommt, braucht der Streit in einer Klausur auch nicht entschieden werden. Mangels praktischer Konsequenzen, wird in den einschlägigen Lehrbüchern und Kommentarstellen auch weitgehend auf Argumente für die jeweilige Seite verzichtet und lediglich festgestellt, dass es sich entweder um eine
invitatio ad offerendum(so zB Busche, in: MüKo-BGB, 9.A. 2021, § 145 RdNr. 12; Brox/Walker, BGB AT, § 8 RdNr. 167a) oder eben um eine
invitatio ad offerendum(so zB Ecket, in BeckOK-BGB, 60. Ed. 1.08.2021, § 145 RdNr. 41; Neuner, BGB AT, § 37 RdNr. 7) handelt. Eine vertiefte Darstellung ist in der Klausur insoweit nicht notwendig. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
JCF
8.7.2024, 19:42:32
@[Lukas_Mengestu](136780) der Satz "Mangels praktischer Konsequenzen, wird [...] auf Argumente für die jeweilige Seite verzichtet und lediglich festgestellt, dass es sich entweder um eine
invitatio ad offerendum[...] oder eben um eine
invitatio ad offerendum[...] handelt" in deiner Erklärung ergibt so (zweimal
invitatio ad offerendum) keinen Sinn. 😉
Milou
7.2.2022, 10:28:33
wie würde das hier dann weitergehen? M hat dann wahrscheinlich Anspruch auf Rückübermittlung |
Herausgabeanspruchoder?
Lukas_Mengestu
8.2.2022, 12:11:37
Hallo Milou, in der Tat könnte M hier eine Reihe an Herausgabeansprüchen geltend machen (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB; § 985 BGB; § 861 Abs. 1 BGB, § 1007 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 1 BGB; § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 BGB). Sofern M die Maske benutzt und anschließend vernichtet, ist an Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB; § 823 Abs. 1 BGB) bzw. Wertersatz (§§ 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2, 818 Abs. 1, 2 BGB) zu denken. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Simon
2.9.2022, 23:25:45
Hallo Lukas, zudem hat M hier einen Anspruch aus § 823 II iVm § 858 I, oder?
Philipp Paasch
11.9.2022, 23:27:14
Müsste hinkommen, ja.
Edward Hopper
28.7.2022, 17:59:20
Der Vertrag wäre doch (selbst wenn er zustandekommt) nach 265a StGB i. v. m.
134 BGBunwirksam, oder?
Lukas_Mengestu
28.7.2022, 19:31:21
Hallo Edward, schau Dir hierzu gerne noch einmal unsere Einheit zu §
134 BGBan. Das Geschäft, also der Kaufvertrag über die Maske, wäre nur dann nichtig nach §
134 BGB, wenn der Kauf der Maske gegen ein Verbotsgesetz verstoßen würde. Dies wäre zB beim Fall des Drogenkaufs einschlägig, da der Verkauf von Drogen gegen das Betäubungsmittelgesetz verstößt. § 265a StGB richtet sich indes nicht gegen die Art des Geschäfts selbst (Verkauf von Masken), sondern stellt lediglich den Missbrauch von
Leistungsautomaten unter Strafe. Hinzu kommt, dass es sich vorliegend bei dem Maskenautomat um einen sog. Warenautomat handelt. Automaten, die lediglich der Abgabe von Sachen dienen, fallen nach hM zudem nicht in den Tatbestand des § 265a StGB. Deren missbräuchliche Benutzung richtet sich vielmehr nach §
242 StGB(Diebstahl). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
IsiRider
18.4.2023, 12:18:31
Was ist ein
Leistungsautomat? Z.B. Zum Lösen eines Fahrtickets? Wo ist der Unterschied zum Warenautomat?
Robinski
22.3.2023, 18:06:21
Ich verstehe nicht ganz warum eine ordnungsgemäße Bedienung eine Bedingung ist. Liegt es nicht eher im Interesse des Aufstellers gegen jemanden der eine falsche Münze einschmeißt und dadurch trotzdem die Maske erhält einen vertraglichen Anspruch für die 2 Euro zu haben?
Nora Mommsen
23.3.2023, 15:12:38
Hallo Robinski, danke für deine Frage. Bei einem Vertragsschluss bekommt man ja nicht nur einen Anspruch, sondern wird eben auch verpflichtet. Ob man in einem Vertragsverhältnis mit jemandem stehen möchte, der das auf solche betrügerische Art und Weise eingegangen ist, darf bezweifelt werden. Zudem ist der Automatenaufsteller ja nicht komplett rechtlos gestellt, sondern z.B. über die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, §§ 812 ff. BGB geschützt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
29.8.2023, 09:11:00
Liebes Jurafuchs-Team, würdet ihr noch ein paar Argumente für und gegen die beiden Ansichten anführen? :)
Leon
11.10.2023, 11:28:36
Also ich hätte so argumentiert, dass der Automatenaufsteller einen Vertrag mit Gegenleistung 2€ schließen will. Als R dann die falsche Münze eingeworfen hat, hat sich damit seine Annahme nicht auf das ursprüngliche Angebot bezogen, weshalb Dissens vorliegt
Leo Lee
14.10.2023, 15:24:59
Hallo Leon, das ist in der Tat ein Argument, das sich ebenfalls hören lässt. Beachte allerdings, dass - selbst wenn man mit einer falschen Münze zahlt - die Person das Angebot grundsätzlich annimmt (a.A. selbstverständlich vertretbar), denn ob ein Annahme vorliegt oder nicht, ist als empfangsbedürftige WE von der Warte des Empfängers aus (§§ 133, 157, 242) zu bestimmen. Und wer mit Falschgeld zahlt, zahlt trotzdem auf "das Angebot", solange die Münze einigermaßen echt aussieht :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
Ugento
4.9.2024, 07:25:42
Wenn der Automatenbetreiber einen Automaten aufstellt, erscheint es mir nicht schlüssig, das Verhalten des Empfängers der vermeintlichen Willenserklärung davon abhängig zu machen, ob seitens des Betreibers überhaupt ein Angebot vorliegt. Wäre es nicht sinniger, ein Angebot anzunehmen und dann die Annahme zu verneinen? Oder habe ich einen Denkfehler?