Strafrecht

BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.

Nötigung, § 240 StGB

Fehlender Nötigungsspezifischer Zusammenhang – Versuch der Nötigung

Fehlender Nötigungsspezifischer Zusammenhang – Versuch der Nötigung

4. Juni 2025

5 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

U schuldet X €200. X sagt U, dass ihm „seine Schläger einen Besuch abstatten”, sollte U nicht umgehend zahlen. U weiß, dass X keine Schlägertruppe kennt, erinnert sich aber durch die Ankündigung des X an die Schulden und begleicht diese.

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Einordnung des Falls

Fehlender Nötigungsspezifischer Zusammenhang – Versuch der Nötigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. X könnte sich wegen Nötigung strafbar gemacht haben, indem er U sagte, seine Schlägertruppe werde ihm einen Besuch abstatten, woraufhin U seine Schulden beglich (§ 240 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1 StGB sind: (1) Nötigungsmittel: Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel (2) Nötigungserfolg: Handeln, Dulden oder Unterlassen (3) Nötigungsspezifischer Zusammenhang zwischen (1) und (2) X müsste zudem vorsätzlich gehandelt haben. Die Tat müsste auch rechtswidrig und insbesondere verwerflich (§ 240 Abs. 2 StGB) gewesen sein. Zudem müsste X schuldhaft gehandelt haben.
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2. X hat U den Besuch „seiner” Schläger angekündigt. U wusste, dass eine solche Schlägertruppe tatsächlich nicht existierte. Liegt nach der h.M. trotzdem eine Drohung des X vor (§ 240 Abs. 1 StGB)?

Ja, in der Tat!

Eine Drohung ist das In-Aussicht-stellen eines empfindlichen Übels, auf welches der Täter Einfluss zu haben vorgibt. Unter Übel fällt jeder Nachteil. Empfindlich ist das Übel, wenn es bei objektiver Beurteilung und der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen geeignet ist, einen besonnenen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu bestimmen.X hat U den Besuch „seiner” Schlägertruppe und damit einen Nachteil angekündigt. Zwar wusste U, dass diese Schlägertruppe nicht existiert. Für eine Drohung ist allerdings nicht erforderlich, dass das Opfer sie ernst nimmt. Es reicht bereits, dass der Täter vorgibt, auf den Erfolg Einfluss zu haben und den Anschein der Ernstlichkeit erweckt. Das ist hier der Fall.Eine Mindermeinung lehnt eine Drohung ab, wenn das Opfer die Ankündigung nicht ernst nimmt. Im Ergebnis wirkt sich das aber nicht aus - dazu gleich mehr!

3. U hat seine Schulden beglichen und dadurch gehandelt (§ 240 Abs. 1 StGB).

Ja!

Nötigungserfolg kann ein Handeln, Dulden oder Unterlassen sein. Handeln meint dabei ein positives Tun.U hat €200 gezahlt und so aktiv gehandelt.

4. Liegt auch der nötigungsspezifische Zusammenhang zwischen Drohung und Nötigungserfolg (begleichen der Schulden) vor (§ 240 Abs. 1 StGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Zwischen dem Nötigungsmittel und dem Nötigungserfolg muss eine kausale Verknüpfung bestehen: Das abgenötigte Verhalten muss unmittelbare und spezifische Folge des angewandten Zwangsmittels sein. Es finden die allgemeinen Regeln der objektiven Zurechnung Anwendung.U hat sich wegen X' Ankündigung daran erinnert, dass er X noch €200 schuldet. Darum - und nicht wegen des vermeintlichen Besuchs der Schläger - hat er die Summe gezahlt. Es fehlt damit an einem nötigungsspezifischen Zusammenhang zwischen Einsatz des Nötigungsmittels (Drohung) und Nötigungserfolg (Bezahlen der Schulden).Im Ergebnis ist es damit egal, ob man, wenn das Opfer die Ankündigung nicht ernst nimmt, mit der Mindermeinung das Vorliegen einer Drohung oder mit der h.M. den nötigungsspezifischen Zusammenhang ablehnt. Jedenfalls ist es mit dem Zweck von § 240 Abs. 1 StGB vereinbar, dass der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist: Us Willensbildungsfreiheit ist hier nicht betroffen.

5. X hat den objektiven Tatbestand von § 240 Abs. 1 StGB nicht vollende. Scheidet eine weitere Strafbarkeit des X aus?

Nein!

Scheitert eine Strafbarkeit wegen vollendeter Nötigung solltest Du immer an die versuchte Nötigung denken. Diese ist nach § 240 Abs. 3 StGB strafbar.Eine Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung setzt voraus: (1) Vorprüfung: Nichtvollendung und Strafbarkeit des Versuchs (§ 240 Abs. 3 StGB) (2) Tatentschluss (3) Unmittelbares Ansetzen (4) Rechtswidrigkeit (5) Schuld (6) Kein Rücktritt

6. Hat X unmittelbar zur Nötigung angesetzt?

Genau, so ist das!

Das unmittelbare Ansetzen zur Tat prüfst Du nach dem Tatentschluss, welcher hier unproblematisch vorliegt. X wollte U drohen, der Tatbestand von § 240 Abs. 1 StGB scheitert allein daran, dass U das Geld nicht wegen der Drohung von X bezahlt und damit der nötigungsspezifische Zusammenhang fehlt.Ein unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschreitet und objektiv Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.X hat U gesagt, „seine” Schläger kämen ihn besuchen, sollte er nicht zahlen. Er hat U damit bereits gedroht. Ein unmittelbares Ansetzen zur Nötigung liegt mit dem Beginn des Einsatzes des Nötigungsmittels vor.X handelte auch rechtswidrig und schuldhaft und ist nicht vom Versuch zurückgetreten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Skywalker

Skywalker

14.3.2024, 12:34:00

Es ist durchaus umstritten, ob für eine

Drohung

im Sinne des §240 I nicht auch ein "

Drohung

serfolg"

erforderlich

ist. Im Rahmen des §249 I wird des von der h.M. gefordert. Der Täter spricht also nur dann eine

Drohung

aus, wenn sie nicht vom Opfer als "Blöff" durchschaut wird.

BEN

benjaminmeister

12.7.2024, 13:55:54

Sehe ich genauso.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

27.11.2024, 20:31:05

Hallo @[Skywalker](111103), vielen Dank für Deinen Hinweis und @[benjaminmeister](216712) für die Erinnerung. Du hast völlig Recht, dass es diese Diskussion gibt und wir haben der Vollständigkeit halber in der Aufgabe jetzt kurz darauf hingewiesen, dass das nicht unumstritten ist. Es dürfte darauf allerdings iE kaum einmal ankommen. Nach der von Dir genannten Ansicht lehnen wir schon objektiv eine

Drohung

ab. Nach der von uns vertretenen wird sich das Opfer, das die fehlende Realisierbarkeit ja erkennt, der Aufforderung des Täters in aller Regel nicht fügen - und dann fehlt es eben am Erfolg. In beiden Folgen bleibt natürlich eine Versuchsstrafbarkeit nach §§ 240 I, III, 22, 23 I StGB möglich (zum Ganzen Matt/Renzikowski/Eidam, StGB, 2. Aufl 2020, § 240 Rn 38 mwN). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

28.2.2025, 15:41:21

@[Skywalker](111103) ist das dann auch die hM (also

Nötigungserfolg

erforderlich

) dann bei 250 I lit b? Dort muss ja auch gedroht werden.

OKA

okalinkk

28.2.2025, 15:45:05

@[Sebastian Schmitt](263562) @[Skywalker](111103) Was spricht denn dafür im Rahmen von

240 StGB

im Gegensatz zu

249 StGB

auf einen

Nötigungserfolg

hinsichtlich der

Drohung

zu

verzicht

en? Ist dies die hM bei 240? Und kann man vllt so argumentieren, dass 240 lediglich ein Vergehen ist - wohingegen 249 ein Verbrechen ist, weshalb 249 restriktiver ausgelegt werden muss?


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