Bereicherung durch Naturereignis
17. Februar 2025
19 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bio-Bauer Bs Weide ist von seinen Kühen vollkommen leergegrast. Deshalb treibt er die Kühe auf die benachbarte Weide der Landwirtin L, welche ihre Weide fachmännisch pflegt. Dort grasen die Kühe nun das Gras ab. L verlangt Ersatz von B.
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Einordnung des Falls
Bereicherung durch Naturereignis
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat „etwas erlangt“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. B hat hat die ersparten Aufwendungen durch Leistung der L erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
3. B müsste in Ls Recht eingegriffen haben. Scheitert dies daran, dass die Kühe – und nicht B selbst – die Weide abgegrast haben?
Nein, das trifft nicht zu!
4. Bs Bereicherung liegt ein Rechtsgrund iSd § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zugrunde.
Nein!
5. B muss das abgegraste Gras in natura an L herausgeben (§ 818 Abs. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Faby
20.3.2022, 20:37:38
Bei der ersten Frage, ob B
etwas erlangthat, wird definiert, dass jeder Bereichungsgegenstand bei der
Nichtleistungskondiktionjeder Verwendungs-, Nutzungs- oder Eingriffserfolg eines fremden Rechts ist. In der Subsumtion wird dann gesagt, dass B Aufwendungen erspart hat. Mir fehlt für eine vollständige Subsumtion noch ein Hinweis darauf, ob damit nun ein Verwendungs-, Nutzungs- oder Eingriffserfolg vorliegt (oder nicht). Das ist mir auch bei vorherigen Fällen schon aufgefallen :)

Lukas_Mengestu
21.4.2022, 10:54:03
Hallo Faby, wir haben an dieser Stelle den Maßstab noch einmal angepasst. Sowohl bei der Leistungs- als auch der
Nichtleistungskondiktionist das erlangte Etwas im Wesentlichen eine vorteilhafte Rechtsposition (vgl. Schwab, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 812 RdNr. 1 BGB). Die weitere Unterteilung in Verwendungs-, Nutzungs- oder Eingriffserfolg bietet insoweit keinen großen Mehrwert und verwirrt letztlich mehr. Es genügt insoweit zu benennen, worin der Vorteil liegt (hier also die ersparten Futterkosten). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Irina95
1.11.2022, 10:35:34
In meinen Augen findet doch ein gesetzlicher Eigentumserwerb aufgrund von Vermischung vor, oder ist das zu abwegig? Würde dies einen Rechtsgrund für das Behalten begründen? Also das Futter im Magen der Kühe würde sich mit dem Futter von Bs Weide vermischen = gesetzlicher Eigentumserwerb.

Nora Mommsen
12.11.2022, 13:02:07
Hallo Irina95, danke für deine Frage. :) Tatsächlich ist es so, dass der Zeitpunkt der Eingriffshandlung relevant ist. Erlangtes Etwas ist schon in dem Moment erreicht, in dem die Kühe ins Gras beißen und es im Magen zwar noch vermischt wird. Wenn man darin ein Vermischen im Sinne des
§ 948 BGBsehen würde, läge dies nicht im Moment der Eingriffshandlung - nämlich des Abbeißens durch die Kühe vor - und ist somit im Hinblick auf den
bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch irrelevant. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Paulah
13.7.2024, 13:38:08
@[
Nora Mommsen](178057) Was ist denn der Unterschied zwischen Hühnern und Kühen? In dem Fall "A füttert die Hühner des E ..." verbinden sich die Hühner mit dem Futter und es ist eine Verbindung beweglicher Sachen nach § 947 Abs. 1 BGB.
Schrobl
15.9.2024, 12:29:51
Berechtigter Einwand von @[Paulah](135148), hier wäre eine konsequentere Falllösung wünschenswert. Auch ich bin hier nach dem Hühner-Fall von einem gesetzlichen Eigentumserwerb ausgegangen, der einen Rechtsgrund darstellt.

Steinfan
4.4.2024, 13:15:59
Als erlangtes Etwas wird hier auf die ersparten Futterkosten abgestellt. Hier verstehe ich nicht, weshalb dies bei der
Eingriffskondiktionanders gehandhabt wird, als bei der
Leistungskondiktion. Dort würde man (laut Jurafuchs und entgegen früherer Rspr.) erst iRd
Entreicherungauf das Ersparte gucken. Das „Etwas“ hingegen würde zunächst rein gegenständlich und nicht vermögensmäßig betrachtet. Ich würde daher die Lösung wie folgt abwandeln: „Etwas“ ist jede vorteilhafte Rechtsposition. Hierzu zählt insbesondere das Eigentumsrecht (§ 903). Ob das Erlangte als Vermögensvorteil im Vermögen des
Bereicherungsschuldners verblieben ist, etwa als ersparte Aufwendung, ist zunächst
unerheblich. Vorliegend hat sich das abgetrennte Gras mit dem Verzehr durch die Kühe mit diesen zu wesentlichen Bestandteilen der Tiere verbunden, §§ 90a S. 3, 947 I,
93 BGB. Mit der Abtrennung vom Grundstück ist das Gras eine bewegliche Sache. Die Kühe sind als „Hauptsache“ anzusehen, §§ 90a S. 3, 947 II BGB. Die Kühe standen im Eigentum des B. Dieser hat gem. §§ 90a S. 3, 947 I, II,
93 BGBkraft Gesetzes Alleineigentum an dem Gras erworben; mithin „Etwas“ im Sinne des § 812 I 1 Alt. 2 BGB. Das geschah auch „auf Kosten“ der L. Diese war Eigentümerin der Weide und daher Eigentümerin des abgetrennten Grases (vgl. §§ 953 ff. BGB). Ferner stellt der gesetzliche Eigentumserwerb gem. § 947 BGB kein Recht zum Behaltendürfen dar. Es soll lediglich die Eigentumslage geregelt werden, nicht aber die vermögensmäßige Zuordnung, was sich aus der Existenz des
§ 951 BGBergibt. Zuletzt ist B auch nicht gem.
818 III BGBentreichert
, da das Erlangte in Form ersparter Futterkosten als Gegenwert in seinem Vermögen verblieben ist. LG

Foxxy
16.8.2024, 18:12:20
Hallo Steinfan, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team
Vanilla Latte
21.7.2024, 02:24:52
"Erspartr Aufwendungen" reichen aber laut der h.L. soweit ich weiß nicht aus für "Erlangtes Etwas", sondern sind erst Thema der
Entreicherung. Worauf könnte ich stattdessen hier abstellen? Nutzung ist es nicht, da Verbrauch und kein Gebrauch.

Tobias Krapp
31.7.2024, 00:26:52
Hallo Vanilla, danke für deine Frage. In der Tat sind nach h.L.
ersparte Aufwendungenkein tauglicher Bereicherungsgegenstand, da es bei diesen nach h.L. nur darum geht, ob der Vorteil noch im Vermögen des Bereicherten vorhanden ist. Daher prüft die h.L. dies erst bei der Frage der
Entreicherung. Bereicherungsgegenstand ist stattdessen der Gebrauchsvorteil, also die Nutzung. Dies lässt sich hier durchaus übertragen: Zwar kann nicht eine Nutzung des Grases angenommen werden, da hier, wie du richtig anmerkst, ein Verbrauch vorliegt. Allerdings kann eine Nutzung des Grundstücks angenommen werden. Dann hätte B den Nutzungsvorteil an der Nachbarweide erlangt. Auch ein etwas "verrückterer" Ansatz wäre denkbar: In einem ähnlichen Fall hat aus strafrechtlicher Sicht das LG Karlsruhe (
Urteilvom 21.06.1993 - 8 AK 25/93) einen Diebstahl an dem Gras durch den Bauer angenommen. Zwar besteht die Sachqualität des Grases erst dadurch, dass es durch das Abreißen vom Boden beweglich wird und auch nur bis zu dem Augenblick, in dem es durch die Tiere verschluckt wird. Mit der Argumentation, dass die Tiere als Werkzeuge und damit quasi als “verlängerter Arm” fungierten, rechnete das LG dem Bauer aber die “Inbesitznahme” des Grases durch die Tiere zu dem Zeitpunkt, als sie das Gras in ihrem Maul hielten, zu. Wenn man das nicht nur für den Gewahrsam, sondern auch zivilrechtlich für den Besitz so sieht (der ja noch eher von Fiktionen durchzogen ist wie der Gewahrsam), könnte man sagen, B hat hier Besitz an dem Gras erlangt. Der einfachere - und aus meiner Sicht saubererer und in der Klausur weniger angreifbare Weg - wäre aber sicher die Annahme eines Nutzungsvorteils. Ich hoffe, das hat dir weitergeholfen! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias @[Wendelin Neubert](409)
hagenhubl
18.11.2024, 09:47:55
Warum gelten denn gesparte Aufwendungen nicht als etwas?

paulmachtexamen
30.12.2024, 20:15:49
@[Tobias Krapp](259492) Es wäre super, könntet ihr das noch als Vertiefungshinweis aufnehmen. So verfestigt sich das Wissen aus den Lektionen davor und man kommt nicht durcheinander. 🙏
benjaminmeister
14.1.2025, 07:45:48
@[Tobias Krapp](259492) Der BGH hat zwar in dem Flugreise-Fall als erlangtes Etwas die ersparten Aufwendungen gesehen, soweit ersichtlich wird das aber von der hL abgelehnt und auch ihr vertreter in dem einschlägigen JF-Fall letztendlich die Meinung der Literatur. Hier wäre es also stringenter, ebenfalls auf den Verbrauchsvorteil abzustellen. In einer späteren Frage/Erklärung steht außerdem, dass ein Eingriff auf Kosten des L vorliegt, weil B ZIELGERICHTET die Kühe auf die Weide schickt. Diese Schlussfolgerung finde ich irgendwie ungünstig: Für eine
Eingriffskondiktionist doch überhaupt nicht erforderlich, dass das Etwas zielgerichtet erlangt oder der Eingriff zielgerichtet erfolgt? Entscheidend ist doch nur, dass es auf Kosten des Bereicherungsgläubigers geschieht.
AJR
11.12.2024, 11:58:37
Ihr verwendet hier, wie an anderen Stellen, sicher ohne böse Absicht den Begriff "Nacht- und Nebel-Aktion". In der dt. Rechtsgeschichte ist er untrennbar verbunden mit dem Nacht-und-Nebel-Erlass, sog. Führererlass Adolf Hitlers zum Verschwindenlassen von Personen, die der Beteiligung am Widerstand gegen den Nationalsozialismus verdächtigt wurden. Erlass und Ausführung durch die Wehrmacht stellen ein Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Gerade im juristischen Kontext ist es wichtig, mehr über die rechtliche Dimension des NS zu lernen und Begriffe nicht unreflektiert und normalisierend zu verwenden.

Linne_Karlotta_
20.12.2024, 17:23:07
Hey @[AJR](239506), danke für die wichtige Kritik. Ich habe die Aufgabe jetzt entsprechend überarbeitet. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
AJR
20.12.2024, 20:30:18
@[Linne_Karlotta_](243622) cool, das freut mich sehr!