+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Auf dem Weg zur Uni verliert V unbemerkt ihren ungeschliffenen Diamanten im Wert von €2000. Juwelier J findet ihn und schleift den Stein aufwendig. So hat der Diamant einen Wert von €14.000. Später erkennt V ihren Stein bei J wieder und möchte diesen zurück.

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Einordnung des Falls

§ 951 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es könnte sein, dass J neben dem Besitz auch Eigentum erlangt hat (§ 950 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Damit J Eigentum erworben hat, müsste J durch Verarbeitung oder Umbildung eine neue Sache hergestellt haben. Durch den Schliff hat J den Wert des Stein ganz erheblich gesteigert. Auch ist der Markt für ungeschliffene, im Gegensatz zu geschliffenen Diamanten, ein anderer. Wirtschaftlich betrachtet ist also eine neue Sache entstanden. An dieser neuen Sache hat J durch Umgestaltung bzw. Verarbeitung Eigentum erworben nach § 950 Abs. 1 S. 1 BGB. J hat somit Eigentum und Besitz erlangt.
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2. J hat Eigentum am Stein nicht durch Leistung erlangt und somit „in sonstiger Weise“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

J hat Eigentum am Stein kraft Gesetzes erworben (vgl. § 950 Abs. 1 S. 1 BGB) und nicht durch Leistung. Es liegt somit ein Erwerb „in sonstiger Weise“ vor.

3. Das Tatbestandsmerkmal „auf dessen Kosten“ ist erfüllt, wenn ein Eingriff in ein fremdes Recht vorliegt.

Ja!

Eingriff bedeutet nach der herrschenden Zuweisungstheorie die Verletzung des Zuweisungsgehalts eines fremden Rechts. Es ist also auf die Rechtsposition, um die es bereicherungsrechtlich geht, abzustellen. Diese muss von der Rechtsordnung dem Gläubiger zur ausschließlichen Verfügung zugewiesen wird. Deutlich wird dies nochmal am Beispiel des Eigentums (§ 903 S. 1 BGB). Die Rechtsordnung weist hier dem Eigentümer sämtliche denkbaren Nutzungsmöglichkeiten der Sache zu. Wer in das Eigentum eingreift, begeht einen Eingriff iSd § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.

4. Es liegt ein Eingriff in ein fremdes Recht vor.

Ja, in der Tat!

Eingriff bedeutet nach der herrschenden Zuweisungstheorie die Verletzung des Zuweisungsgehalts eines fremden Rechts. Die Rechtsposition, um die es hier geht ist das Eigentum (§ 903 S. 1 BGB). Das Eigentum weist jegliche Nutzungsmöglichkeiten ausschließlich dem Eigentümer zu, also auch die Umgestaltung des Eigentums. J hat durch die Verarbeitung in Vs Eigentum eingegriffen. Ein Eingriff liegt vor.

5. Die Voraussetzung „ohne Rechtsgrund“ entspricht der gleichnamigen Voraussetzung bei der Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein!

Bei dem Tatbestandsmerkmal „ohne Rechtsgrund“ bei der Leistungskondiktion kommt es darauf an, ob ein Kausalverhältnis für die Vermögensverschiebung vorliegt (z.B. ein Kaufvertrag). Im Gegensatz dazu kommt es bei der Nichtleistungskondiktion darauf an, ob die Rechtsordnung dem Bereicherungsschuldner einen Behaltensgrund für den Bereicherungsgegenstand vorsieht. In Betracht kommen gesetzliche Behaltensgründe (gutgläubiger Erwerb, §§ 932 ff. BGB, gutgläubiger entgeltlicher Erwerb, § 816 Abs. 1 BGB) und vertragliche Behaltensgründe (z.B. Anspruch, den der eingreifende Schuldner selbst erfüllt hat).

6. In dem Eigentumserwerb des J liegt ein Behaltensgrund. Die Vermögensverschiebung ist nicht „ohne Rechtsgrund“ iSd § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Zur Beurteilung dieser Frage ist die Wertung des § 951 Abs. 1 S. 1 BGB maßgeblich. Die Norm sieht vor, dass die durch den Eigentumserwerb erlangte Bereicherung nicht endgültig ist. Der Eigentümer kraft Gesetzes hat die Bereicherung nach den §§ 812 ff. BGB herauszugeben. Es wird also auch auf die Eingriffskondiktion verwiesen. § 951 BGB würde leerlaufen, wenn der Eigentumserwerb gleichzeitig einen Behaltensgrund iSd § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB für die Bereicherung darstellen würde. Der Eigentumserwerb nach § 950 Abs. 1 S. 1 BGB stellt also keinen Behaltensgrund für die Bereicherung dar. Der Eingriff des J war ohne Rechtsgrund.

7. J hat den Diamanten in natura herauszugeben (§ 818 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich ist die Rechtsfolge des Bereicherungsanspruchs aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB die Herausgabe der Bereicherung. Allerdings schuldet J nach § 951 Abs. 1 BGB nur Vergütung in Geld. J haftet also nach § 818 Abs. 2 BGB auf Wertersatz. Er hat also den Wert des Steins (€2000) herauszugeben.
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