+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Gebrüder H wollen vom anhaltenden Rohstoffboom profitieren. Sie beschließen, ein familieneigenes Grundstück in der Münchner Schotterebene auszukiesen, um dort Kies abzubauen. Denn weil man ja nichts bauen wolle, könne dann immerhin das Bauplanungsrecht außer Acht bleiben.
Einordnung des Falls
Fallgruppen der Aufschüttungen, Abgrabungen größeren Umfangs etc i.S.d. § 29 BauGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Vorhaben muss sich an den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen messen lassen, wenn es eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 BauGB zum Gegenstand hat.
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Genau, so ist das!
Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 30 ff. BauGB ist das Vorliegen einer baulichen Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB. Sonstige Vorhaben unterliegen im unbeplanten Innenbereich, §34 BauGB, und im Außenbereich, §35 BauGB, planungsrechtlich keinen Schranken. Von Festsetzungen, die unmittelbar aus einem Bebauungsplan folgen, sind diese Vorhaben dagegen nicht freigestellt. Eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB meint eine in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbundene Anlage mit bodenrechtlicher Relevanz.
2. Die bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen finden keine Anwendung, weil keine bauliche Anlage vorliegt.
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Nein, das trifft nicht zu!
§ 29 Abs. 1 Hs. 1 BauGB erfasst nur bauliche Anlagen. Allerdings stellt § 29 Abs. 1 Hs. 2 BauGB Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie Ausschachtungen und Ablagerungen einschließlich Lagerstätten der Errichtung baulicher Anlagen i.S.d. § 29 Abs. 1 Hs. 1 BauGB gleich. Die Vorschrift unterstellt damit auch letztere den §§ 30 ff. BauGB.
3. Eine Abgrabung i.S.d. § 29 Abs. 1 Hs. 2 BaUGB liegt vor, wenn das vorgefundene Bodenniveau abgesenkt wird. Sie ist größeren Umfangs, wenn sie bodenrechtliche Relevanz hat.
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Ja!
Eine Abgrabung liegt vor, wenn das vorgefundene Bodenniveau abgesenkt wird. Eine Abgrabung ist von größerem Umfang, wenn sie bodenrechtliche Relevanz hat. Bodenrechtliche Relevanz besteht, wenn die Anlage die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen, die ihre Zulässigkeit regelt. Weil die Auskiesung Belange des Umweltschutzes, § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchstabe a), c), e) und h) BauGB, tangiert, ist sie bodenrechtlich relevant und damit eine Abgrabung größeren Umfangs. Die bauplanungsrechtlichen Vorgaben der §§ 30 ff. BauGB sind anwendbar und können nicht außer Acht bleiben.