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Jurafuchs

Bauunternehmer B plant ein Factory Outlet Center auf brach liegendem Ackergrund im Außenbereich der Gemeinde G. Finden die §§ 30 ff. BauGB Anwendung?

Einordnung des Falls

Bauliche Anlage ja nein? 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Vorhaben muss sich an den bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen messen lassen, wenn es eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 BauGB zum Gegenstand hat.

Ja, in der Tat!

Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 30 ff. BauGB ist das Vorliegen einer baulichen Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 Hs. 1 BauGB bzw. einer Fallgruppe des Hs. 2, wie eine Aufschüttung oder Abgrabung größeren Umfangs. Übrige Vorhaben unterliegen im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) und im Außenbereich (§ 35 BauGB) planungsrechtlich keinen Schranken. Im beplanten Innenbereich (§ 30 BauGB) unterliegen sie nur insoweit Grenzen, als sich für sie aus den Festsetzungen des Bebauungsplans unmittelbare Vorgaben ergeben.

2. Der bauplanungsrechtliche Anlagenbegriff entspricht dem bauordnungsrechtlichen Anlagenbegriff.

Nein!

Der bauplanungsrechtliche Anlagenbegriff erfasst Anlagen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden werden und bodenrechtliche Relevanz aufweisen. Eine Anlage im bauordnungsrechtlichen Sinne liegt dagegen vor, wenn diese fest mit dem Erdboden verbunden und aus Bauprodukten hergestellt ist.

3. Entscheidendes Differenzierungskriterium ist das Kriterium der bodenrechtlichen Relevanz.

Genau, so ist das!

Anders als beim bauordnungsrechtlichen Anlagenbegriff kommt es beim bauplanungsrechtlichen Anlagebegriff entscheidend auf die bodenrechtliche Relevanz der Anlage an (teilweise auch als planungsrechtliche oder städtebauliche Relevanz benannt). Hierin spiegelt sich der unterschiedliche Regelungszweck von Bauplanungsrecht (städtebauliche Entwicklung) und Bauordnungsrecht (Gefahrenabwehr) wider. Das Kriterium der bodenrechtlichen Relevanz ist zudem vor dem Hintergund der Verteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Länder zwingend. Denn die Gesetzgebungskompetenz des Bundes erfasst gerade nicht die Gesamtmaterie Baurecht, sondern nach Art. 74 Nr. 18 GG nur den schmalen Bereich des Bodenrechts.

4. Das Factory Outlet Center ist eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB.

Ja, in der Tat!

Der bauplanungsrechtliche Anlagenbegriff erfasst Anlagen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden werden und die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren können, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen. Maßstab dafür ist nicht das konkrete Vorhaben, sondern seine gedachte Häufung. Angesichts seiner baulichen Dimensionen, des erhöhten Verkehrsaufkommens und der Gefährdung der verbrauchernahen Versorgung in der Gemeinde G, ist das Factory Outlet Center geeignet, Belange des § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchstabe a), 8 Buchstabe a) und 9 BauGB zu tangieren.

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🦊²

🦊²

4.1.2023, 12:29:00

Hi, ich habe einige Verständnisfragen. Was sind Beispiele für übrige Vorhaben, die im beplanten Innenbereich den Festsetzungen genügen müssen? Also wie schaut ein konkretes Beispiel hierfür hinsichtlich des Vorhabens einerseits und andererseits bzgl. der Festsetzungen aus? Und woher entnimmt man die Tatsache, dass für übrige Vorhaben im beplanten Innenbereich gleichwohl der B-Plan maßgeblich ist? Lässt der Wortlaut des § 29 I BauGB nicht einen Umkehrschluss dergestalt zu, dass für alle anderen Vorhaben dann eben nicht die §§ 30- 37 BauGB gelten? ("Für Vorhaben (...) von baulichen Anlagen (...) gelten die §§ 30 - 37 BauGB") Allerbesten Dank!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.1.2023, 16:49:10

Hallo Fuchs², sehr kluge Fragen allesamt! Das BVerwG geht davon aus, dass eine bauliche Anlage nur dann ein Vorhaben im Sinne von § 29 S. 1 BauGB sein kann, wenn es der bauaufsichtlichen Genehmigungspflicht unterliegt. Fehlt es daran, so handelt es sich um ein übriges Vorhaben, dass sich nicht nach den §§ 29 ff. BauGB richtet. Dies sei zB bei einem unbefestigten Stellplatz der Fall (vgl. BVerwG, 04.03.1997 - 4 B 233/96 = NJW 1997, 2063; BeckOK BauGB/Krämer, 56. Ed. 1.9.2022, BauGB § 29 Rn. 18). Dies habe allerdings nicht zur Folge, dass das Vorhaben sich den Festsetzungen eines B-Plans gänzlich entziehen kann. Denn der B-Plan bedarf als Satzung keiner "Geltungsvermittlung", sondern enthält als gemeindliche Satzung rechtsverbindliche Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung. Für die übrigen Vorhaben bedarf es insoweit keines Rückgriffs auf die §§ 30-37 BauGB. Vielmehr kann der B-Plan für diese unmittelbar positive bzw. negative Festsetzungen enthalten. Schau Dir zur Vertiefung am besten noch einmal BVerwG, 04.03.1997 - 4 B 233/96 = NJW 1997, 2063 an (zB https://research.wolterskluwer-online.de/document/2c2a8d03-8a17-45f1-a830-9daa4491f07f). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

🦊²

🦊²

5.1.2023, 13:48:02

Vielen lieben Dank für die abermals schnelle und super aufschlussreiche Antwort! Euere Hilfestellung durch das Forum ist unermesslich! Danke! :-)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.1.2023, 17:16:24

Sehr gerne :-) das freut mich, dass wir Dir helfen konnten!

Steinfan

Steinfan

6.7.2024, 14:40:25

Hey, vielleicht noch simpler gesagt: die BauO machen die Genehmigung bzw. die Bauordnungsverfügungen von der Vereinbarkeit mit „öffentlichen Vorschriften“ abhängig. Der Bebauungsplan ist und bleibt schlicht „öffentliche Vorschrift“; unabhängig von § 29 BauGB. LG


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