Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Gläubiger- /Schuldnermehrheit

Entstehung der Gesamtschuld – Gesetzliche Anordnung 2

Entstehung der Gesamtschuld – Gesetzliche Anordnung 2

31. Mai 2025

9 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Justus (J) versucht in Berlin eine Wohnung zu finden. Vermieter V bietet ihm eine Einzimmerwohnung an, wenn J zwei Bürgen besorgt. Js Patentante P und Mutter M übernehmen die Bürgschaft. Schon im zweiten Monat kann J die Miete von €500 nicht zahlen.

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Einordnung des Falls

Entstehung der Gesamtschuld – Gesetzliche Anordnung 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn V die Mietforderung gegenüber J nicht durchsetzen kann, hat er einen Zahlungsanspruch gegen die Bürginnen M und P (§ 765 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Durch die Übernahme einer Bürgschaft verpflichtet sich der Bürge für die Verbindlichkeit des Hauptschuldners einzustehen (§ 765 Abs. 1 BGB).M und P haben sich gegenüber V als Bürgen verpflichtet, für Js Mietzins einzustehen.Beachte: Grundsätzlich muss der Gläubiger aber zunächst gerichtlich gegen den Hauptschuldner vorgehen (Vorausklage, § 771 BGB). Mehr dazu erfährst Du im Kapitel Bürgschaft!
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2. V kann von M und P lediglich die Hälfte der Mietschuld verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Verbürgen sich mehrere für dieselbe Verbindlichkeit, so haften sie als Gesamtschuldner, auch wenn sie die Bürgschaft nicht gemeinschaftlich übernehmen (§ 769 BGB).M und P haben sich beide für Js Mietverbindlichkeit verbürgt. Untereinander haften sie somit als Gesamtschuldner (§ 769 BGB).Neben § 840 BGB ist § 769 BGB ein weiterer Fall der gesetzlichen Anordnung der Gesamtschuld.

3. Wenn M den Mietzins komplett bezahlt, hat P Glück gehabt und muss nichts zahlen.

Nein!

Im Verhältnis untereinander sind die Gesamtschuldner zu gleichen Teilen verpflichtet, die Schuld zu begleichen, soweit sich im Einzelfall nichts anderes ergibt (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB).Sofern M dem V den kompletten Mietzins zahlt, hat sie gegen P einen Anspruch auf Erstattung der Hälfte der Kosten aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB.Bereits aus § 769 BGB ergibt sich, dass Mitbürgen untereinander als Gesamtschuldner haften und damit nach § 426 BGB ausgleichspflichtig sind. Der Verweis in § 774 Abs. 2 BGB stellt insoweit lediglich klar, dass daneben keine anderen Ansprüche bestehen ("nur").
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Im🍑nderabilie

Im🍑nderabilie

2.9.2022, 15:16:49

Ist das nicht merkwürdig hinsichtlich des Insolvenzrisikos, dass der eine Bürge dann noch zusätzlich unfreiwillig für den vermutlich unbekannten anderen Bürgen trägt? Oder überwiegt das Positive in Form der uU nur zur Hälfte zu zahlenden Summe?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

5.9.2022, 17:02:01

Hallo Imponderabilie, gewährt der Bürge eine Bürgschaft für die ganze

Schuld

profitiert er lediglich von weiteren Bürgen, die ebenfalls für die gesamte Forderung bürgen. Dadurch wird sein Risiko - vorbehaltlich des Insolvenzrisikos des anderen Bürgen - gemindert. Denn im Falle der Fälligkeit der Bürgschaft und der Zahlung auf die Bürgschaft, steht ihm gem. § 774 Abs. 2 BGB iV.m. § 426 Abs. 1, Abs. 2 BGB ein Ausgleichsanspruch gegen den anderen Bürgen zu. Dieser ist im Zweifel hälftig. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

ALE

Aleton

1.5.2025, 12:31:12

vllt. kommt das in den nächsten Kapiteln/Aufgaben, aber ich habe Probleme damit mir vorzustellen, wo ich genau die

Gesamtschuld

nerschaft (bzw. allgemein die

Schuld

nermehrheit) prüfen und was genau ich jetzt in der Anspruchskette normieren soll? Erwähne ich die

Gesamtschuld

nerschaft irgendwo in Anspruch entstanden als eigene Voraussetzung oder am Ende und sage, dass es sich um eine

Gesamtschuld

nerschaft handelt vor allem auch bei

Teilschuldner

schaft fällt es mir schwer zu verstehen wo ich das erwähne. Z.B. ich mache nur gegen einen

Gesamtschuld

ner einen Anspruch geltend. Wo erwähne ich das jetzt?

LMA

Lt. Maverick

5.5.2025, 19:31:31

Das hängt maßgeblich vom Anspruchsteller, Anspruchsziel und den „Problemen“ ab. Es kann sich auf die Entstehung eines Anspruchs, das Erlöschen bzw. die Durchsetzbarkeit auswirken. Liegt z.B. eine

Teilschuld

aus einem gemeinsamen Vertrag zwischen S1, S2 und dem Gläubiger vor und fordert der Gläubiger S1 zur Zahlung des gesamten Kaufpreises iHv €500 auf, dann müsste man bei der Anspruchsentstehung prüfen, ob der Anspruch in der Höhe gegen S1 überhaupt entstanden ist. (Hier bietet es sich an zwischen

Gesamtschuld

,

Teilschuld

und gemeinschaftlicher

Schuld

zu unterscheiden.) Zwar hat S1 mit dem Gläubiger einen Kaufvertrag abgeschlossen, jedoch kann der Anspruch auf den vereinbarten Anteil von 1/2 beschränkt sein. Dann wäre der Anteil z.B. nur iHv €250 entstanden. Hat S1 seinen Anteil von €250 gezahlt, dann wäre der Anspruch des Gläubigers gegen S1 gemäß § 362 I BGB erloschen. Es sind nämlich zwei getrennte Forderungen, die der Gläubiger schlimmstenfalls getrennt einklagen müsste. Der Gläubiger kann aber selbst S1 nach Zahlung §

320 BGB

entgegenhalten, solange S2 seinen Anteil nicht zahlt, weil er aus einem

Rechtsverhältnis

(dem Kaufvertrag) seine Leistung

schuld

et. Dann kann bei einer

Gesamtschuld

eine

Legalzession

nach § 426 II S. 1 BGB gegeben sein. S1, der gezahlt hatte, erlangt dann nach § 426 II S. 1 BGB die Kaufpreisforderung gemäß § 433 II BGB gegen S2. Auch hier müsste man dann bei der Anspruchsentstehung prüfen, ob S1 den Gläubiger befriedigt hat, zu welchem Anteil S2 im Innenverhältnis zu S1 den Kaufpreis ausgleichen muss. Hat S1 die Forderung erfüllt, dann wäre der Anspruch des Gläubigers gegen S2 erloschen (§§ 422 I S. 1, 362 I BGB). Dann kommen Probleme zu

Gestaltungsrechte

n der einzelnen

Schuld

ner hinzu, die an der eben passenden Stelle geprüft werden müssen.


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