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Haftung der Erzeugnisse und getrennten Bestandteile – 2. Entfernung nach Beschlagnahme und Veräußerung

Haftung der Erzeugnisse und getrennten Bestandteile – 2. Entfernung nach Beschlagnahme und Veräußerung

12. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E gehört ein Hausgrundstück auf dem eine Hypothek lastet. Im Haus ist eine Einbauküche eingebaut, die E an K veräußert. Das Gericht ordnet die Zwangsversteigerung an, der Versteigerungsvermerk ist im Grundbuch eingetragen. Nun holt der unwissende K die Küche vom Grundstück des E ab.

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Einordnung des Falls

Haftung der Erzeugnisse und getrennten Bestandteile – 2. Entfernung nach Beschlagnahme und Veräußerung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Einbauküche ist Zubehör (§ 97 BGB) des Hauses.

Ja!

Zubehör sind bewegliche Sachen, die nicht Bestandteil der Hauptsache sind, und die dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache zu dienen bestimmt sind und zu ihr in einer dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (§ 97 BGB). Die Hauptsache ist hier das Einfamilienhaus. Die Einbauküche dient dem wirtschaftlichen Zweck des Hauses und steht zu diesem in einem räumlichen Verhältnis. Zu beachten sind jedoch auch regional abweichende Verkehrsauffassungen, die die Zubehöreigenschaft einer Einbauküche ausschließen können. Letztlich ist die Einordnung einer Einbauküche als Zubehör eine Einzelfallfrage. Da hier keine Angaben zur Verkehrsauffassung vorliegen, ist die Zubehöreigenschaft anzunehmen.
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2. Die Küche gehört zum Haftungsverband der Hypothek.

Genau, so ist das!

Nach § 1120 Hs. 1 BGB sind auch Zubehörgegenstände (§ 97 BGB) Haftungsgegenstände der Hypothek. Der Haftungsverband der Hypothek erstreckt sich also auch auf Zubehör.

3. Nach erfolgter Beschlagnahme ist eine Enthaftung stets ausgeschlossen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Beschlagnahme bewirkt zwar, dass eine Enthaftung durch bloße Veräußerung und Entfernung des Gegenstands vom Grundstück (§ 1121 Abs. 1 BGB) nicht mehr möglich ist und für die Gegenstände ein relatives Veräußerungsverbot (§§ 136, 135 Abs. 1 BGB) besteht. Die Enthaftung ist jedoch weiterhin nicht ausgeschlossen: Es besteht die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs, entweder nach §§ 136, 135 Abs. 2, 932ff. BGB, oder nach § 1121 Abs. 2 S. 1 BGB. Zudem kann eine Enthaftung stattfinden, wenn die Entfernung des Gegenstands auch nach Beschlagnahme in den Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft erfolgte, § 1122 BGB.

4. K hat gegenüber dem Hypothekar Eigentum an der Küche nach § 929 S. 1 BGB erlangt.

Nein!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. E und K haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. E hat K die Küche übergeben. E und K waren zum Zeitpunkt der Übergabe einig, dass das Eigentum an E übergehen soll. E war auch verfügungsbefugt. Die Verfügung verstößt jedoch nach § 136, 135 Abs. 1 BGB aufgrund der Beschlagnahme gegen ein gesetzliches Veräußerungsverbot und ist damit gegenüber dem Hypothekar relativ unwirksam. Gegenüber E hat K daher kein Eigentum erlangt.

5. K hat gegenüber dem Hypothekar gutgläubig Eigentum nach §§ 929 S. 1. 136, 135 Abs. 2 BGB, 932ff. BGB an der Küche erlangt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die §§ 932 ff. BGB sind hier nicht anwendbar, da § 1121 Abs. 2 BGB eine abschließende Sonderregelung für den Fall enthält, dass die Entfernung des Gegenstands als letzte Handlung nach der Beschlagnahme und nach Veräußerung erfolgt. Die §§ 932 ff. BGB sind hingegen anwendbar, wenn die Veräußerung des Gegenstands nach Beschlagnahme die letzte Handlung darstellt.

6. K hat gegenüber dem Hypothekar gutgläubig Eigentum nach §§ 929 S. 1, 1121 Abs. 2 S. 1 BGB an der Küche erlangt.

Nein, das trifft nicht zu!

Damit die Küche enthaftet würde und K damit gegenüber dem Hypothekar gutgläubig Eigentum erwirbt, müsste er hinsichtlich der Beschlagnahme gutgläubig gewesen sein, § 1121 Abs. 2 S. 2 BGB. K wusste zwar nichts von der Beschlagnahme. Zu beachten ist jedoch § 23 Abs. 2 ZVG: Ist, wie hier, der Versteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen, so liegt Bösgläubigkeit ab dem Zeitpunkt der Eintragung des Versteigerungsvermerks im Grundbuch vor, unabhängig von der tatsächlichem Kenntnis des Erwerbers.

7. § 1121 bewirkt gegenüber den §§ 932ff. BGB eine Verschiebung bzgl. des Anknüpfungspunkts der Gutgläubigkeit.

Ja!

Nach §§ 135 Abs. 2, 932ff. BGB müsste Gutgläubigkeit im Zeitpunkt der Verfügung, also der Veräußerung vorliegen. § 1121 verlegt diesen Zeitpunkt nach hinten, wenn die letzte Handlung nicht die Veräußerung, sondern die Entfernung ist. Die Regelung ist notwendig, da die Entfernung des Gegenstands vom Grundstück als Realakt keine Verfügung darstellt und § 135 Abs. 2 BGB damit nicht anwendbar ist. § 1121 BGB verdrängt damit in seinem Anwendungsbereich (Entfernung als letzte Handlung) die §§ 932 ff. BGB.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Gero1

Gero1

4.6.2021, 20:31:10

Verstehe ich es richtig, dass der Gesetzgeber in solchen Situationen also mittelbar vom Käufer verlangt, er habe sich beim Grundbuchamt zu informieren, um

tat

sächlich Eigentum zu erwerben? Klingt für mich ziemlich unrealistisch 😅

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.6.2021, 00:27:52

In der

Tat

, zumindest in den Fällen, in denen die Einbauküche als

Zubehör

des Grundstücks einzuordnen ist. Da eine Küche oftmals auch keine ganz günstige Anschaffung ist, dürfte sich der Blick ins Grundbuch durchaus lohnen, wenn man auf Nummer sicher gehen will :D

MAUF

Maurice Fritz

21.4.2023, 11:27:27

Eine ergänzende Frage: Welche Bedeutung hat denn der §1121 Abs. 2 Satz 1?

ajboby90

ajboby90

10.4.2024, 23:43:21

Das habe ich mich auch gefragt. Es muss wohl so sein, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass jemand der ein

Zubehör

teil von einem Grundstück erwirbt, die Pflicht hat sich zu informieren ob das

Zubehör

nicht zum Haftungsverband einer Hypothek gehört. Jedenfalls solange es in räumlicher Beziehung zum Grundstück steht ... nach der Entfernung kann er das nicht wissen.

CR7

CR7

6.8.2024, 12:07:23

Machen wir uns nicht vor, dass das nicht so leicht zugänglich ist beim ersten Mal. Ich teile hier gern mal meinen Spickzettel, der im Wesentlichen auf MüKo/Lieder, BGB, 2023, § 1121 Rn. 22-34 beruht und auf diesem Video: https://www.youtube.com/watch?v=xDyLqx0YXEI&t=2603s Und die Aufgaben bei JF finde ich sehr gut! Vertiefte Zusammenfassung:

Haftungsverband der Hypothek

und

Enthaftung

1. Was ist der Haftungsverband einer Hypothek? Der Haftungsverband einer Hypothek umfasst all jene Gegenstände, die zur Sicherung der Hypothek dienen. Dies ist in

§ 1120 BGB

geregelt und beinhaldet: a) Das Grundstück selbst: Dies ist selbstverständlich und bedarf keiner weiteren Erklärung. b)

Wesentliche Bestandteile

des Grundstücks (§§ 93, 94 BGB): - Dies sind Sachen, die fest mit dem Grundstück verbunden sind. - Beispiel: Ein Haus auf dem Grundstück ist rechtlich kein eigenständiger Gegenstand, sondern Teil des Grundstücks. c) Erzeugnisse des Grundstücks (§ 99 BGB): - Solange sie nicht getrennt sind, gelten sie als Bestandteile. - Nach der Trennung fallen sie nur in den Haftungsverband, wenn sie im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen (§ 953 BGB). d)

Zubehör

des Grundstücks (§§ 97, 98 BGB): - Bewegliche Sachen, die dem wirtschaftlichen Zweck des Grundstücks dienen. - Beispiel: Ein Traktor auf einem Bauernhof. Wichtig: Der Haftungsverband erstreckt sich auch auf Miet- und Pachtzinsforderungen (§ 1123 BGB) sowie Versicherungsforderungen (§ 1

127 BGB

). 2. Welche Phasen gibt es im Kontext der

Enthaftung

? Im Kontext der

Enthaftung

sind drei Ereignisse von zentraler Bedeutung: 1. Veräußerung (V): Die dingliche

Übereignung

einer beweglichen Sache, ohne dass das Grundstück mitübereignet wird. 2. Entfernung (E): Die dauerhafte räumliche Trennung der Sache vom Grundstück. 3.

Beschlagnahme

(B): Der Beginn der Zwangsvollstreckung, in der Regel durch Anordnung der Zwangsversteigerung (§ 20 ZVG). Die

Beschlagnahme

bewirkt ein relatives Veräußerungsverbot (§ 23 Abs. 1 ZVG). 3. Wie kann man diese Phasen einteilen? Die möglichen Reihenfolgen lassen sich nach dem jeweils letzten Ereignis kategorisieren: 1.

Beschlagnahme

zuletzt: V-E-B und E-V-B 2. Entfernung zuletzt: V-B-E und B-V-E 3. Veräußerung zuletzt: E-B-V und B-E-V Eine Sonderkonstellation ist V-B-E, bei der die

Beschlagnahme

zwischen Veräußerung und Entfernung erfolgt. 4. Welche Rechtsfolgen haben die verschiedenen Phasen? a)

Beschlagnahme

zuletzt (V-E-B und E-V-B): -

Enthaftung

tritt ein nach § 1121 Abs. 1 BGB - Guter Glaube des Erwerbers ist irrelevant - Begründung: Die Sache hat den Haftungsverband bereits verlassen, bevor die

Beschlagnahme

wirksam wurde b) Entfernung zuletzt (V-B-E oder B-V-E): -

Enthaftung

nach § 1121 Abs. 2 S. 2 BGB möglich - Guter Glaube des Erwerbers bei der Entfernung ist entscheidend - Maßgeblicher Zeitpunkt für den guten Glauben ist die Entfernung, nicht die Veräußerung c) Veräußerung zuletzt (E-B-V oder B-E-V): - Zwei Möglichkeiten: 1. Wenn die Entfernung § 1

122 BGB

erfüllt (im Rahmen ordnungsmäßiger Wirtschaft):

Enthaftung

tritt ein 2. Wenn nicht:

Gutgläubiger Erwerb

bezüglich des Veräußerungsverbots möglich (§§ 135, 136,

932

ff. BGB) d) Sonderfall (V-B-E): - § 1121 Abs. 2 S. 1 BGB verhindert gutgläubigen lastenfreien Erwerb - Verfügung wird nachträglich relativ unwirksam -

Enthaftung

nur bei Gutgläubigkeit bezüglich der

Beschlagnahme

möglich → Vertiefung: Ausgangslage (V-B-E): Veräußerung erfolgt zuerst Dann kommt die

Beschlagnahme

Zuletzt erfolgt die Entfernung Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs: Auch hier ist ein

gutgläubiger Erwerb

möglich, aber er bezieht sich auf die

Beschlagnahme

, nicht auf die Hypothek. § 1121 Abs. 2 S. 2 BGB ist hier anwendbar. Entscheidender Zeitpunkt: Der maßgebliche Zeitpunkt für den guten Glauben ist hier die Entfernung, nicht die Veräußerung. Der Erwerber muss also bei der Entfernung gutgläubig in Bezug auf die

Beschlagnahme

sein. Voraussetzungen für den gutgläubigen Erwerb: Der Erwerber darf im Moment der Entfernung keine Kenntnis von der

Beschlagnahme

haben. Er darf auch nicht grob fahrlässig unwissend sein. Wichtig zu beachten: Ein Versteigerungsvermerk im Grundbuch würde den guten Glauben ausschließen (§ 23 Abs. 2 ZVG). Der gute Glaube bezieht sich nur auf die

Beschlagnahme

, nicht auf die Existenz der Hypothek. Wirkung bei erfolgreichem gutgläubigen Erwerb: Wenn der Erwerber gutgläubig ist, erwirbt er das Eigentum frei von der Hypothek. Die Sache scheidet aus dem Haftungsverband aus (

Enthaftung

). 5. Wie kann man problematische Situationen überwinden? a) Bei

Beschlagnahme

vor Entfernung: -

Gutgläubiger Erwerb

möglich, wenn der Erwerber die

Beschlagnahme

nicht kannte (§ 1121 II S. 2 BGB) - Achtung: Versteigerungsvermerk im Grundbuch schließt guten Glauben aus (§ 23 Abs. 2 ZVG) b) Bei Entfernung vor

Beschlagnahme

: -

Enthaftung

nach § 1

122 BGB

, wenn Entfernung im Rahmen ordnungsgemäßer Wirtschaft - Sonst:

Gutgläubiger Erwerb

hinsichtlich des Veräußerungsverbots möglich, welches durch die

Beschlagnahme

entsteht c) Generell: - Guter Glaube bezieht sich nur auf die

Beschlagnahme

oder das Veräußerungsverbot, nicht auf die Hypothek - §

936 BGB

(

gutgläubiger lastenfreier Erwerb

) ist nicht anwendbar 6. Auch auf Grundschuld übertragbar? 5. Die Regelungen gelten über § 1192 Abs. 1 BGB auch für Grundschulden. 7. Mögliche Klausurkonstellationen 1. Prüfung des Duldungsanspruchs nach §

1147 BGB

2. Verhinderung der

Enthaftung

durch die Bank (§§ 1134, 1135 BGB) 3. Schadensersatzansprüche bei erfolgter

Enthaftung

(§ 823 BGB) 4. Zwangsvollstreckungsrechtliche Probleme (z.B.

Drittwiderspruchsklage

nach § 771 ZPO)

CR7

CR7

6.8.2024, 12:08:42

Sorry, die Formatierung hat es leider nicht übernommen. :/

STE

Stella

16.8.2024, 13:37:27

Wow richtig toller Kommentar, danke!! Hab es so aufgeschlüsselt

tat

sächlich noch viel besser verstehen können :)

FL

Flohm

24.10.2024, 12:45:47

Vielen vielen Dank @[CR7](145419) ! Die Jura-Fuchs-Community ist einfach klasse

KUH

kuhle_acocado

26.11.2024, 18:34:34

Vielen herzlichen Dank dir für diesen äußerst wertvollen Beitrag!!

frausummer

frausummer

9.10.2024, 08:42:33

Vielleicht ist es noch zu früh für meinen Kopf, aber in § 1211 II 2 steht doch, dass der Erwerber in Ansehnung der

Beschlagnahme

NICHT in gutem Glauben ist. Weshalb kann er dann das Eigentum erwerben, wenn er gutgläubig war?

LELEE

Leo Lee

13.10.2024, 06:29:16

Hallo frausummer, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der

Tat

steht in der Norm, dass die

Beschlagnahme

vor Entfernung nur dann wirksam ist, wenn der Erwerber NICHT gutgläubig war. D.h., wenn er bei Entfernung um die

Beschlagnahme

in dem Moment wusste, kann er sich nicht hierauf berufen. Wenn er aber gerade gutgläubig war, dann ist eben die

Beschlagnahme

ihm ggü. NICHT wirksam (denn dafür muss er ja gerade NICHT gutgläubig sein). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Rn. 22 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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