Zivilrecht

Sachenrecht

Grundpfandrechte

Bezugspunkt der Gutgläubigkeit

Bezugspunkt der Gutgläubigkeit

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S ist Hypothekenschuldner, G Hypothekengläubiger. Der Hypothek haftet ein LKW. Die Beschlagnahme erfolgt. S entfernt den LKW vom Grundstück. Zwei Tage später veräußert S den LKW an K. K wusste nichts von der Beschlagnahme, von der Hypothek hingegen schon.

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Einordnung des Falls

Bezugspunkt der Gutgläubigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Enthaftung richtet sich hier nach § 1121 Abs. 2 BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Da die Veräußerung als letzte Handlung, auf die abzustellen ist, eine Verfügung im Sinne von § 135 Abs. 1 BGB darstellt, ist § 135 Abs. 2 BGB anzuwenden, der auf die §§ 932 ff. BGB verweist.
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2. Zur Enthaftung muss K auch in Ansehung der Hypothek gutgläubig sein.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach herrschender Auffassung ist nicht erforderlich, dass der Erwerber neben der Gutgläubigkeit bezüglich der Beschlagnahme auch gutgläubig im Hinblick auf das Bestehen der Hypothek sein muss. Dies erklärt sich daraus, dass die §§ 1120 ff. BGB sogar nach der durch die Beschlagnahme eingetretenen Haftungsaktualisierung einen gutgläubigen Erwerb zulassen. Dann erscheint es aber widersprüchlich, wenn dem Erwerber schon die bloße Kenntnis von der vor Beschlagnahme lediglich potentiell bestehenden Haftung schadete.

3. Der LKW ist aufgrund Enthaftung gegenüber K nicht mehr Bestandteil des Haftungsverbands der Hypothek.

Ja!

K war bezüglich der Beschlagnahme gutgläubig (§ 932 Abs. 2 BGB): Er hatte keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der erfolgten Beschlagnahme, noch gilt er wegen § 23 Abs. 2 ZVG als bösgläubig, da kein Versteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DI

divenir

26.6.2022, 15:22:25

Mir ist nicht ganz klar wieso hier mit einem Wertungswiderspruch zu 1120 ff. argumentiert wird, wenn vorher festgestellt wird, dass 1121 II diese Konstellation gar nicht erfasst und daher 136, 135 II, 932 ff. BGB maßgeblich sind.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.7.2022, 18:55:19

Hallo divenir, zwar wird diese Konstellation nicht erfasst von § 1120 ff. BGB sondern unterliegt wie von dir richtig dargestellt den §§ 135 Abs.2, 932 ff. BGB. Allerdings ist es so, dass § 1120 ff. BGB m

ehre

re Konstellationen regeln, in denen eine

Enthaftung

aus dem Hypothekenverband eintreten kann (also ohne Berechtigung, denn eigentlich beschränkt der Hypothekenhaftungsverband die Verfügungsberechtigung.) Vergleicht man also die beiden Situationen, lässt sich argumentieren, dass wenn schon bei tatsächlicher Beschlagnahme eine

Enthaftung

möglich sein soll, dies erst recht gelten muss für eine Situation in der die Beschlagnahme möglicherweise in Zukunft eintritt. Daran kann keine strengere Anforderung gestellt werden, als wenn es sogar schon zur Beschlagnahme gekommen ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

LS2024

LS2024

10.7.2024, 12:17:50

Ich verstehe es so, dass durch die Beschlagnahme ein (Pfändungs-)Pfandrecht an der Sache begründet wird. Damit müsste doch nicht nur nach §§ 932 ff. gutgläubig hinsichtlich der Verfügungsbeschränkung erworben werden, sondern auch lastenfrei nach §

936 BGB

, also ohne das Pfandrecht? So verstehe ich auch BeckOGK/Kern, 1.5.2024, BGB § 1121 Rn. 36

CR7

CR7

5.8.2024, 22:55:57

Da machst du die Büchse der Pandora auf, weil das umstritten ist. In den meisten Kommentaren wird die hM vertreten, nämlich, dass sich der gute Glaube nur auf die Beschlagnahme beziehen muss (Grüneberg/Herrler § 1121 Rn. 7; MüKoBGB/Lieder § 1121 Rn. 34; Staudinger/Wolfsteiner § 1121 Rn. 20, HK-BGB/Staudinger BGB § 1121 Rn. 6). Wenn doch schon der Wortlaut im § 1121 II S. 2 Hs. 2 BGB davon spricht, dass er nur in Ansehung der Beschlagnahme nicht bösgläubig sein darf, warum sollte man es über die fehlende Bösgläubigkeit hinsichtlich des Grundpfandrechts noch schwieriger machen? würde hier den Erwerber schützen wollen und rein auf die Bösgläubigkeit hinsichtlich der Beschlagnahme abstellen, zumal in der Praxis die Vermerke nach § 23 II ZVG erfolgen und das ja schon quasi eine "Generalbösgläubigkeit" begründet.

LS2024

LS2024

6.8.2024, 13:39:31

Danke für deine Antwort @[CR7](145419). Danke für die Fundstellen. Finde das sehr verwirrend. Außer dem HK-BGB/Staudinger erwähnt ja niemand, dass es strittig ist. Und soweit ich gesehen habe wird auch nirgendwo mit Argumenten diskutiert, sondern schlicht die eigene Auffassung als gegeben vorausgesetzt. Zudem verweist Schulze dafür, dass es sich um die hM handelt etwa auf den Staudinger/Wolfsteiner, der in Rn. 18, 22 (nach meinem Verständnis) die Auffassung vertritt, dass es hinsichtlich des lastenfreien Erwerbs auf §

936 BGB

und damit die Gutgläubigkeit hinsichtlich des Pfandrechts ankommt. Ah doch: Ich habe mich ein bisschen durch die Bibliothek gewälzt und letztlich Plander in: JuS 1975, 345 ff. BGB gefunden. Dort wird die hM mit guten Argumenten untermauert und erklärt. Allgemein eine sehr schöne Übersicht über den

Haftungsverband der Hypothek

. Falls du auch so verwirrt warst wie ich, kann ich dir den sehr ans Herz legen.

CR7

CR7

6.8.2024, 16:33:34

Danke dir!

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

7.9.2024, 17:28:38

Hallo @[LS2024](144077), halo @[CR7](145419), vielen Dank Euch beiden für die wertvolle Diskussion! Ihr habt das Ergebnis hier sehr schön und sogar mit umfangreicher Literaturrecherche hergeleitet, von meiner Seite gibt es deswegen nichts zu ergänzen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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