Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Annahmeverzug, § 293 ff. BGB

Annahmeverzug beim Dienstvertrag, § 615 S. 1 BGB

Annahmeverzug beim Dienstvertrag, § 615 S. 1 BGB

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S will ihr Portugiesisch aufbessern und nimmt bei L Einzelstunden (€40/h). Diese finden bei S zuhause statt. Als S erkrankt, ruft sie L an und sagt den vereinbarten Termin eine Stunde vorher ab. L wünscht ihr gute Besserung. Das Geld für den Termin will L dennoch.

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Einordnung des Falls

Annahmeverzug beim Dienstvertrag, § 615 S. 1 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hat sich verpflichtet, für den erhaltenen Portugiesischunterricht zu bezahlen.

Ja, in der Tat!

Bei einem Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet (§ 611 BGB). In Abgrenzung zum Werkvertrag wird ein ordnungsgemäßes Tätigwerden und kein Erfolg geschuldet.Bei der Vereinbarung, dass L der S Sprachunterricht in Portugiesisch gibt, handelt es sich um einen Dienstvertrag, durch den sich L verpflichtet, S Portugisisch beizubringen. Im Gegenzug schuldet S für die Stunden die vereinbarte Vergütung.
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2. Da S nicht erschienen ist, ist Ls Leistungpflicht wegen Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) ausgeschlossen. Gleichzeitig ist ihr Anspruch auf Vergütung erloschen (§ 326 Abs. 1 BGB).

Nein!

Die Leistungspflicht des Schuldners ist ausgeschlossen, wenn die Leistungserbringung unmöglich geworden ist (§ 275 Abs. 1 BGB). Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Leistungspflicht ein dauerhaftes und unüberwindbares Hindernis entgegensteht. Da L die Unterrichtsstunde nachholen kann, liegt kein dauerhaftes Leistungshindernis und damit keine Unmöglichkeit vor. Entsprechend entfällt der Vergütungsanspruch nicht nach § 326 Abs. 1 BGB.

3. L hat einen Anspruch auf Vergütung der ausgefallenen Stunde nach § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist die Leistungspflicht ausgeschlossen, so bleibt die Gegenleistungspflicht dennoch erhalten, wenn sich (1) der Gläubiger im Annahmeverzug befindet und (2) der Schuldner die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat (§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB).§ 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB setzt voraus, dass die Leistungspflicht durch Unmöglichkeit erloschen ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da L die Sprachstunde auch zu einem späteren Zeitpunkt geben kann.

4. L könnte aber einen Anspruch auf Vergütung der ausgefallenen Stunde nach § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 615 S. 1 BGB haben.

Ja, in der Tat!

Befindet sich der Dienstberechtigte im Annahmeverzug, so kann der Dienstverpflichtete die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein (§ 615 S. 1 BGB). Ersparte Aufwendungen oder anderweitige Einnahmemöglichkeiten muss sich der Dienstverpflichtete aber anrechnen lassen (§ 615 S. 2 BGB).Sofern sich S im Annahmeverzug befand, kann L Vergütung der ausgefallenen Stunde verlangen.

5. Ls Leistung war möglich und erfüllbar (§ 293 BGB).

Ja!

Solange die Leistungspflicht nicht wegen Unmöglichkeit nach § 275 BGB ausgeschlossen ist, ist die Leistung möglich. Erfüllbar ist sie, sobald der Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu erbringen.L kann ihre Leistung anbieten und ist berechtigt, diese zu dem vereinbarten Zeitpunkt zu erbringen.

6. L hat ihre Leistung tatsächlich angeboten (§ 294 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein tatsächliches Angebot liegt vor, wenn der Schuldner die Leistung so, wie sie zu bewirken ist, dem Gläubiger tatsächlich anbietet (§ 294 BGB).L war verpflichtet, die Sprachstunden in der Wohnung der S zu geben. Da sie nicht zu S gefahren ist, hat sie die Leistung nicht tatsächlich angeboten.

7. L hat ihre Leistung wörtlich angeboten (§ 295 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Ausnahmsweise genügt für den Annahmeverzug ein wörtliches Angebot des Schuldners, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde. Für ein wörtliches Angebot genügt es, dass der Schuldner ausdrücklich oder schlüssig erklärt, er wolle die geschuldete Leistung so, wie sie geschuldet ist, bewirken.Zwar hat S durch die Absage klar zu erkennen gegeben, dass sie die Leistung nicht annehmen werde. L hat aber weder ausdrücklich noch konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie die Leistung anbiete. Vielmehr hat sie S lediglich gute Besserung gewünscht.

8. Ein Angebot der L war entbehrlich.

Ja!

Ein Angebot ist nicht nur in den Fällen des § 296 BGB entbehrlich. Vielmehr ergibt sich aus Treu und Glauben (§ 242 BGB), dass dies auch dann nicht erforderlich ist, wenn der Gläubiger erkennen lässt, dass er unter keinen Umständen bereit ist, die Leistung entgegenzunehmen.S hat klar zu erkennen gegeben, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung die Sprachstunde nicht wahrnehmen kann. Ein Angebot der L war somit entbehrlich.

9. L kann von S die Vergütung der ausgefallenen Stunde verlangen.

Genau, so ist das!

Befindet sich der Dienstberechtigte im Annahmeverzug, so kann der Dienstverpflichtete die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein (§ 615 S. 1 BGB). Ersparte Aufwendungen oder anderweitige Einnahmemöglichkeiten muss sich der Dienstverpflichtete aber anrechnen lassen (§ 615 S. 2 BGB).S befand sich im Annahmeverzug. Aufgrund der kurzfristigen Absage konnte L auch keine anderen Einnahmen generieren. Sie hat insoweit einen Anspruch auf die vereinbarte Vergütung (ggfs. abzüglich etwaiger Fahrtkosten).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Sambajamba10

Sambajamba10

30.5.2023, 09:10:34

Woah, irgendwie widerspricht das voll meinem laienhaften Rechtsgefühl😂

Nora Mommsen

Nora Mommsen

31.5.2023, 12:20:57

Hallo Sambajamba10, man glaubt in den ersten Semestern manchmal gar nicht was so "Recht" ist, bis es einem in Fleisch und Blut übergeht. Aber sicher nicht unpraktisch auch als Laie die ein oder andere Idee zu bekommen, wie es funktioniert. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Denislav Tersiski

Denislav Tersiski

19.2.2024, 20:29:42

Wieso liegt beim konkreten vereinbarten Termin kein

absolutes Fixgeschäft

mit der Folge der Unmöglichkeit bei Nichtwahrnehmung des Termins vor? 275 I BGB.

LUC1502

luc1502

3.3.2024, 17:03:46

Bei der Annahme eines absoluten

Fixgeschäft

s sollte man idR sehr vorsichtig sein. Als kleine Merkhilfe dient insoweit der Satz: Hat der G auch noch nach Verstreichen des Zeitraums/-Punkts ein Interesse an der Leistung. Wenn nein, dann spricht das für ein

absolutes Fixgeschäft

. Wenn ja, dann kein

absolutes fixgeschäft

. Und hier sehe ich im SV keine Anhaltspunkte, dass eine Unterrichtsstunde nach dem ZP für die Gläubigerin komplett sinnlos wäre. Dementsprechend hätte man keine Unmöglichkeit. Ich hoffe, das hilft dir weiter


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