Veräußerungskette

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

E kauft ein Buch von S, welches S dem G gestohlen hat. Davon weiß E allerdings nichts. E gefällt das Buch wider Erwarten nicht. Sie (E) verkauft es weiter an die gutgläubige F. G verlangt von E Herausgabe des Veräußerungserlöses.

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Einordnung des Falls

Veräußerungskette

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Möglicherweise kann G den durch den Verkauf erzielten Erlös von E herausverlangen (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist gegeben, wenn eine (1) Verfügung (2) eines Nichtberechtigten vorliegt. Diese Verfügung muss (3) gegenüber dem Berechtigten wirksam sein. Hierbei kann sich eine Wirksamkeit der Verfügung ausschließlich aus einem gutgläubigen Erwerb des Verfügungsempfängers (§§ 929 S. 1, 932 BGB) oder aus einer Genehmigung (§ 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB) der Verfügung durch den Berechtigten ergeben.
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2. Es liegt eine wirksame Verfügung der S an E vor.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Wirksamkeit der Verfügung kann sich ausschließlich aus einem gutgläubigen Erwerb des Verfügungsempfängers (§§ 929 S. 1, 932 BGB) oder aus einer Genehmigung (§ 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB) der Verfügung durch den Berechtigten ergeben. Ein gutgläubiger Erwerb (§§ 929 S. 1, 932 BGB) der E scheitert jedenfalls daran, dass das Buch gestohlen ist. Das Buch ist abhandengekommen (vgl. § 935 Abs. 1 S. 1 BGB). Eine Genehmigung ist nicht ersichtlich. Insbesondere kommt auch keine konkludente Genehmigung des Geschäfts durch G in Betracht. G hat das Geld von E gefordert.

3. F hat gutgläubig von E das Eigentum und den Besitz an dem Buch erlangt.

Nein!

Auch hier greift § 935 Abs. 1 S. 1 BGB: Das Buch ist abhandengekommen. Ein gutgläubiger Erwerb kommt nicht in Betracht.

4. G kann den Veräußerungserlös ausschließlich von dem ersten Glied in der Veräußerungskette herausverlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Liegt eine Veräußerungskette vor, kann der Berechtigte sich die Veräußerung aussuchen, die er genehmigt. G muss also nicht die Verfügung von S an E genehmigen. Sie kann auch die Verfügung der E an F genehmigen. Dies steht in ihrem Belieben. Warum ist das praktisch für den Anspruchsinhaber? Es kann von Interesse sein, wenn ein Veräußerer in der Veräußerungskette vermögenslos ist oder einen höheren Erlös erzielt hat. Eine Genehmigung ist auch dann noch möglich, wenn der Gegenstand zum Zeitpunkt der Genehmigung etwa zerstört ist oder ein Dritter nach den §§ 946 ff. BGB Eigentum erworben hat.

5. Es liegt eine wirksame Verfügung der E an F vor, nachdem G von E Herausgabe des Erlöses verlangt hat.

Ja, in der Tat!

Der Berechtigte kann die Verfügung ausdrücklich oder konkludent genehmigen. Ob eine konkludente Genehmigung vorliegt ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). G hat die Verfügung explizit genehmigt. G hat zudem nur im Falle einer wirksamen Verfügung der E einen Anspruch auf Herausgabe des erlangten Erlöses gegen E. Selbst ohne ausdrückliche Genehmigung wäre deshalb jedenfalls sein Herausgabeverlangen dahingehend auszulegen, dass er die Veräußerung von E an F (konkludent) genehmigen möchte. Die Genehmigung wirkt auf den Zeitpunkt der Verfügung zurück, also ex tunc. Eine Einwilligung ist eine Zustimmung vor Vornahme des Geschäfts. Die Genehmigung ist eine Zustimmung nach der Vornahme. Die Zustimmung ist der Oberbegriff.

6. E hat G den Veräußerungserlös herauszugeben.

Ja!

E hat als Nichtberechtigte wirksam über das Eigentum der Berechtigten (G) verfügt. G hat deshalb einen Anspruch auf Herausgabe des aus der Verfügung Erlangten, also des Veräußerungserlöses.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

antoniasophie

antoniasophie

9.9.2022, 11:47:31

Wann kann der Gläubiger beim Weiterverkauf nur Wertersatz verlangen und wann wie hier Veräußerungserlös?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.1.2023, 13:35:41

Hallo Antonia, bei § 816 Abs. 1 BGB ist der Nichtberechtigte zur Herausgabe des "durch die Verfügung Erlangten" verpflichtet. Nach der hM ist darunter die Erlangte Gegenleistung zu verstehen, also der Kaufpreis (MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 816 Rn. 39). Anders ist dies dagegen zB bei einem normalen Kondiktionsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Hier hat der Bereicherungsschuldner "etwas" erlangt, zB das Eigentum an einer Sache. Insoweit ist er zunächst verpflichtet, das Eigentum zurückzuübereignen (§ 818 Abs. 1 BGB). Kann er dies nicht mehr, so schuldet er nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz. Dieser ist nach hM objektiv zu bestimmen, d.h. die Höhe ist unabhängig davon, ob der Bereicherungsschuldner die Ware zu einem besonders guten Preis (Mehrerlös) oder zu einem schlechten Preis veräußert (Mindererlös). Ich hoffe, es wird jetzt etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

EVA

evanici

8.9.2023, 00:05:08

Aber unterm Strich ist dann nur die Verfügung E-F genehmigt, nicht die vorherigen Verfügungen in der Kette (hier: S-E), diese bleiben unwirksam, richtig?

LELEE

Leo Lee

8.9.2023, 11:58:52

Hallo evanici, genauso ist es! Diesbzgl. hat der Berechtigte (also hier der Eigentümer) ein Wahlrecht :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

JANA2

jana2000

10.1.2024, 20:16:14

Ich habe grade etwas Verständnisschwierigkeiten und verstehe leider folgendes Detail nicht: Wenn der Berechtigte die Verfügung gem. § 816 genehmigt (um das Erlangte herausverlangen zu können) und die Genehmigung sodann ex tunc wirkt, wäre doch der vor der Genehmigung "Nichtberechtigte" auch durch die Ex Tunc Wirkung als berechtigter anzusehen !? Vielen Dank für eure tolle Arbeit !

Maitre68

Maitre68

15.4.2024, 14:29:11

Hey @[jana2000](211361) das ist nicht mega intuitiv, aber trotz der ex tunc Wirkung der Genehmigung bleibt der Verfügende Nichtberechtigter. Siehe dazu MüKoBGB/Bayreuther, 9. Aufl. 2021, BGB § 185 Rn. 43: „Die Genehmigung macht die Verfügung des Nichtberechtigten zwar rückwirkend wirksam, diesen aber nicht zum Berechtigten.“ LG Maitre

Dogu

Dogu

13.6.2024, 15:44:24

@[jana2000](211361) Der Gesetzeswortlaut ist in dem Bereich allgemein missverständlich. Beispielsweise spricht § 185 I BGB davon, dass der mit (vorher erteilter) Einwilligung Handelnde Nichtberechtigter sei, was natürlich sprachlich unzutreffend ist. Da muss man aufpassen.


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