Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Die Nichtleistungskondiktion

Bsp 5: Kein Abzug nach § 818 Abs. 3 BGB

Bsp 5: Kein Abzug nach § 818 Abs. 3 BGB

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E kauft ein Buch von S für €20, welches S dem G gestohlen hat. Davon weiß E allerdings nichts. E gefällt das Buch wider Erwarten nicht. Sie (E) verkauft es für €30 weiter an die gutgläubige F. G verlangt von E Herausgabe des Veräußerungserlöses.

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Einordnung des Falls

Bsp 5: Kein Abzug nach § 818 Abs. 3 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Möglicherweise kann G den durch den Verkauf erzielten Erlös von E herausverlangen (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist gegeben, wenn eine (1) Verfügung (2) eines Nichtberechtigten vorliegt. Diese Verfügung muss (3) gegenüber dem Berechtigten wirksam sein. Hierbei kann sich eine Wirksamkeit der Verfügung ausschließlich aus einem gutgläubigen Erwerb des Verfügungsempfängers (§§ 929 S. 1, 932 BGB) oder aus einer Genehmigung (§ 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB) der Verfügung durch den Berechtigten ergeben.
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2. G kann den Veräußerungserlös ausschließlich von dem ersten Glied in der Veräußerungskette herausverlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Liegt eine Veräußerungskette vor, kann der Berechtigte sich die Veräußerung aussuchen, die er genehmigt. G muss also nicht die Verfügung von S an E genehmigen. Sie kann auch die Verfügung der E an F genehmigen. Dies steht in ihrem Belieben. Warum ist das praktisch für den Anspruchsinhaber? Es kann von Interesse sein, wenn ein Veräußerer in der Veräußerungskette vermögenslos ist oder einen höheren Erlös erzielt hat. Eine Genehmigung ist auch dann noch möglich, wenn der Gegenstand zum Zeitpunkt der Genehmigung etwa zerstört ist oder ein Dritter nach den §§ 946 ff. BGB Eigentum erworben hat.

3. Es liegt eine wirksame Verfügung der E an F vor, nachdem G den Erlös von E herausverlangt hat.

Ja!

Eine ausdrückliche Genehmigung liegt nicht vor. Allerdings kann eine solche auch konkludent erfolgen. Dies ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). G hat nur im Falle einer wirksamen Verfügung einen Anspruch auf Herausgabe des erlangten Erlöses gegen E. Es ist deshalb davon auszugehen, dass G die Veräußerung von E an F genehmigen möchte. Dies hat sie konkludent durch das Fordern des Erlöses getan. Die Genehmigung wirkt auf den Zeitpunkt der Verfügung zurück, also ex tunc. Eine Einwilligung ist eine Zustimmung vor Vornahme des Geschäfts. Die Genehmigung ist eine Zustimmung nach der Vornahme. Die Zustimmung ist der Oberbegriff.

4. Die Höhe der Herausgabepflicht ist um den Betrag zu mindern, den der Bereicherungsschuldner selbst für den Erwerb bezahlt hat (§ 818 Abs. 3 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach h.M. darf der Bereicherungsschuldner nicht den Betrag von der Höhe der Herausgabepflicht abziehen, den er selbst für seinen Erwerb an den Vormann bezahlt hat. Denn: § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist ein Rechtsfortwirkungsanspruch, der an die Stelle der Vindikation aus § 985 BGB tritt. Vor der Verfügung hätte der Verfügende den Erwerbspreis auch nicht der gegebenen Vindikation (§ 985 BGB) des Berechtigten entgegenhalten dürfen. Außerdem ist der Verfügende weniger schutzbedürftig, da er wegen des von ihm bezahlten Kaufpreises Ansprüche aus Rechtsmängelhaftung (§§ 433 Abs. 1, 437 ff. BGB) gegen seinen Vormann hätte.

5. G hat einen Anspruch gegen E auf Herausgabe des gesamten Veräußerungserlöses (€30).

Ja, in der Tat!

E hat als Nichtberechtigte wirksam über das Eigentum der Berechtigten (G) verfügt. G hat deshalb einen Anspruch auf Herausgabe des aus der Verfügung Erlangten, also des Veräußerungserlöses. Der Veräußerungserlös ist auch nicht um den Betrag zu mindern, den E selbst für den Erwerb bezahlt hat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

JonasRehder

10.7.2023, 11:59:20

Das zweite Argument, dass sich der Verfügende auf eine Rechtsmängelhaftung ggü. seinem Verkäufer berufen kann, ist vor dem Hintergrund der hM vlt. etwas missverständlich formuliert durch den Zusatz des § 437. Nach hM unterfällt das

Abhandenkommen

und damit das fehlende Eigentum des Verkäufers dem § 433 I 1, sodass keine Erfüllung eintritt. Demnach bedarf es keines Rückgriffes auf § 437. Hierzu Petersen, Jens. "Rechtsmängel" JURA 2014 1030-1032.

IT

Itsajourney

22.11.2023, 22:25:19

Nach Genehmigung durch den Berechtigten, liegt mEn ein Eigentumserwerb des Bereicherungsschuldners bzw. Käufers vor. u beachten ist auch, dass § 185 ll ex tunc wirkt, vgl. § 184 l. Liebe Grüße

FRA

Franz

20.7.2023, 21:38:34

Wieso müssen hier die 30 EUR herausgegeben werden und nicht der objektive Wert i. H. von 20 EUR? Nach Medicis/Lorenz ist der Umfang des Herauszugebenden umstritten, ob also der objektive Wert oder das tatsächlich Erlangte herausgegeben werden soll; vielleicht wird es noch später diskutiert, aber zumindest in dieser Aufgabe wird der Streit nicht thematisiert.

FRA

Franz

20.7.2023, 21:43:18

Der Meinungsstreit wird tatsächlich gleich in der bei mir nächsten Aufgabe aufgegriffen :) Trotzdem fände ich es gut, wenn umstrittenes in Aufgaben vor der Darlegung des Streits als str. gekennzeichnet würden.

Burumar🐸

Burumar🐸

9.10.2024, 14:09:46

*push

lexspecialia

lexspecialia

5.6.2024, 15:05:54

ich habe nicht genau verstanden welchen anspruch der E gegen seinen Vordermann ( glaube S) hat. kann mir das jemand nochmal erklären? Danke :)

Susan

Susan

25.9.2024, 14:05:22

ich hätte jetzt an einen Anspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 gedacht, bin mir aber tbh auch nicht sicher

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

26.9.2024, 13:32:10

Ein Anspruch aus § 812 der E gegen den Dieb S scheitert an dem wirksamen Kaufvertrag zwischen den beiden. Es bestehen allerdings Ansprüche aus Gewährleistungsrecht. Umstritten ist dort, ob es sich um einen

Rechtsmangel

handelt, wenn der Verkäufer dem Käufer überhaupt kein Eigentum verschaffen kann, oder ob er bereits seine primäre

Leistungspflicht

aus § 433 damit nicht erfüllen kann. Eine Anfechtung des Kaufvertrages, welche eine Kondiktion im Anschluss ermöglichen würde, scheitert häufig am Vorrang des Gewährleistungsrecht. Hier läge zwar wohl eine

arglistige Täuschung

vor, sodass das Anfechtungsrecht nicht verdrängt wird, allerdings ist eine Anfechtung aus Käufersicht, dennoch nicht unbedingt vorteilhaft, da einem Bereicherungsanspruch der

Einwand der Entreicherung

entgegengehalten werden kann. Dieses Problem besteht bei einem Schadensersatzanspruch nicht und auch am Verschulden wird dieser regelmäßig nicht scheitern.


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