Abrechnung auf Neuwagenbasis

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Großkanzleianwalt A braucht einen neuen Drittwagen und kauft bei Händler H einen Tesla. Als er gerade vom Gelände auf die Straße fährt, nimmt ihm Opi O die Vorfahrt und beschädigt den Tesla erheblich. Der Reparaturaufwand liegt bei €20.000, der Wiederbeschaffungsaufwand bei €30.000. A kauft einen neuen Tesla.

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Einordnung des Falls

Abrechnung auf Neuwagenbasis

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A könnte von O sowohl verlangen, dass dieser den Tesla repariert bzw. reparieren lässt, oder gleich den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Ja!

Der Geschädigte kann und muss grundsätzlich Naturalrestitution verlangen (§ 249 BGB). Dabei ist grundsätzlich der Schädiger zur Wiederherstellung verpflichtet (§ 249 Abs. 1 BGB). Bei Personen- oder Sachschäden kann der Geschädigte aber statt der Herstellung durch den Schädiger sofort den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen (§ 249 Abs. 2 S. 1 BGB, Ersetzungsbefugnis).
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2. Grundsätzlich können im Rahmen des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB entweder die Kosten für eine Wiederbeschaffung oder für eine Reparatur verlangt werden.

Genau, so ist das!

Nach dem BGH hat der Geschädigte bei der Beschädigung einer Sache zwei Möglichkeiten im Rahmen des § 249 Abs. 2 BGB: Er kann grundsätzlich die Kosten verlangen, die erforderlich sind für (1) die Reparatur der beschädigten Sache (zzgl. Kompensation für merkantilen Minderwert) oder (2) die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache (abzgl. des Restwerts der beschädigten Sache). Sowohl die (1) Reparatur als auch die (2) Ersatzbeschaffung sind Formen der Naturalrestitution iSd § 249 BGB. BGH: Naturalrestitution bedeute nicht Wiederherstellung der beschädigten Sache, sondern allgemein die Herstellung des Zustands, der wirtschaftlich gesehen der ohne das Schadensereignis bestehenden Lage entspricht. Dieser Zustand sei sowohl durch eine Reparatur als auch durch eine Ersatzbeschaffung herstellbar.

3. Bei den Alternativen Reparatur und Wiederbeschaffung gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht, sodass der Geschädigte stets die freie Wahl hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Geschädigte ist grundsätzlich frei in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung. Verursacht bei mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, ist der Geschädigte allerdings im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich auf diese beschränkt; nur der für diese Art der Schadensbehebung nötige Geldbetrag ist im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Herstellung „erforderlich“ (Wirtschaftlichkeitsgebot).

4. Wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots kann nie der Wiederbeschaffungsaufwand verlangt werden, wenn er den Reparaturaufwand übersteigt.

Nein!

Das Wirtschaftlichkeitsgebot wird wiederum eingeschränkt durch das Integritätsinteresse des Geschädigten. Die Naturalrestitution darf nicht pauschal auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt werden. Ziel der Naturalrestitution ist es nämlich, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Bei einem Neuwagenkauf hat der Geschädigte ein Interesse an dem Charakter der Neuwertigkeit der Kfz. Kann dieser durch eine Reparatur nicht wiederhergestellt werden, kann der Geschädigte ausnahmsweise den Wiederbeschaffungsaufwand verlangen (Abrechnung auf Neuwagenbasis)

5. A kann hier von O ausnahmsweise den teureren Wiederbeschaffungsaufwand verlangen.

Genau, so ist das!

Der Geschädigte kann ausnahmsweise die konkreten Wiederbeschaffungskosten eines tatsächlich angeschafften Neuwagens anstatt nur des niedrigeren Reparaturaufwands ansetzen. Das setzt voraus, dass (1) ein fabrikneues Fahrzeug (2) erheblich beschädigt wurde, d.h. auch nach der (hypothetischen) Durchführung einer Reparatur den „Charakter der Neuwertigkeit“ unwiderruflich verloren hat. Fabrikneu ist ein Kfz bei einer Laufleistung von max. 1000km und einer Laufzeit von max. 1 Monat. Eine erhebliche Beschädigung liegt vor grundsätzlich vor, wenn bei dem Unfall tragende oder sicherheitsrelevante Teile, insbesondere des Fahrzeugchassis, beschädigt wurden. Hier wurde das fabrikneue Tesla erheblich beschädigt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

WH

Whiskey

10.1.2022, 16:02:36

Wie wird das in der Praxis gehandhabt, kann mir das grade nicht vorstellen 😅: A kauft sich einen neuen Tesla, O (oder seine Haftpflichtversicherung) erstatten den Schaden iHv 30.000 - Was passiert mit dem "alten" Unfallwagen, damit keine Bereicherung des A vorliegt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.1.2022, 11:17:56

Hallo Whiskey, in der Praxis würde ein Gutachter den alten Wagen untersuchen und ein Gutachten bzgl. des Reparaturaufwandes stellen. Normalerweise bildet dies die obere Grenze des ersetzbaren Schadens, außer eben in Fällen, in denen es - wie hier - um Neuwagen geht. Sofern der alte Wagen noch einen "Restwert" besitzt, muss sich der Geschädigte diesen anrechnen lassen. Auch dies erfolgt in der Regel auf Grundlage von Gutachten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SAMS

SamSoy

9.6.2024, 20:23:17

Man sagt ja, dass ein Neuwagen ab dem ersten gefahrenen Meter bereits erheblichen Wert verliert. Gibt es da eine Richtlinie, ab wann man keinen Wiederbeschaffungswert in Höhe des Neuwagenwertes verlangen darf?

TI

Timurso

10.6.2024, 09:31:42

Das steht in der Erklärung der letzten Frage. Max. 1000 km und max. 1 Monat.

SAMS

SamSoy

10.6.2024, 10:49:08

Danke, habe es erst bemerkt, als ich da ankam. Wäre vllt ganz gut die Erläuterung bereits hier reinzupacken.


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