Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2022
Wiederholte Zueignung eines Maserati?
Wiederholte Zueignung eines Maserati?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T hat seinen Maserati an die B-Bank sicherungsübereignet. Dennoch verkauft und übereignet er ihn an den gutgläubigen K. Nach Übergabe an K leiht dieser T den Wagen, der ihn wiederum an einen Freund (F) verleiht. Die Dritte Dagmar (D) bekundet gegenüber T Interesse an dem Wagen. Daraufhin übereignet T ihr „seinen“ Wagen durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen F.
Diesen Fall lösen 69,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Wiederholte Zueignung eines Maserati?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 12 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat sich T des Diebstahls zum Nachteil der B strafbar gemacht (§ 242 Abs. 1 StGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Mit dem Weiterverkauf und der Übereignung an K könnte T eine veruntreuende Unterschlagung begangen haben (§ 246 Abs. 1, Abs. 2 StGB).
Ja!
3. Hat T eine veruntreuende Unterschlagung zum Nachteil der B begangen?
Genau, so ist das!
4. Liegt ein Vermögensschaden des K vor?
Nein, das trifft nicht zu!
5. T hat aber einen Dreiecksbetrug zum Nachteil der Bank begangen, indem er den Wagen an K veräußerte.
Nein!
6. Indem T den Wagen an D veräußert, kommt eine weitere Unterschlagung, diesmal zum Nachteil des K in Betracht.
Genau, so ist das!
7. Ist die Übereignung an D nach §§ 929, 931 BGB wirksam?
Nein, das trifft nicht zu!
8. D hat jedoch gutgläubig Eigentum an dem Maserati erworben (§§ 929, 931, 934 BGB).
Ja!
9. Eine wiederholte Zueignung kann unstrittig erneut den Tatbestand der Unterschlagung verwirklichen.
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Folgt man dem BGH scheidet hier eine Unterschlagung zulasten des K bereits tatbestandlich aus.
Nein, das trifft nicht zu!
11. Die Subsidiaritätsklausel des § 246 Abs.1 StGB ist jedoch einschlägig, sodass eine zweite Unterschlagung nicht in Betracht kommt.
Nein!
12. T hat zwei Unterschlagungen begangen, welche zueinander in Tatmehrheit stehen.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
29.10.2022, 12:18:02
Mega cooler Fall. In einer Klausur hätte ich weinen können 😅 so portioniert ging es gut. Kann man eigentlich zurück blättern und die vorherige Frage mit der Antwort nochmal lesen? Gerade hier fänd ich das hilfreich.
Lukas_Mengestu
30.10.2022, 22:45:57
Lieben Dank, Isabell! Einen "Zurück"-Button gibt es derzeit noch nicht. Es ist bislang nur möglich, den Fall komplett neu zu lösen. Da wir den Wunsch aber bereits auch von einigen anderen User:innen erhalten haben, werden wir dies auf unsere Entwicklungsliste noch mit aufnehmen :-) Beste Grüße, Lukas
Charliefux
2.9.2024, 20:17:40
Auch ein Jahr später fände ich einen "zurück"-Button gut :)
Vincent
9.12.2022, 19:25:37
Kann D gem. §§929 S.1, 931, 934 BGB nicht nur dann gutgläubig Eigentum am Maserati erwerben, wenn sie den unmittelbaren Besitz erlangt? In dem geschilderten Fall erlangt D aber nur mittelbaren Besitz.
Sarah
11.12.2022, 09:17:01
Paragraph 934 BGB sagt „so wird der Erwerber […] mit der Abtretung der Anspruchs, andernfalls dann Eigentümer, wenn er den Besitz der Sache von dem Dritten erlangt,[…]“ Ich würde das so verstehen, dass D entweder durch Abtretung des Anspruchs oder durch unmittelbare Besitzerlangung vom Dritten gutgläubig Eigentum erlangen kann.
Lukas_Mengestu
12.12.2022, 11:52:35
Salut ihr beiden, Sarah hat es schon ziemlich gut getroffen. § 934 BGB hat zwei Alternativen. Anders als bei § 933 BGB bedarf es für den gutgläubigen Erwerb nach § 934 Alt. 1 BGB gerade nicht des Erwerbs des „unmittelbaren“ Besitzes. Es genügt, wenn der Erwerber den Herausgabeanspruch des Veräußerers abgetreten bekommt und damit mittelbaren Besitz erlangt. § 934 Alt. 2 bezieht sich auf den in § 931 ebenfalls geregelten Fall der
Übereignungdes besitzlosen Veräußerers (Beispiel: Eigentümer, der seine Sache verloren hat). Die Norm setzt hier voraus, dass der Erwerber den Besitz von dem Dritten erlangt. Der gutgläubige Erwerber erlangt den Besitz der Sache, wenn der Dritte seinen Eigenbesitzwillen zugunsten des Erwerbers freiwillig aufgibt oder von vornherein gar nicht mit diesem Willen besitzt. Die einseitige Besitzergreifung oder auch verbotene Eigenmacht zerstören diesen Zusammenhang und genügen deshalb nicht (MüKoBGB/Oechsler, 8. Aufl. 2020, BGB § 934 Rn. 10 ff.). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Pilea
17.2.2023, 08:33:16
Auf der 1. Seite der
Dreiecksbetrugseite wird in einem Satz zweimal die B genannt. Ich denke eins der beiden ist falsch, aber konnte es nicht so schnell durchdenken 🤔 Vielleicht könnt ihr da nochmal drüber schauen
Tim
12.1.2024, 14:18:19
Das hat mich auch verwirrt. Ich denke es geht um die Frage ob ein
Dreiecksbetrugzum Nachteil der B vorliegt (so in etwa). Die Antwort beinhaltete dann: „T wirkte allerdings in keiner Weise auf das Vorstellungsbild der B ein, sodass nur ein
Dreiecksbetrugzu Lasten der B in Betracht kommt.“ Der Satz ist für mich auch verwirrend formuliert. Im Endeffekt erzeugt er aber wohl die richtige Aussage. Man müsste sagen dennoch käme nur ein
Dreiecksbetrugzu Lasten der B in Betracht. In den folgenden Sätzen versteht man dann genauer worum es geht.
Pilea
13.1.2024, 17:14:11
Stimmt! Danke, hab den Satz jetzt verstanden.
svenzpo
21.9.2023, 18:16:29
Ich glaube bei der Frage, ob ein Vermögensschaden des K vorliegt, sollte man in der Frage nochmal auf den Zeitpunkt abstellen, denn er liegt ja definitiv vor, sobald T das Fahrzeug an D veräußert.
Nocebo
20.6.2024, 14:47:09
Völlig richtig und leider immer noch falsch.
IsiRider
29.9.2023, 21:31:52
Was für ein Fall! Danke für die tolle Aufbereitung. Lief die Entscheidung schon im Examen?
Leo Lee
1.10.2023, 11:08:05
Hallo IsiRider, vielen Dank für die netten Worte! Uns ist noch nicht zu Ohren gekommen, dass dieser Fall im Examen lief. Jedoch bietet sich dies geradezu an, aufgrund der vielen klassischen Fragestellungen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Sanni
7.10.2023, 10:36:29
Also ich finde die Aufbereitung des Falles sehr "mit der heißen Nadel" gestrickt. Die Fragen sollten deutlicher sagen, auf welche Handlung jeweils Bezug genommen wird. In den Antworten stecken Fehler und das allgemeine Problem, dass a.A. als falsch bewertet werden, ist auch enthalten.
HannaHaas
20.1.2024, 13:42:33
Ich komme hier leider ein wenig durcheinander. Ich dachte, dass ein gutgläubiger Erwerb eines Kfz bei einer Veräußerung von Privat an Privat wegen grob fahrlässiger Unkenntnis des fehlenden Eigentums des Veräußerers ausgeschlossen ist, wenn sich der Käufer (hier K) beim Verkauf nicht den Fahrzeugbrief zeigen lässt. Müsste ich in diesem Fall also davon ausgehen, dass der T den Fahrzeugbrief bei der
Übereignungan K hatte und nicht die Bank?
Max
3.2.2024, 01:41:47
Ging mir genauso, hat mich auch verwundert.
Timurso
6.2.2024, 13:14:00
Ebenso. Einen gutgläubigen Erwerb der D hätte ich daher abgelehnt.
Cosmonaut
13.2.2024, 17:55:48
Hallo @[HannaHaas](201390), (zK @[Timurso](197555) @Max), sehr gutes Judiz, in der Tat ist dies aktueller Stand der Rspr., die insoweit die §§ 932 ff. telexlogisch reduzieren: "Ein gutgläubiger Erwerb gebrauchter Kfz soll a priori ausscheiden, wenn der Erwerber sich den Kfz-Brief (Zulassungsbescheinigung Teil II) nicht vorlegen ließ. Die Rspr. begründet dies damit, dass der bloße Besitz am gebrauchten Kfz ohne Vorlage des Kfz-Briefs schon keinen Rechtsschein für das Eigentum des Veräußerers setze und/oder dass der Erwerber, der sich den Kfz-Brief nicht vorlegen lasse, stets und ohne Weiteres grob fahrlässig sei“ (BeckOK, § 932, Rn 47 ff.). Plausible Erklärungen, ob des Verbleibs des nicht vorliegenden Kfz-Briefs können diese Wertung aufweichen. Die Urteilsgründe des BGH (Rn. 3) sprechen dafür, dass der Brief tatsächlich auch noch nach erfolgter SiÜ im Besitz des T war; hier ein Auszug: "Da die Gesellschaften der W. -Gruppe im Dezember 2011 dringend weitere Liquidität benötigten, schloss der Angeklagte am 23. Dezember 2011 mit dem Unternehmer R. einen Darlehensvertrag über eine Valuta in Höhe von 4,5 Millionen €, die bis zum 31. Juli 2012 zurückzuzahlen war. Unter - wahrheitswidriger - Zusicherung, er sei zur freien Verfügung über den Maserati berechtigt und dieser sei frei von Rechten Dritter, einigte sich der Angeklagte mit R. im Rahmen der
Sicherungsabredeüber den Eigentumsübergang und übergab den Kraftwagen nebst F A H R Z E U G B R I E F in Ro. ; R. hatte keinen Anlass, an der Zusicherung des Angeklagten zu zweifeln.“ LG C
HannaHaas
13.2.2024, 20:21:08
Vielen Dank für die Aufklärung!:)
Nocebo
20.6.2024, 14:46:46
Die Frage, ob K einen Vermögensschaden erlitten hat, ist unklar bzw. falsch beantwortet. Denn schlussendlich hat er sein Eigentum durch den gutgläubigen Erwerb des D verloren. Die Frage müsste jedenfalls dahingehend präzisiert werden, ob K bereits vor dem Erwerb durch D einen Vermögensschaden erlitten hat.
G0d0fMischief
13.7.2024, 10:47:39
Ja sehe ich auch so!
G0d0fMischief
13.7.2024, 10:49:07
Liegt ein Vermögensschaden nicht dadurch vor, dass T nachdem K ihm den Maserati geliehen hat diesen an F verliehen und an D übereignet hat? D hat gutgläubig erworben und K dadurch sein Eigentum verloren. Im späteren Verlauf wird dann eine erneute Unterschlagung gegenüber K bejaht, was im Widerspruch zur ersten Behauptung steht, dass K keinen Vermögensschaden erlitten hat.
Lilyphant
26.7.2024, 07:41:04
Das hatte mich auch gewundert. Vielleicht kann man in der Frage nach dem Vermögensschaden auf einen konkreten Zeitpunkt im Sachverhalt abstellen, sodass es klarer wird?
marimo
23.8.2024, 10:24:50
wenn das so in einer klausur drangekommen wäre, hätte ich geweint 😭 meine güte, im rep bei uns wurden solche sachenrecht-lastigen fälle komplett ausgelassen 😭
Wendelin Neubert
23.8.2024, 15:45:10
hahahah danke für deine nette Anmerkung @[vonkarma](243378)! Wir nehmen das mal als Lob auf und hoffen, dass Dir auch andere Aufgaben so viel Freude bereiten! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
Lord Denning
5.9.2024, 15:19:07
Die Antwort zu der Frage, ob eine zweite Unterschlagung zum Nachteil des K erfolgte, suggeriert für mich, dass der Zueignungserfolg zivilrechtsakzessorisch zu prüfen ist. Dann wäre nach dieser Ansicht der TB doch aber ziemlich eng, weil eine tatsächliche Zueignung nebst originärem Eigentumserwerb nur derivativ in Frage kommt, wenn kein „
Abhandenkommen“ i.S.v. § 935 BGB einschlägig ist, was doch relativ selten ist?
Karolin
27.9.2024, 20:18:39
Verstehe ich es richtig, dass man also, um eine Unterschlagung zu begehen, selbst keinen Gewahrsam haben muss? (Zweite Unterschlagung im Fall)