Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Rechtfertigungsgründe
Nicht gegenwärtig (nicht mehr fortdauernd bzw. abgeschlossen)
Nicht gegenwärtig (nicht mehr fortdauernd bzw. abgeschlossen)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
O beschimpft den T mit „Du Schwein!“. T will sich das nicht gefallen lassen und gibt dem O postwendend eine kräftige Ohrfeige.
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Einordnung des Falls
Nicht gegenwärtig (nicht mehr fortdauernd bzw. abgeschlossen)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat den Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB verwirklicht.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Beleidigung des O stellt einen "Angriff" (§ 32 Abs. 2 StGB) auf T dar.
Genau, so ist das!
3. Der Angriff war "gegenwärtig" (§ 32 Abs. 2 StGB), als T dem O eine Ohrfeige gab.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
S3tr
9.7.2020, 15:51:43
Ich hätte hier das bei Gebotenheit der Verteidigungshandlung angesprochen.. Sicher dass das nicht vorherrschend ist ?
Eigentum verpflichtet 🏔️
10.7.2020, 15:25:47
Hallo S3tr, vielen Dank für deine Frage. Bei der Prüfung der Notwehr geht man immer in 2 groben Schritten vor: 1. Notwehrlage (gegenwärtiger, rechtswisriger Angriff), 2. Notwehrhandlung (gegen den Angreifer, erforderlich, geboten, subjektives Rechtfertigungselement). Mangels Notwehrlage (es fehlt die Gegenwärtigkeit) kommst du also gar nicht mehr zur Prüfung der Notwehrhandlung und damit der Gebotenheit. Nachzulesen bei Wessels/Beulke, 39. Aufl., Rn. 324ff.
Eigentum verpflichtet 🏔️
10.7.2020, 15:28:53
Wäre von einer Notwehrlage auszugehen, z.B. wenn O den T weiterbeleidigt, dann könntest du die Frage bei der Gebotenheit ansprechen. Allerdings sehe ich hier die Gebotenheit gegeben, der T darf sich gegen andauernde
Ehrverletzungen auch mit leichter körperlicher Gewalt erw
ehren (Trutzwehr). Es sei denn T hätte den O zuvor seinerseits provoziert (
Notwehrprovokation).
S3tr
10.7.2020, 15:38:34
Ich finde es schwierig eine Beleidigung da es sehr punktuell auf paar Sekunden gerichtete Straftat ist, diese wegen der gegenwärtigkeit auszuschließen. Nur weil eine Beleidigung länger dauert heißt dass ja nicht dass eine kürzere die Ehebeeinträchtigung nicht weniger rechtswidrig ist.. ob dann einer als Stotterer z.B. 1 Min zum Schimpfwort Aussagen braucht oder eine Sekunde ein durchschnittlicher Mensch und dies dann einen Unterschied macht erschließt sich mir nicht.
Eigentum verpflichtet 🏔️
10.7.2020, 15:43:45
Der Grund liegt darin, dass Notwehr nur erlaubt ist um einen gegenwärtigen Angriff abzuw
ehren, also zu beenden. Wenn die Beleidigung schon ausgesprochen ist, ist sie bereits beendet. Da kann die Ohrfeige des T dann nicht mehr den Angriff auf seine
Ehreabwenden. Dann muss der T die Beleidigung des O (§ 185 StGB) zur Anzeige bringen bzw. zivilrechtlich gegen O vorgehen.
Eigentum verpflichtet 🏔️
10.7.2020, 15:48:26
Die Notwehr muss in einem Rechtsstaat die Ausnahme bleiben, da sonst jeder das Recht in die eigene Hand nehmen würde und Selbstjustiz ausüben könnte. Deswegen ist die Notwehr zeitlich so stark eingegrenzt. Eigentlich soll das Opfer polizeiliche Hilfe anfordern.
S3tr
10.7.2020, 19:31:10
Hm also wenn ich als angegriffener nicht während der Beleidigung reagiere käme die nach StPO in Betracht ? Versteh schon den engen Zshang aber woher soll ich als Beleidigender wissen wann eine Beleidigung meines Gegenübers vorbei ist?
Eigentum verpflichtet 🏔️
10.7.2020, 21:30:29
Den nach § 194 StGB nötigen Strafantrag wegen der Beleidigung gemäß § 158 I StPO kannst du sogar stellen, obwohl du Notwehr begangen hast, die Tat des anderen bleibt ja trotzdem rechtswidrig. In der Realität wird es natürlich meist nicht bei einer Beleidigung bleiben, da kann es durchaus schwierig sein, zu wissen, ob noch ein gegenwärtiger Angriff vorliegt. Wenn aber in einem Klausursachverhalt nur die Rede von einer Beleidigung ist und diese fertig ausgesprochen ist, ist der Angriff auf die
Ehrenicht mehr gegenwärtig.
Christophh Pacyna
11.11.2020, 21:47:27
Bzgl. Des letzten Falles: Ihr definiert dort nochmal das Unmittelbare Bevorstehen, stellt dann aber darauf ab, dass der Angriff nicht mehr fortdauert - meine Frage: Gibt es da auch eine Definition zum Fortdauern, immerhin kann man sich auch nach Aussprache der Beleidigung "Du Schwein" auch noch eine Weile "beleidigt fühlen" wo ist das die Grenze
Christophh Pacyna
11.11.2020, 21:50:11
*vorletzten Falles
Eigentum verpflichtet 🏔️
11.11.2020, 23:21:17
Hallo, danke für deine Frage. Ein Fortdauern wäre gegeben, wenn O den T fortwährend weiter beleidigen würde. Wenn O dann mitten in der Aussprache einer längeren Beleidigung wäre, läge noch ein gegenwärtiger Angriff vor.
Real Thomas Fischer Fake 🐳
12.11.2020, 06:59:38
Um es auf den Punkt zu bringen: Entscheidend ist nicht ob der Verletzte sich zum maßgeblichen Zeitpunkt (dem Zeitpunkt der Notwehrhandlung) noch "beleidigt fühlt", sondern ob diejenige Tat die die Rechtsgutsverletzung darstellt (also das Beleidigen) noch fortdauert :)
Schwarzleser007
4.5.2021, 23:24:44
Gibt es nicht eine Ansicht, die davon ausgeht, dass die Beleidigung noch im Raum steht oder so? Sodass eine direkte Reaktion wie hier gerechtfertigt wäre?
Tigerwitsch
5.5.2021, 00:25:56
Im Grundsatz ist der Angriff auf die
Ehremit der Aussprache der ehrverletzenden Äußerung beendet und damit nicht mehr gegenwärtig. Ausnahmsweise kann man im Fall der sog. iterativen Beleidigungen eine Gegenwärtigkeit bejahen. Demnach wird es angenommen, dass der Angriff noch so lange fortdauert, wie eine Wiederholung und damit eine erneute Verletzung desselben Rechtsguts unmittelbar zu befürchten ist (BGH, U. v. 24.11.2016 – AZ.: 4 StR 235/16; U. v. 09.08.2005 – AZ.: 1 StR 99/05). Dabei ist nicht die subjektive Befürchtung des Angegriffenen entscheidend, sondern die Absichten des Angreifers und die von ihm ausgehende Gefahr einer erneuten Rechtsgutsverletzung oder deren Fortsetzung (BGH, U. v. 24.11.2016 – AZ.: 4 StR 235/16; U. v. 18.04.2002 – AZ.: 3 StR 503/01).
Tigerwitsch
5.5.2021, 00:28:48
Vorliegend war die Beleidigung bereits beendet. Auch ergibt sich nicht aus dem Sachverhalt, dass O beabsichtigte, den T „fortdauernd“ zu beleidigen. Mit anderen Worten war die Beleidigung beendet bzw. aus Sicht des O „abgeschlossen“. Die Reaktion des T war damit nicht gerechtfertigt.
Elias Von der Brelie
9.8.2023, 23:37:42
Okay. Ob ein Angriff Vorlag oder nicht soll objektiv ex ante (Im Nachhinein/richtiger Fachbegriff?) bewertet werden, und die Notwehr greift lediglich bei einem Gegenwärtigen Angriff. Heißt das, dass der T hier dem O präventiv eine Ohrfeige hätte geben können sobald dieser den Mund öffnet wenn ex ante klar ist, dass dieser eine Beleidigung geäußert hätte? Wenn ich mir so bildlich vorstelle wie T dem O einfach kommentarlos sofort ne Ohrfeige Verpasst ohne das der überhaupt was gesagt hat muss ich schon ein bisschen Kichern. Aber da wäre T doch dann anders als hier per Notwehr gerechtfertigt oder nicht?
Leo Lee
11.8.2023, 12:40:28
Hallo Elias von der Breile, ob ein Angriff/Notwehrlage vorlag wird im Nachhinein (objektiv ex POST) bewertet, also schauen wir in OBJEKTIVER Hinsicht, ob tatsächlich ein Angriff (noch) vorlag oder nicht. Wenn also unser T insofern "präventiv" eine Ohrfeige gibt, als es (objektiv) klar ist, dass der O unmittelbar davor ist, den T zu beleidigen, darf der T sehr wohl eine Ohrfeige verpassen. Wie von dir richtig angemerkt dürfte dies aber in der Praxis eigentlich nie der Fall sein, da dies absurd wäre ;). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo