Geeignetheit
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A entführt B und sperrt ihn in seinem (As) Haus ein. B versucht, die Tür einzutreten, um zu fliehen. Dabei beschädigt er die Tür, bekommt sie jedoch nicht auf.
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Einordnung des Falls
Geeignetheit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Durch die Tritte gegen die Tür hat B den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt (§ 303 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Tritte gegen die Tür sind gerechtfertigt (§ 32 Abs. 1 StGB), wenn B sich in einer Notwehrlage befand und eine gebotene Notwehrhandlung vorgenommen hat.
Ja, in der Tat!
3. B befand sich in einer Notwehrlage (§ 32 Abs. 2 StGB).
Ja!
4. Die Notwehrhandlung des B war erforderlich, insbesondere geeignet (§ 32 Abs. 2 StGB).
Genau, so ist das!
5. Die Notwehrhandlung des B richtete sich gegen ein Recht des Angreifers.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
I-m-possible
24.7.2021, 22:44:10
Ich tue mich hier schwer mit der Notwehrlage- da der Angriff -das Einsperren-beendet ist aber das Eingesperrt -Sein als Folge nachwirkt-also noch andauert
Jose
10.8.2021, 20:03:48
Würde das nicht aufteilen. Zum Einsperren gehört das Eingesperrtsein. Der Angriff ist demnach nicht beendet. Es gibt ja auch diese Ansicht, nach der ein Einsperren erst bejaht wird, wenn es mindestens die Zeit eines Vater-unser anhält.
Jose
10.8.2021, 20:01:23
Das heißt, ob eine Notwehrlage vorliegt wird ex post beurteilt und die Notwehrhandlung ex ante?
Dave K. 🦊
14.11.2021, 19:57:14
Genau ist es :)
Isabell
2.4.2022, 12:49:07
Auch so ein Satz, der es so gut auf den Punkt bringt und den ich mir in dieser Einfachheit und Klarheit von irgendeinem meiner Dozenten gewünscht hätte.
Findet Nemo Tenetur
31.10.2024, 10:56:22
Danke für diese Klarstellung, vielleicht könnte man das noch in die Erklärungen aufnehmen (bei der Notwehrlage wurde es glaube ich nicht erwähnt). Und zusätzlich vielleicht noch, aus wessen Perspektive jeweils beurteilt wird. Notwehrlage: ex post aus objektiver Sicht (?). Notwehrhandlung: ex ante aus Sicht des Angegriffenen oder aus objektivierter Sicht des Angegriffenen?
Isabell
2.4.2022, 12:50:28
Irgendwie schräg bei einer offenbar erfolglosen Notwehrhandlung die Geeignetheit zu bejahen 😅 auch wenn ich weiß warum.
Faby
21.4.2023, 20:59:47
Andererseits wäre es auch schräg, wenn man in dieser Situation wegen Sachbeschädigung bestraft wird :D
anias🦊
23.12.2023, 16:11:33
ist Eigentum nicht ein Recht und kein Rechtsgut?
Leo Lee
24.12.2023, 20:38:47
Hallo anias, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat ist Eigentum ein Recht, weshalb wir den Text nunmehr entsprechend angepasst haben :). Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!
Bastian P.
16.1.2024, 20:42:59
Hallo, kann mir einer sagen, weshalb die Notwehrhandlung geeignet ist? Meines Wissens nach ist die Handlung geeignet, wenn sie den Angriff sicher und sofort beendet. Der B hat den Angriff hier nicht beendet. Daher wäre doch auch die Handlung nicht geeignet oder?
L.Goldstyn
19.8.2024, 16:43:15
Hallo Bastian, die Geeignetheit ist viel weniger streng zu verstehen, als Du sie formulierst. Eine gängige Definition ist z.B. „Die Notwehrhandlung ist zur Angriffsabwehr geeignet, wenn die Maßnahme grundsätzlich in der Lage ist, den Angriff zu beenden, abzuschwächen oder ihn wenigstens zu erschweren.“ Oder kürzer: „Die Notwehrhandlung ist geeignet, wenn sie die Abwehr zumindest fördern kann“. Die von Dir genutzte Formulierung findet sich demgegenüber im Rahmen der Erforderlichkeit. Dort sagt man z.B. bei der Fallkonstellation der Nutzung eines potentiell tödlichen Verteidungsmittels, dass zwar grundsätzlich ein abgestuftes Vorgehen erfolgen muss (1. Warnen, 2. Verletzen, 3. Töten), dieses abgestufte Vorgehen dem Täter aber auch zumutbar sein muss. Der Täter muss sich keinem hohen eigenen Risiko aussetzen oder sich einem Kampf mit ungewissem Ausgang stellen, sondern darf das Verteidigungsmittel wählen, dass „den Angriff sicher und sofort beendet.“
Gruttmann
17.1.2024, 10:44:43
Liebes Jura-Fuchs Team. Könntet Ihr einen Fall zu der Problematik mit dem recht-/ unrechtmäßigen Besitz bezüglich des Rechtsgut machen, bei der Verteidigungshandlung gegenüber dem Angreifer oder einen seiner
Rechtsgüter. Es gibt verschiedene Ansichten dazu, eine vertritt, dass es vom Notwehrrecht noch gedeckt ist, die andere nicht. Ich finde hier auch diesbezüglich noch keinen Fall. Also wie ist es, wenn der Angreifende eine einem anderem gehörende Sache für seinen Angriff verwendet und der Angegriffene diese Sache zerstört oder beschädigt, ob das noch vom Notwehrrecht gedeckt ist. LG
Linne_Karlotta_
24.10.2024, 10:10:12
Hallo Gruttmann , vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team
Jeremy Tölle
18.5.2024, 14:41:28
Ist es nicht so, dass zwar geprüft wird, welche anderen Mittel dem Angegriffenen zur Abwehr zur Verfügung stehen, dieser sich jedoch auch aus einer ex ante Sicht nicht auf das mildeste Mittel verlassen muss, wenn von zwei Mitteln dasjenige die Sicherheit des Angegriffenen sicherer schützt ? Hier findet natürlich eine Abwägung der
Rechtsgüterstatt (Beispiel: Ich werde von jemandem mit einem Messer verfolgt der mich töten will, ich habe eine Pistole mit nur einem Schuss geladen dabei. Ich schieße dem angreifer direkt auf die Brust, ohne meinen Schuss für einen Warnschuss zu verschwenden oder einen schwierigen Schuss auf eine Extremität des Angreifers aufzuwenden) --> Wird, wenn zulässig, diese gesamte Argumentation in der Geeignetheit durchgeführt ?
p6000
11.6.2024, 11:53:41
Hallo Jeremy, bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Notwehrhandlung würdest du zuerst die Geeignetheit des Tatmittels bejahen und deine restlichen Überlegungen dann im 2. Unterpunkt der Erforderlichkeit, dem relativ mildesten Mittel ansprechen. Hier muss der Täter bei m
ehreren gleich wirksamen Mitteln das Tatmittel auswählen, was bei den
Rechtsgütern des Angreifenden den geringsten Schaden hinterlässt. Sind mildere Tatmittel also weniger erfolgsversprechend, muss der Angegriffene nicht das Risiko eingehen diese auszuprobieren. Beim Verwenden von lebensgefährlichen Tatmitteln sind, genau wie du schon beschrieben hast, grundsätzlich die 3 Stufen (Warnen, Verletzen und erst dann Töten) einzuhalten. Auch hierbei muss allerdings die konkrete Lage berücksichtigt werden. Der BGH hat es mal so formuliert: „Ein nicht bloß geringes Risiko, daß das mildere Mittel fehlschlägt und dann keine Gelegenheit für den Einsatz des stärkeren bleibt, braucht der Verteidiger zur Schonung des rechtswidrig Angreifenden nicht einzugehen.“. Hier ging es explizit auch um dem Fall, dass dem Angegriffenen nur eine Patrone im Revolver zur Verfügung steht. Ist dem Angreifer die Existenz der zur Verfügung stehenden Waffe allerdings unbekannt muss die Verwendung regelmäßig angedroht werden. Ich hoffe das hilft dir weiter :)