Geeignetheit

18. April 2025

33 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A entführt B und sperrt ihn in seinem (As) Haus ein. B versucht, die Tür einzutreten, um zu fliehen. Dabei beschädigt er die Tür, bekommt sie jedoch nicht auf.

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Einordnung des Falls

Geeignetheit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die Tritte gegen die Tür hat B den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt (§ 303 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

B handelte tatbestandsmäßig, wenn er die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt hat. Indem B durch seine Tritte die Tür nicht unerheblich beschädigte, verwirklichte er in kausaler und zurechenbarer Weise den objektiven Tatbestand des § 303 Abs. 1 StGB. Dabei handelte B auch mit dem Willen, die Tür zu beschädigen, und in Kenntnis der objektiven Tatumstände, wobei ihm insbesondere bewusst war, dass die Tür in fremdem Eigentum stand. Folglich erfüllte B auch den subjektiven Tatbestand und handelte mithin tatbestandsmäßig.
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2. Die Tritte gegen die Tür sind gerechtfertigt (§ 32 Abs. 1 StGB), wenn B sich in einer Notwehrlage befand und eine gebotene Notwehrhandlung vorgenommen hat.

Ja, in der Tat!

Eine Rechtfertigung durch Notwehr kommt nach § 32 Abs. 1 StGB bei einer gebotenen Notwehrhandlung in Betracht. Notwehrlage ist nach § 32 Abs. 2 StGB jeder gegenwärtige, rechtswidrige Angriff auf rechtlich geschützte Güter. Eine Notwehrhandlung ist dabei diejenige Handlung, die erforderlich ist, um diesen Angriff abzuwehren.

3. B befand sich in einer Notwehrlage (§ 32 Abs. 2 StGB).

Ja!

Notwehrlage ist nach § 32 Abs. 2 StGB eine Lage, in der ein gegenwärtiger, rechtswidrige Angriff auf rechtlich geschützte Güter erfolgt. Ein Angriff ist jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen. Indem A den B eingesperrt hat, hat er Bs Fortbewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Beeinträchtigung ist auch rechtswidrig und dauert noch an.

4. Die Notwehrhandlung des B war erforderlich, insbesondere geeignet (§ 32 Abs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Eine Notwehrhandlung ist erforderlich (§ 32 Abs. 2 StGB), wenn sie geeignet ist und Art und Maß der Verteidigungshandlung der drohenden Gefahr entsprechen, d.h. die vom Täter gewählte Verteidigung das mildeste der gleich geeigneten Mittel ist (sog. Erforderlichkeit im engeren Sinne). Die Geeignetheit ist aus einer ex-ante Sicht des Angegriffenen zu beurteilen. Zudem sind nach h.M. auch symbolische Verteidigungshandlungen ohne Aussicht auf Erfolg zulässig. Das Traktieren der Tür mit Tritten war aus ex ante Sicht nicht völlig aussichtslos. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich.

5. Die Notwehrhandlung des B richtete sich gegen ein Recht des Angreifers A.

Ja, in der Tat!

Die Notwehrhandlung des Täters ist eine „Verteidigung“, d.h. sie darf sich nur gegen den Angreifer selbst und dessen Rechte und Rechtsgüter richten, nicht aber gegen Rechte und Rechtsgüter unbeteiligter Dritter. Hier hat B die Tür des A und damit das Eigentum des Angreifers traktiert. In Fällen, in denen Rechte/Rechtsgüter Unbeteiligter verletzt werden, ist immer an den rechtfertigenden Notstand (§§ 228, 904 BGB und § 34 StGB) zu denken.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

I-m-possible

I-m-possible

24.7.2021, 22:44:10

Ich tue mich hier schwer mit der

Notwehr

lage- da der Angriff -das Einsperren-beendet ist aber das Eingesperrt -Sein als Folge nachwirkt-also noch andauert

JO

Jose

10.8.2021, 20:03:48

Würde das nicht aufteilen. Zum Einsperren gehört das Eingesperrtsein. Der Angriff ist demnach nicht beendet. Es gibt ja auch diese Ansicht, nach der ein Einsperren erst bejaht wird, wenn es mindestens die Zeit eines Vater-unser anhält.

JO

Jose

10.8.2021, 20:01:23

Das heißt, ob eine

Notwehr

lage vorliegt wird ex post beurteilt und die

Notwehrhandlung

ex ante?

Dave K. 🦊

Dave K. 🦊

14.11.2021, 19:57:14

Genau ist es :)

Isabell

Isabell

2.4.2022, 12:49:07

Auch so ein Satz, der es so gut auf den Punkt bringt und den ich mir in dieser Einfachheit und Klarheit von irgendeinem meiner Dozenten gewünscht hätte.

FTE

Findet Nemo Tenetur

31.10.2024, 10:56:22

Danke für diese Klarstellung, vielleicht könnte man das noch in die Erklärungen aufnehmen (bei der

Notwehr

lage wurde es glaube ich nicht erwähnt). Und zusätzlich vielleicht noch, aus wessen Perspektive jeweils beurteilt wird.

Notwehr

lage: ex post aus objektiver Sicht (?).

Notwehrhandlung

: ex ante aus Sicht des Angegriffenen oder aus objektivierter Sicht des Angegriffenen?

Charles "Chuck" McGill

Charles "Chuck" McGill

13.2.2025, 11:34:45

@[Findet

Nemo Tenetur

](254807) Die

Erforderlichkeit Notwehr

handlung wird aus Sicht eines besonnen Dritten ex ante Beurteilt. Es kommt also nicht auf die völlig subjektive Wahrnehmung des Verteidigers an, sondern darauf, wie ein besonnener Mensch mit dem Wissen des Verteidigers in der jeweiligen Situation die Lage beurteilt hätte.

Isabell

Isabell

2.4.2022, 12:50:28

Irgendwie schräg bei einer offenbar erfolglosen

Notwehrhandlung

die Geeignetheit zu bejahen 😅 auch wenn ich weiß warum.

FABY

Faby

21.4.2023, 20:59:47

Andererseits wäre es auch schräg, wenn man in dieser Situation wegen Sachbeschädigung bestraft wird :D

anias🦊

anias🦊

23.12.2023, 16:11:33

ist Eigentum nicht ein Recht und kein Rechtsgut?

LELEE

Leo Lee

24.12.2023, 20:38:47

Hallo anias, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat ist Eigentum ein Recht, weshalb wir den Text nunmehr entsprechend angepasst haben :). B

esi

nnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!

BAP

Bastian P.

16.1.2024, 20:42:59

Hallo, kann mir einer sagen, weshalb die

Notwehrhandlung

geeignet ist? Meines Wissens nach ist die Handlung geeignet, wenn sie den Angriff sicher und sofort beendet. Der B hat den Angriff hier nicht beendet. Daher wäre doch auch die Handlung nicht geeignet oder?

L.G

L.Goldstyn

19.8.2024, 16:43:15

Hallo Bastian, die Geeignetheit ist viel weniger streng zu verstehen, als Du sie formulierst. Eine gängige Definition ist z.B. „Die

Notwehrhandlung

ist zur Angriffsabwehr geeignet, wenn die Maßnahme grundsätzlich in der Lage ist, den Angriff zu beenden, abzuschwächen oder ihn wenigstens zu erschweren.“ Oder kürzer: „Die

Notwehrhandlung

ist geeignet, wenn sie die Abwehr zumindest fördern kann“. Die von Dir genutzte Formulierung findet sich demgegenüber im Rahmen der

Erforderlichkeit

. Dort sagt man z.B. bei der Fallkonstellation der Nutzung eines potentiell tödlichen Verteidungsmittels, dass zwar grundsätzlich ein abgestuftes Vorgehen erfolgen muss (1. Warnen, 2. Verletzen, 3. Töten), dieses abgestufte Vorgehen dem Täter aber auch zumutbar sein muss. Der Täter muss sich keinem hohen eigenen Risiko aussetzen oder sich einem Kampf mit ungewissem Ausgang stellen, sondern darf das Verteidigungsmittel wählen, dass „den Angriff sicher und sofort beendet.“

Gruttmann

Gruttmann

17.1.2024, 10:44:43

Liebes Jura-Fuchs Team. Könntet Ihr einen Fall zu der Problematik mit dem recht-/ unrechtmäßigen B

esi

tz bezüglich des Rechtsgut machen, bei der Verteidigungshandlung gegenüber dem Angreifer oder einen seiner Rechtsgüter. Es gibt verschiedene Ansichten dazu, eine vertritt, dass es vom

Notwehr

recht noch gedeckt ist, die andere nicht. Ich finde hier auch diesbezüglich noch keinen Fall. Also wie ist es, wenn der Angreifende eine einem anderem gehörende Sache für seinen Angriff verwendet und der Angegriffene diese Sache zerstört oder beschädigt, ob das noch vom

Notwehr

recht gedeckt ist. LG

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

24.10.2024, 10:10:12

Hallo Gruttmann , vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

Jeremy Tölle

Jeremy Tölle

18.5.2024, 14:41:28

Ist es nicht so, dass zwar geprüft wird, welche anderen Mittel dem Angegriffenen zur Abwehr zur Verfügung stehen, dieser sich jedoch auch aus einer ex ante Sicht nicht auf das mildeste Mittel verlassen muss, wenn von zwei Mitteln dasjenige die Sicherheit des Angegriffenen sicherer schützt ? Hier findet natürlich eine Abwägung der Rechtsgüter statt (Beispiel: Ich werde von jemandem mit einem Messer verfolgt der mich töten will, ich habe eine Pistole mit nur einem Schuss geladen dabei. Ich schieße dem angreifer direkt auf die Brust, ohne meinen Schuss für einen Warnschuss zu verschwenden oder einen schwierigen Schuss auf eine Extremität des Angreifers aufzuwenden) --> Wird, wenn zulässig, diese gesamte Argumentation in der Geeignetheit durchgeführt ?

Neal Caffrey

Neal Caffrey

11.6.2024, 11:53:41

Hallo Jeremy, bei der Prüfung der

Erforderlichkeit

der

Notwehrhandlung

würdest du zuerst die Geeignetheit des Tatmittels bejahen und deine restlichen Überlegungen dann im 2. Unterpunkt der

Erforderlichkeit

, dem relativ mildesten Mittel ansprechen. Hier muss der Täter bei mehreren gleich wirksamen Mitteln das Tatmittel auswählen, was bei den Rechtsgütern des Angreifenden den geringsten Schaden hinterlässt. Sind mildere Tatmittel also weniger erfolgsversprechend, muss der Angegriffene nicht das Risiko eingehen diese auszuprobieren. Beim Verwenden von lebensgefährlichen Tatmitteln sind, genau wie du schon beschrieben hast, grundsätzlich die 3 Stufen (Warnen, Verletzen und erst dann Töten) einzuhalten. Auch hierbei muss allerdings die konkrete Lage berücksichtigt werden. Der BGH hat es mal so formuliert: „Ein nicht bloß geringes Risiko, daß das mildere Mittel fehlschlägt und dann keine Gelegenheit für den Einsatz des stärkeren bleibt, braucht der Verteidiger zur Schonung des

rechtswidrig

Angreifenden nicht einzugehen.“. Hier ging es explizit auch um dem Fall, dass dem Angegriffenen nur eine Patrone im Revolver zur Verfügung steht. Ist dem Angreifer die Existenz der zur Verfügung stehenden Waffe allerdings unbekannt muss die Verwendung regelmäßig angedroht werden. Ich hoffe das hilft dir weiter :)

BEN

benjaminmeister

25.3.2025, 17:42:58

Im letzten Antworttext: "Maß der Verteidigungshandlung der drohenden Gefahr entsprechen" Das ist so nicht richtig. Bei der

Erforderlichkeit

wird grundsätzlich keine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt (Ausnahme: im Rahmen der

Gebotenheit

bei ganz krasser

Unverhältnismäßigkeit

). Davon zu sprechen, dass das Maß der Verteidigungshandlung der drohenden Gefahr entsprechen muss, halte ich für falsch und stimmt auch nicht mit dem darauf folgenden Satz überein, dass geprüft wird, ob das mildeste von gleich effektiven zur Verfügung stehenden Mitteln eingesetzt wird.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

30.3.2025, 11:38:22

Hallo @[benjaminmeister](216712), ich verstehe, was Du meinst, und Du hast natürlich inhaltlich völlig Recht. Allerdings ist es iRd

Erforderlichkeit

ieS eine tatsächlich durchaus verbreitete Formulierung, zu sagen, dass "Art und Maß der Verteidigungshandlung der drohenden Gefahr entsprechen" müssen (so zB wörtlich OLG Düsseldorf, Beschl v 17.2.2015, Az 1 Ws 418/14, BeckRS 2015, 9115; Fischer, StGB, 70. Aufl 2023, § 32 Rn 30; vgl auch BGH NStZ-RR 2013, 305, 306). Das ist für sich keine feststehende Definition und gewisse Abweichungen sind häufig, gerade das "Art und Maß" liest man in diesem Zusammenhang aber regelmäßig, auch im Zusammenhang mit der Ergänzung des "relativ mildesten Mittels". Man kann darüber diskutieren, wie glücklich diese Formulierung ist, "falsch" wird sie aber dadurch nicht. Wir sind insoweit, wie auch sonst, gerne offen für Änderungswünsche. Ich sehe durchaus einen gewissen Sinn darin, verschiedene, aber verbreitete Formulierungen in unseren Aufgaben abzubilden. Dadurch kann man sich den Inhalt und das Wesentliche dahinter oft besser einprägen - und sei es nur, weil einem eine dazu gelesene Definition seltsam vorkommt und man sich deshalb Gedanken dazu macht, ob das denn "passt" (wie in Deinem Fall). Gleichzeitig ermöglicht das, sich unter verschiedenen üblichen und gut vertretbaren Formulierungen (so es sie denn gibt) diejenige herauszusuchen, mit der man am besten klar kommt. Erfahrungsgemäß führt das aber gerne mal zum Hinweis der Uneinheitlichkeit und dem Wunsch, immer dieselbe Formulierung zu benutzen. Liest man allerdings immer nur dieselbe Formulierung/Definition, kommt häufig früher oder später der Hinweis, dass man es in der Vorlesung oder sonstwo anders gehört/gelesen habe und was denn nun "richtig" oder "falsch" sei - worauf es bei Jura natürlich oft nicht wirklich eine Antwort gibt. So oder so auch für uns kein leichter Balanceakt... Vor diesem Hintergrund würde ich die Aufgabe gerne für den Moment so stehen lassen. Wir behalten Euer Feedback dazu aber im Auge. Wenn es hier vermehrt Änderungswünsche gibt, werden wir uns nochmal in Ruhe Gedanken dazu machen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

BEN

benjaminmeister

31.3.2025, 07:56:43

Okay, mir war nicht bewusst, dass in anderen Quellen diese Formulierung so tatsächlich genutzt wird! Dann ist meine Kritik an der Aufgabe natürlich unberechtigt 😅 Als private Notiz habe ich mir trotzdem mal sicherheitshalber als Erinnerung festgehalten, dass grundsätzlich keine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt wird.


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