+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Stadt S engagiert den Pyrotechniker P, um beim Stadtfest ein Feuerwerk vorzuführen. Wegen eines fahrlässigen Installationsfehlers durch P, brennt ein Turm des dahinterliegenden Doms ab. Eigentümerin des Doms ist die Kirche K. Die baulastpflichtige S lässt die Schäden reparieren.
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Einordnung des Falls
Gesamtschuld – Dombrandfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Neben S war auch P gegenüber K zur Reparatur der Schäden an dem Turm verpflichtet.
Ja, in der Tat!
Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 823 Abs. 1 Var. 5 BGB). Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt (§ 823 Abs. 2 S. 1 BGB).
Durch das fahrlässige Handeln des P ist der Turm des Doms abgebrannt, was eine Verletzung des Eigentums der K darstellt. Gleichzeitig hat P dadurch eine fahrlässige Brandstiftung nach §§ 306d Abs. 1, 306 Abs. 1 StGB begangen, was eine Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB darstellt.
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2. S und P sind Gesamtschuldner im Sinne des § 421 S. 1 HS 1 BGB gegenüber K.
Nein!
Nach § 421 S. 1 HS 1 BGB setzt eine Gesamtschuld voraus, dass (1) mehrere Schuldner (2) eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder einzelne zur ganzen Leistung verpflichtet ist, (3) der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (4) müssen die Schuldner gegenüber dem Gläubiger auf derselben Stufen stehen.
S und P schulden jeweils die vollständige Reparatur des Turms und K kann diese nur einmal fordern. Jedoch stehen die beiden Schuldner gegenüber K nicht auf derselben Stufe. Letztverantwortlicher ist Schädiger P. Die Baulast regelt dagegen nicht die endgültige Verantwortlichkeit.
3. S hat einen Ausgleichsanspruch gegen P nach § 426 Abs. 1 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
Nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet. Dies bedeutet, dass ein Gesamtschuldner, der die ganze Leistung erbringt, einen Ausgleichanspruch gegenüber den übrigen Gesamtschuldnern hat.
S und P sind keine Gesamtschuldner. Ein Ausgleichanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB scheidet daher aus.
Das Gleiche gilt für einen Anspruch aus § 426 Abs. 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB/ §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 306d Abs. 1, 306 Abs. 1 StGB.
4. Die Reparatur des Turms stellte für S ein auch-fremdes Geschäft dar.
Ja, in der Tat!
Ein auch-fremdes Geschäft fällt nach außen erkennbar sowohl in den Rechts- und Interessenkreis eines anderen, als auch in denjenigen des Geschäftsführers selbst.
Die Reparatur des Turms ist ein Geschäft des P, da dieser hierzu aufgrund seiner deliktischen Haftung verpflichtet ist. Sie stellt somit ein für S fremdes Geschäft dar. Gleichzeitig ist die S jedoch durch ihre Baulast zur Reparatur verpflichtet, weshalb auch ein eigenes Geschäft der S vorliegt.
5. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach Auffassung des BGH widerlegbar vermutet.
Ja!
Der Fremdgeschäftsführungswille wird laut BGH bei auch fremden Geschäften genauso wie bei objektiv fremden Geschäften grundsätzlich widerlegbar vermutet.
Die Reparatur des Turms stellt ein für S auch-fremdes Geschäft dar.
Nach Ansicht der Literatur muss der Fremdgeschäftsführungswille dagegen positiv festgestellt werden. Vorliegend deutet nichts darauf hin, dass S Fremdgeschäftsführungswillen hatte. Vielmehr handelte sie wohl mit Eigengeschäftsführungswillen, weil sie ihrer Baulast nachkommen wollte. Ansprüche aus GoA scheiden somit aus. Aus § 255 BGB analog habe die S jedoch einen Anspruch gegen K auf Abtretung der Ansprüche gegen P.
6. Die Grundvoraussetzungen einer echten GoA nach § 677 BGB sind erfüllt.
Genau, so ist das!
Nach § 677 BGB setzen Ansprüche aus echter GoA (egal, ob berechtigt oder unberechtigt) voraus, dass ein Geschäftsführer (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen ausführt, (3) ohne vom Geschäftsherrn beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein.
Die Reparatur des Turms stellt ein auch-fremdes Geschäft dar. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet. P hat S weder zur Reparatur beauftragt, noch war S gegenüber P sonst dazu berechtigt.
7. Die Reparatur des Turms stellt nach Ansicht des Reichsgerichts eine berechtigte GoA im Sinne des § 683 S. 1 BGB dar.
Ja, in der Tat!
Eine GoA ist nach § 683 S. 1 BGB berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Der wirkliche Wille des Geschäftsherrn ist dabei stets vorrangig zu prüfen. Sein mutmaßlicher Wille wird erst relevant, wenn sein wirklicher Wille nicht ermittelbar ist, weil er diesen nicht geäußert hat. Der mutmaßliche Wille des Geschäftsherrn ergibt sich in der Regel aus seinem objektiven Interesse.
Die Reparatur des Turms entsprach dem objektiven Interesse des P, da auch er hierzu verpflichtet war.
8. S hat nach Auffassung des Reichsgerichts gegen P einen Aufwendungsersatzanspruch aus GoA nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.
Ja!
Zu diesem Ergebnis kam das Reichsgericht im sog. „Dombrandfall.“ Umstritten ist diese Entscheidung in der Literatur nicht nur wegen der Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens, sondern auch wegen der Annahme, dass die GoA dem objektiven Interesse des Geschäftsherrn entspräche.
Eine GoA liegt im Interesse des Geschäftsherrn, wenn sie ihm objektiv nützlich ist. Bei einer Schuldnermehrheit ist die Leistung durch einen Schuldner für einen anderen Schuldner nur nützlich, wenn er dadurch von seiner eigenen Verbindlichkeit befreit wird. Im Rahmen einer unechten Gesamtschuld wie hier ist dies jedoch nicht der Fall. Der BGH hat hierzu bislang noch keine Stellung beziehen müssen.