Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Subjektiver Tatbestand

Abgrenzung Eventualvorsatz/ bewusste Fahrlässigkeit bei einer Gasexplosion

Abgrenzung Eventualvorsatz/ bewusste Fahrlässigkeit bei einer Gasexplosion

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

E will sein Haus sanieren. Dazu müssen die Mieter ausziehen. E öffnet im Keller eine Gasleitung, um eine Explosion auszulösen. Er weiß, dass durch herabstürzende Gebäudeteile Personen tödlich getroffen werden könnten. Wenig später stürzt das Haus ein. Sechs Mieter sterben.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung Eventualvorsatz/ bewusste Fahrlässigkeit bei einer Gasexplosion

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Tod als mögliche Folge seines Handelns erkennt und dies billigt oder sich zumindest um des erstrebten Ziels willen damit abfindet.

Ja, in der Tat!

Die hM nimmt die Abgrenzung Vorsatz / Fahrlässigkeit anhand des voluntativen Elements vor: Der Täter hat bedingten Vorsatz, wenn er sich mit dem als möglich erkannten Erfolg abfindet (Ernstnahmetheorie der hL) bzw. den als möglich erkannten Erfolg billigend in Kauf nimmt (Billigungstheorie der Rspr.). Er handelt dagegen bewusst fahrlässig, wenn er mit dem als möglich erkannten Erfolg nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, dass er nicht eintritt
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2. E hatte bedingten Tötungsvorsatz (§ 212 Abs. 1 StGB), auch wenn ihm der Tod der Mieter unerwünscht war.

Ja!

BGH: E habe erkannt, dass die Explosion, die er verursachen wollte, durch herabstürzende Gebäudeteile oder umfallendes Mobiliar zum Tod von Mietern führen konnte. Dennoch habe er gehandelt. Dass es sich bei dem Einsturz und dem Tod um einen für E unerwünschten Taterfolg gehandelt habe, stehe der Annahme bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Nur ein von E aufgrund besonderer, außergewöhnlicher Umstände gehegtes Vertrauen, der von ihm für möglich gehaltene Tod werde nicht eintreten, würde einen bedingten Tötungsvorsatz ausschließen. Solche Umstände seien hier indes kaum vorstellbar. E habe den Tod gebilligt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Pilea

Pilea

14.12.2022, 14:59:36

Ich finde den Sachverhalt so stark verkürzt, dass er nicht mehr gut verständlich ist - warum braucht man eine Explosion, um das Haus zu sanieren? Warum die Info, dass die Mieter:innen ausziehen müssen, wenn sie letztendlich sich bei Explosion noch im Haus befinden?

GNU

Gnu

14.1.2023, 22:31:22

Ich habe den Sachverhalt anders verstanden: "Die Mieter müssen ausziehen" meint nicht, dass der Vermieter ihnen wirksam gekündigt hat. Es soll vielmehr bedeuten, dass der Vermieter möchte, dass sie das Haus verlassen, damit er sanieren kann. Darum möchte er eine Gasexplosion auslösen, damit die Mieter aus dem dann unbewohnbaren Gebäude ausziehen. Dass sie sich derzeit noch im Haus befinden, ist also vollkommen normal.

kokapidis

kokapidis

22.12.2022, 12:35:39

Aber die Mieter mussten doch ausziehen. E konnte also darauf vertrauen, dass sich niemand im Gebäude befindet. Aus der Tatsache, dass E weiß, dass Menschen sterben können, die sich pflichtwidrig im Gebäude aufhalten, kann doch nicht geschlossen werden, dass er dessen Tod auch billigt. Vielmehr hat er Vorsorgemaßnahmen getroffen, damit sich gerade niemand im Gebäude aufhält und hat damit auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut. Nach dem Sachverhalt ist sogar die Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit fragwürdig. Ist der Erfolg vorhersehbar, obwohl E die Mieter des Hauses verwiesen hat? Ist der Erfolg zurechnbar oder gefährden sich die Mieter hier eigenverantwortlich selbst?

Trallaballahopsasa

Trallaballahopsasa

10.1.2023, 14:00:53

Kurze Verständnisfrage noch zur Abgrenzung bedingter Vorsatz und direkten Vorsatz. Beim direkten Vorsatz müsste E mit sicherem Wissen davon ausgehen, dass Mieter sterben und sie wären dann nur eine Nebenfolge? Beim bedingten Vorsatz nimmt er den Tod der Mieter billigend in kauf, hat aber kein sicheres wissen, sondern nur dass Wissen, dass es passieren kann?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.1.2023, 12:46:57

Hallo Trallaballahopsasa, direkter Vorsatz ersten Grades stellt das kognitive Element in den Vordergrund, während das voluntative Element zurücktritt. Der Täter weiß also sicher, dass die Handlung zum Tod des Opfers führen wird. Er muss es aber nicht wollen er kann es sogar blöd finden, er nimmt die Handlung trotzdem vor in dem sicheren Wissen des eintretenden Todes. Bei bedingtem Vorsatz hält er den Erfolgseintritt für möglich und nimmt ihn billigend in Kauf. Wichtig ist hier, dass

billigende Inkaufnahme

nicht mit "Gutheißen" gleichzusetzten ist, sondern es ihm auch ungelegen sein kann. Er sagt sich quasi: Auch wenn er dabei stirbt, ich mach das jetzt trotzdem. Vielleicht findet er das auch gut. Aber Achtung - wenn es ihm gerade darauf ankommt, der Tod des Opfers also das Ziel seiner Handlung ist und er mit Absicht handelt ist es natürlich kein bedingter Vorsatz mehr sondern

dolus directus 1. Grades

. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Jonas22

Jonas22

6.6.2023, 13:29:59

Also ist es hier nur bedingter Vorsatz, weil er weiß, dass die Mieter durch die herabstürzenden Gebäudeteile sterben „könnten“ (!). Und wenn es direkter Vorsatz wäre, müsste im Sachverhalt stehen, dass er sich sicher ist, dass sie sterben? Also da reicht nicht, dass er die Möglichkeit erkennt, sondern er dürfte dann keine Zweifel haben?


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