Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Klassiker im Strafrecht
Klassiker im Strafrecht: Hells Angels-Rocker erschießt SEK-Beamten und bleibt straffrei: Der Erlaubnistatbestandsirrtum - Jurafuchs
Klassiker im Strafrecht: Hells Angels-Rocker erschießt SEK-Beamten und bleibt straffrei: Der Erlaubnistatbestandsirrtum - Jurafuchs
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Rocker R ("Hells Angels") hört des Nachts dumpfe Geräusche. Jemand versucht, die Haustür zu öffnen, obwohl R ihn auffordert, zu verschwinden. R erwartet einen Killer und schießt durch die geschlossene Tür. Er tötet dabei den SEK-Beamten P, der R festnehmen wollte.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Der Strafrechtsklassiker, den jeder Jurastudierende wohl im ersten Semester kennenlernt: der „Hell-Angels-Fall“. Ein Mitglied des Motorradclubs Hells Angels erschoss einen Polizisten während einer Razzia in seinem Haus. Der Mann glaubte, dass die Eindringlinge rivalisierende Gangmitglieder seien, die ihn töten wollten und er sich somit in einer lebensbedrohlichen Situation befand. Er befand sich also in dem Glauben, es läge eine Notwehrlage vor. Auch der sofortige Einsatz einer tödlichen Waffe des Täters sei angesichts seiner Wahrnehmung unmittelbarer Gefahr gerechtfertigt gewesen. Der Rocker befand sich also in einem straffreien Erlaubnistatbestandsirrtum.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hat R den Tatbestand des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) erfüllt?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. R handelte in Notwehr (§ 32 StGB). War sein Handeln gerechtfertigt?
Nein, das trifft nicht zu!
3. R handelte in rechtfertigendem Notstand (§ 34 StGB). War sein Handeln gerechtfertigt?
Nein!
4. R ging davon aus, er müsse sein Leben gegen einen Killer verteidigen. Unterlag R daher einem Erlaubnistatbestandsirrtum?
Genau, so ist das!
5. Lässt die Rechtsprechung beim Erlaubnistatbestandsirrtum den Vorsatz entfallen?
Nein, das trifft nicht zu!
6. Hat sich R durch den Schuss durch die geschlossene Tür einer fahrlässigen Tötung (§§ 222, 16 Abs. 1 S. 2 StGB) strafbar gemacht?
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
Fundstellen
Prüfungsschema
Wie prüfst Du die Rechtfertigung wegen Notwehr (§ 32 StGB)?
- Notwehrlage
- Angriff
- Gegenwärtigkeit
- Rechtswidrigkeit
- Notwehrhandlung
- Erforderlichkeit
- Gebotenheit
- Subjektives Rechtfertigungselement ("Verteidigungswille")
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Eigentum verpflichtet 🏔️
25.6.2020, 01:26:51
Die Abkürzung ETI für den Erlaubnistatbestandsirrtum kenne ich nicht. Überall ließt man eigentlich "ETBI".
Christian Leupold-Wendling
28.6.2020, 11:27:23
Hi, danke für die Anmerkung! Wir versuchen solche Art von Abkürzungen ohnehin zu vermeiden, um nicht den Eindruckt zu verstärken, dass Jura eine schwer zugängliche Geheimsprache ist. Wir haben das auch hier jetzt ausgeschrieben. Besten Gruß, - Christian
lonin
13.5.2021, 13:25:20
Was ist das eigentlich für ein dummer Name? Nach der herrschenden orthodox-katholischen Auslegung ist dies ein Widerspruch in sich, nicht vertretbar und damit dumm.
lonin
13.5.2021, 13:25:56
Konstruktiver Verbesserungsvorschlag: „Fallen Angels“
Tigerwitsch
13.5.2021, 13:44:17
So heißt nunmal der Motorrad- und Rockerclub 😉 Der Name stammt ursprünglich aus einem Titel eines Howard-Hughes-Films, („Hell's Angels“) über Flugpioniere der Royal Flying Corps im Ersten Weltkrieg. Danach wurde im Zweiten Weltkrieg eine Bomberstaffel der US Army Air Force sowie wenigstens ein B-17F Flying Fortress Bomber benannt. Das hat der Club aufgegriffen.
yangbo
13.4.2023, 12:48:27
Hinsichtlich der Frage zur Position der Rechtsprechung heißt das im Ergebnis aber, dass der eingeschränkten Schuldtheorie gefolgt wird, der Vorsatz deswegen bestehen bleibt und man aber rechtsfolgeseitig über § 16 analog geht?
Benny0707
7.5.2024, 12:00:14
Hi @[yangbo](208159) . So siehts aus. Wie ich das verstanden habe, will die Rspr. damit der berechtigten Kritik der entgegenkommen, dass man bei der eingeschränkten Schuldtheorie durch das Entfallen lassen des Vorsatzes, einen eventuellen Teilnehmer privilegieren würde. Sprich: der Haupttäter handelt nach der eingeschränkten Theorie ohne Vorsatz und ist deswegen straffrei. Gibt es nun einen Teilnehmer, würde dieser ebenfalls straffrei bleiben, weil es schon an einer „vorsätzlichen“ rechtswidrigen Haupttat fehlt. Also wird der Teilnehmer trotz eventuell begangenem Unrecht nicht belangt. Wendet man nun über die Ansicht der Rspr. § 16 I StGB analog an, entfällt die sog. „Vorsatzschuld“ = Vorsatz (+), aber Schuld (-). Damit bleibt der Haupttäter immer noch straffrei, aber der eventuelle Teilnehmer könnte durch das Vorliegen einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Tat des Haupttäters belangt werden. Ich hoffe, dass ich diesen komplizierten Zusammenhang verständlich aufarbeiten und helfen konnte. LG Benny :)