Kölner Müllskandal - Jurafuchs

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: A steckt sich Geld in die Tasche während C eine Müllverbrennungsanlage baut. Währenddessen schaut der Staat in Form des Bundesadlers traurig auf A.

A ist Geschäftsführer von B, einem städtisch beherrschten Müllentsorger mit privater Sperrminorität. B plant den Bau einer Verbrennungsanlage. C möchte diese errichten. A lässt sich von C Schmiergeld zahlen, welches C im Angebot einkalkuliert. A manipuliert die Ausschreibung, damit C den Zuschlag erhält.

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Einordnung des Falls

Der BGH entschied 2005 über einen Geschäftsführer eines öffentlichen Müllentsorgungsunternehmens, der für Schmiergeld eine öffentliche Ausschreibung manipuliert hatte. Dadurch hatte sich der Täter nicht nur der Untreue, sondern auch der Bestechlichkeit schuldig gemacht. Eine Amtsträgereigenschaft liege hingegen nicht vor.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat A sich wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht?

Genau, so ist das!

Nach § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB macht sich strafbar, wer die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen (Vermögensbetreuungspflicht), verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil zufügt.A hatte als Geschäftsführer der B die durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis (§§ 6, 35 GmbHG) über das Vermögen der B zu verfügen. Diese Pflicht hat er als Geschäftsführer gegenüber der B verletzt und hierdurch der B einen Vermögensnachteil in Höhe des vereinbarten Schmiergeldaufschlags zugefügt.
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2. Ist A wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar?

Ja, in der Tat!

Nach § 299 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens einen Vorteil für sich als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Waren oder Dienstleistungen einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge.Mit Abschluss der Unrechtsvereinbarung hat A ein Schmiergeld dafür angenommen, dass C den Zuschlag für den Bau der Müllverbrennungsanlage erhält und dadurch in Höhe des Schmiergeldes als Gegenleistung für die Bevorzugung einen Vorteil erlangt.

3. Könnte A zudem wegen Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB strafbar sein, wenn A Amtsträger ist?

Ja!

Bei Straftaten in öffentlich beherrschten Unternehmen stellt sich die Frage, ob deren Geschäftsführer - wie hier A -, Vorstände oder anderweitigen Entscheidungsträger als Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 a)-c) StGB anzusehen sind. Denn die Amtsträgerschaft begründet eine Strafbarkeit bei Amtsdelikten der §§ 331 ff. StGB - vorliegend § 332 Abs. 1 StGB - und wirkt sich bei unterschiedlichen Delikten als strafschärfendes Merkmal aus. Amtsträger ist, wer nach deutschem Recht Beamter ist (Nr. 2 a)), in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht (Nr. 2 b)), oder bestellt ist, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen (Nr. 2 c)).

4. Ist A Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 a) StGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

A ist kein Beamter nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 a) StGB. Danach unterfallen der Norm nur Personen, die sich freiwillig unter förmlicher Berufung in ein vom Staat begründetes öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis begibt, das für den Staat eine Schutz- und Unterhaltspflicht begründet. Beamter im Sinne der Vorschrift ist damit nur Beamter im statusrechtlichen Sinne.

5. Ist A Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 b) StGB, weil er als Geschäftsführer eines öffentlich beherrschten Unternehmens in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht?

Nein, das trifft nicht zu!

A ist kein Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 b) StGB. Von dieser Norm werden Personen erfasst, die in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehen. Darunter fallen etwa Notare (mit gewissen Ausnahmen), Minister der Bundes- und der Landesregierung, Parlamentarische Staatssekretäre und Vorstände kommunaler Zweckverbänden (Fischer, 66. Auflage § 11 RdNr. 16).

6. Setzt die Amtsträgereigenschaft gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB voraus, dass der Täter dazu bestellt ist, bei einer oder für eine Behörde oder "sonstige Stelle" Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen?

Ja!

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB setzt eine Aufgabenwahrnehmung bei einer oder für eine Behörde oder "sonstige Stelle" voraus. "Sonstige Stellen" sind nur behördenähnliche Institutionen, die befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken. Zugleich sind auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand als „sonstige Stellen“ Behörden gleichgestellt, soweit Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung mit einer Behörde rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei derart staatlicher Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung als „verlängerter Arm“ des Staates erscheinen.

7. Ist A Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB, weil er wegen seiner Geschäftsführerstellung dazu bestellt ist bei einer "sonstigen Stelle" Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen?

Nein, das ist nicht der Fall!

A ist kein Amtsträger nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB, weil B keine "sonstige Stelle" zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ist. Ein öffentliches Entsorgungsunternehmen nimmt zwar öffentliche Aufgaben wahr. Es muss jedoch auch bei einer Gesamtbetrachtung als "verlängerter Arm" des Staates erscheinen. Ein gemischt-organisiertes Unternehmen erscheint mangels hinreichender staatlicher Steuerung dann nicht als "verlängerter Arm", wenn private Anteilseigner durch eine Sperrminorität wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen können.

8. Ist A gemäß § 332 Abs. 1 StGB strafbar?

Nein, das trifft nicht zu!

Mangels Amtsträgereigenschaft gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 a)-c) StGB ist eine Strafbarkeit des A wegen Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB ausgeschlossen.
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Prüfungsschema

Wie prüfst Du die Strafbarkeit wegen Untreue in der Missbrauchsvariante (§ 266 Abs. 1 Var. 1 StGB)?

  1. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Subjektiver Tatbestand
    2. Objektiver Tatbestand
      1. Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis
      2. Missbrauch der Befugnis
      3. Vermögensbetreuungspflicht
      4. Vermögensnachteil
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld
  4. Strafzumessung: Besonders schwere Fälle (§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 StGB)

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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GI

GingerCharme

4.5.2020, 12:00:40

Die Frage bezüglich: "der objektive Tatbestand der Bestechlichkeit setzt voraus, dass A Amtsträger ist" ist mMn falsch. Denn der Gesetzeswortlaut nennt sogleich Alternativen zum Amtsträger mit z.B. dem sonstig öffentlich Bestellten. Ergo setzt der Tatbestand nicht zwingend eine Amtsträgereigenschaft per se voraus. Ich weiß zwar was gemeint war, doch wenn man die Frage gestellt bekommt vermutet man eine Falle und verneint potentiell, da man bei strengem Wortlaut nur zu diesem Schluss kommen kann.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

28.6.2020, 12:28:10

Vielen Dank für den berechtigten Hinweis! Haben wir korrigiert.

Real Thomas Fischer Fake 🐳

Real Thomas Fischer Fake 🐳

21.10.2020, 03:21:58

Der Sachverhalt enthält nicht genügend Angaben um einen Vermögensnachteil des Müllentsorgers B bejahen zu können. Ich bitte darum, den Sachverhalt entsprechend anzupassen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.12.2021, 13:29:40

Vielen Dank für den Hinweis, Real Thomas Fischer Fake! Wir haben den Hinweis mit aufgenommen, dass der Schmiergeldaufschlag bereits in Cs Angebot einkalkuliert war, um deutlich zu machen, dass sich das Angebot dadurch verteurt hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jana-Kristin

Jana-Kristin

26.1.2022, 08:05:59

Könnte A nicht ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter sein (11 I Nr. 4 StGB), wenn er nicht Amtsträger iSd Nr. 2 ist? Diese sind auch vom Tatbestand des

332 StGB

erfasst.

VIC

Victor

26.1.2022, 13:32:48

Könnte er sein. Aber ich meine auch hier kommt es für die Stelle, die Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnimmt oder Betriebe auch wieder darauf an, ob bei privatrechtlicher Organisation das Merkmal hinsichtlich „verlängerter Arm“ der Verwaltung vorliegt. Das ist ja gerade nicht gegeben.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

27.1.2022, 17:32:19

Hallo ihr beiden, in der Tat sollte nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 7/550, 211) das Merkmal nur erfüllt sein, wenn der besonders Verpflichtete gleichsam als "verlängerter Arm" der Verwaltung agiert, woran es hier fehlt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CAMU

Camus

3.6.2022, 22:35:01

Warum wird hier der Missbrauchstatbestand des 266 I Alt. 1 nicht bejaht? Weil das Rechtsgeschäft wegen kollusivem Zusammenwirken von Geschäftsführer und Geschäftspartner unwirksam ist?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

7.6.2022, 16:52:24

Hallo Camus, genau richtig. Für die Tatbestandsmäßigkeit nach § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB ist der "Missbrauch der Befugnis" erforderlich und damit ein zivilrechtlich wirksames Rechtsgeschäft. Daran scheitert es hier, wie von dir beschrieben. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

CAMU

Camus

7.6.2022, 18:11:55

Danke:)


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