Prozessrecht & Klausurtypen

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Versäumnisurteil

Frist - Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung

Frist - Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung

30. Juni 2025

6 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Beklagter B hat entgegen § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen will. Es ergeht ein Versäumnisurteil gegen ihn, das dem Klägervertreter am Freitag, 08.10. und dem Beklagtenvertreter am Donnerstag, 07.10. zugeht. B legt Einspruch ein. Dieser geht dem Gericht am Freitag, 22.10. zu.

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Einordnung des Falls

Frist - Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist der Einspruch statthaft, obwohl noch keine mündliche Verhandlung angesetzt war (§ 338 ZPO)?

Ja, in der Tat!

Der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ist nach § 338 ZPO nur gegen ein erstes echtes Versäumnisurteil statthaft. Das Versäumnisurteil muss also aufgrund der Säumnis gegen den Säumigen ergangen sein. Die Säumnis kann bereits im schriftlichen Vorverfahren vorliegen, wenn der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft nicht anzeigt. Gegen B ist ein echtes Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO ergangen, da er seine Verteidigungsbereitschaft im schriftlichen Vorverfahren entgegen § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig angezeigt hat. „Der Einspruch ist statthaft. Das Urteil ist ein „echtes Versäumnisurteil“, das aufgrund der entgegen § 276 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig eingegangenen Verteidigungsanzeige des Beklagten gem. § 331 Abs. 3 ZPO ergangen ist.“
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2. Da dem Beklagtenvertreter das Versäumnisurteil bereits am Donnerstag, 07.10. zugegangen ist, wurde mit Eingang der Einspruchsschrift bei Gericht 15 Tage später (Freitag, 22.10.) die Einspruchsfrist nicht gewahrt (§ 339 ZPO).

Nein!

Die Einspruchsfrist beginnt bei verkündeten Versäumnisurteilen mit der Zustellung an den Einspruchsführer (§ 339 ZPO). Sofern aber das Versäumnisurteil aufgrund von Säumnis im schriftlichen Vorverfahren ergeht und daher keine mündliche Verhandlung stattfindet (§ 331 Abs. 3 ZPO), beginnt die Einspruchsfrist erst mit Zustellung an beide Rechtsanwälte (sofern keine bestellt sind: an beide Parteien). Denn die Zustellung an beide ersetzt nach § 310 Abs. 3 ZPO die Verkündung des Urteils und erst mit dieser wird das Urteil rechtlich existent (§ 310 Abs. 1 ZPO). Bevor das Urteil nicht existent ist, kann die Einspruchsfrist nicht laufen. Die letzte von Amts wegen zu bewirkende Zustellung an den Klägervertreter am 08.10. ist maßgeblich. Die Einspruchsfrist begann am 09.10. um 00 Uhr und endete am 22.10. um 24 Uhr (§ 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). B hat die Einspruchsfrist gewahrt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

VAN

vaniii

3.12.2022, 22:49:50

Wäre das VU nicht im schriftlichen Verfahren ergangen dann wäre nach 317 ZPO aber nur einen Zustellung an den Unterliegenden erfolgt oder?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.12.2022, 13:28:10

Exakt, vaniii! Insoweit musst Du Dir beim Versäumnisurteil immer ver

gegenwärtig

en, ob es im schriftlichen

Vorverfahren

oder im Termin zur mündlichen Verhandlung ergangen ist :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FABY

Faby

18.1.2025, 11:31:06

Wie läuft das in der Praxis, also woher weiß der Rechtsanwalt, wann die Einspruchsfrist abläuft? Ruft man dann bei der anderen Partei an und fragt „Hey, wann war denn bei dir die Zustellung?“ 😅 oder geht man in der Praxis einfach immer nur von der eigenen Zustellung aus, weil die danach berechnete Frist dann zumindest nie zu spät ist, höchstens etwas zu früh?

CVA

cvas_

9.6.2025, 19:00:21

Würde mich auch interessieren!

JURA

Jura_Hacks

12.6.2025, 12:48:46

Es gibt das EB (Empfangsbestätigung), grad bei Nutzung von BeA (elektronisches RA-Postfach). Man kann sich das als eine Art Lesebestätigung vorstellen.

KLA

KlarKarl

19.3.2025, 18:54:38

ME beginnt die Frist mit dem Ereignis und nicht um 00:00 Uhr des Folgetages. § 187 I BGB spricht auch ausdrücklich von der Fristberechnung. So kann auch sofort nach dem Ereignis, hier der Zustellung, Einspruchs eingelegt werden und nicht erst um 00:00 Uhr des Folgetages.


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