Motivbündel im Rahmen von § 216 StGB

3. Dezember 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V bittet seinen Sohn T ausdrücklich und ernsthaft, ihn umzubringen. T folgt der Entscheidung des V, die dieser mit freien Willen getätigt hat. Jedoch war nicht der Wunsch des V für T tatsächlich handlungsleitend, sondern T wollte frühzeitig erben.

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Einordnung des Falls

Motivbündel im Rahmen von § 216 StGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat seine Tötung i.S.d. § 216 Abs. 1 StGB ausdrücklich und ernstlich verlangt.

Ja!

Ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen setzt mehr als ein bloßes Einverständnis voraus, denn der Getötete muss auf den Willen des Täters nachdrücklich eingewirkt haben. Ausdrücklich meint hierbei eine eindeutige und unmissverständliche Ausdrucksweise des Verlangens. Ernstlich ist ein Verlangen, wenn es auf freier und fehlerfreier Willensbildung beruht; es muss also frei von Täuschung, Zwang, Irrtum oder anderen wesentlichen Willensmängeln sein. V hat hier seine Tötung ausdrücklich und ernstlich gegenüber T verlangt.
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2. V hat den T auch zu seiner Tötung "bestimmt" (§ 216 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Bestimmen nach § 216 StGB entspricht dem Bestimmen im Sinne der Anstiftung (§ 26 StGB). Gemeint ist das Hervorrufen des Tatentschlusses. Ein bereits zur Tötung entschlossener Täter (omnimodo facturus) kann nicht mehr zur Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) bestimmt werden. Es ist nicht ersichtlich, dass T bereits vor dem Wunsch des V zur Tat entschlossen war. T wurde mithin von V zur Tat bestimmt.

3. T wurde durch das Tötungsverlangen zur Tat bestimmt (§ 216 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Durch das Tötungsverlangen wird jemand zur Tat bestimmt, wenn das Verlangen bestimmend ist und es im Täterbewusstsein dominiert. Das Tötungsverlangen muss tatsächlich handlungsleitend sein und andere Motive (Motivbündel) dürfen nur eine untergeordnete Rolle spielen. T handelte aus Habgier und das Tötungsverlangen des V war hier nicht handlungsleitend, sondern spielte nur eine untergeordnete Rolle. Eine Strafbarkeit aus § 216 Abs. 1 StGB kommt nicht in Betracht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TUBAT

TubaTheo

5.6.2024, 18:12:10

Das "Bestimmen" wird ja im objektiven Tatbestand geprüft. Hier wurde aber schon in diesem Zuge die

Habgier

und das

Motivbündel

erwähnt, obwohl dieses Merkmal doch eigentlich in den subjektiven Tatbestand gehört. Wie mache ich das dann in der Klausur? Ich hätte nämlich das "Bestimmen" und damit den objektiven Tatbestand bejaht und dann aber den subjektiven Tatbestand verneint (und eben erst dort die

Habgier

erwähnt). Wäre das auch so möglich oder muss ich schon beim "Bestimmen" rausfliegen?

JUDI

judith

2.8.2024, 19:38:35

Meiner Einschätzung nach ist dieses Problem im objektiven Tatbestand beim "Bestimmen zur Tötung" anzusprechen. Wie in den Antworten bereits ausgeführt, kann ein bereits zur Tötung entschlossener Täter nicht mehr zur Tötung bestimmt werden. T hatte bereits ein Tötungsverlangen. Er konnte objektiv von V gar nicht mehr zur Tötung bestimmt werden.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

17.10.2024, 10:25:49

Hallo @[TubaTheo](201157), @[judith ](160833) hat Deine Frage hier schon sehr gut beantwortet. Die Motive des T spielen hier schon iRd objektiven Tatbestands unter dem Merkmal des Bestimmens eine Rolle. Es kommt nämlich darauf an, dass eine kausale Verknüpfung zwischen dem Verlangen des Getöteten und der Tat besteht. Wer zB schon aus einem anderen Grund zur Tötung entschlossen war, kann dazu nicht mehr "bestimmt" werden (statt aller BeckOK-StGB/Eschelbach, 62. Ed, Stand 1.8.24, § 216 Rn 15). Du bist evtl irritiert, weil wir hier dann tatsächlich das Motiv des Täters im objektiven Tatbestand ansprechen müssen. Anders geht es aber nicht, denn die Motivation des Täters ist wie gesagt eben (auch) Teil der Frage des objektiven "Bestimmens". Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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