Beschränkungen und Abweichungen

8. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

O bittet den T eindringlich, sie durch Giftbeibringung sanft zu töten. T folgt der Bitte, die O mit freiem Willen getätigt hat. Allerdings vergiftet T die O nicht wie gewünscht, sondern erdrosselt sie qualvoll.

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Einordnung des Falls

Beschränkungen und Abweichungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. O hat ihre Tötung „ausdrücklich und ernstlich verlangt“ (§ 216 Abs. 1 StGB).

Ja!

Ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen setzt mehr als ein bloßes Einverständnis voraus, denn der Getötete muss auf den Willen des Täters nachdrücklich eingewirkt haben. Ausdrücklich meint hierbei eine eindeutige und unmissverständliche Ausdrucksweise des Verlangens. Ernstlich ist ein Verlangen, wenn es auf freier und fehlerfreier Willensbildung beruht; es muss also frei von Täuschung, Zwang, Irrtum oder anderen wesentlichen Willensmängeln sein. O hat hier ihre Tötung ausdrücklich und ernsthaft gegenüber T verlangt. Zudem hat er die Tötungsart in ihrem Verlangen ausdrücklich bestimmt.
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2. Obwohl T die O nicht wie verlangt durch Giftbeibringung getötet hat, ist der Tatbestand Tötung auf Verlangen (§ 216 Abs. 1 StGB) erfüllt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Tötungsverlangen muss noch zum Zeitpunkt der Tathandlung fortbestehen. Etwaige Bedingungen, an die das Verlangen geknüpft ist, müssen im Tatzeitpunkt vorliegen. Enthält es Einschränkungen bezüglich der gewünschten Tötungsweise, scheidet bei wesentlichen Abweichungen eine Strafbarkeit nach § 216 Abs. 1 StGB aus. Eine solche gravierende Abweichung ist in der Handlungsweise des T zu erblicken, denn O wünschte sich gerade einen sanften Tod und musste durch die tatsächlich verwirklichte Tötungsart qualvoll sterben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

frausummer

frausummer

24.1.2022, 10:37:55

iE haben wir für T also eine Strafbarkeit nach §212, ggf. §211?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.1.2022, 12:31:01

Genau :-)

Isabell

Isabell

11.2.2022, 11:40:13

Hui. Spannende Beweisfragen 🧐

VIC

Victor

12.2.2022, 05:48:23

Inwiefern? Denke hier würden in der Realität doch erhebliche Indizien für Mord/Totschlag sprechen: medizinisches Gutachten hinsichtlich Art der Verletzungen, man müsste etwas haben, wie zB einen Brief, dass der O sterben wollte und idR dann auch wie. Dann hat man die abweichende Ausführung. Zudem wäre auch eine Einlassung eindeutig. Andere Aussagen wären vermutlich offensichtlich als Schutzbehauptungen ersichtlich. Denke das wirkt auf den ersten Blick komplizierter als es im Nachhinein ist.

Jonas Neubert

Jonas Neubert

12.9.2023, 17:25:32

Nach dem Bild ist O weiblich und müsste dementsprechend grammatikalische Beachtung finden

PO

Polosupsecond

25.3.2024, 17:06:56

Das ist mir auch aufgefallen und wurde wohl bisher nicht behoben

eichhörnchen II

eichhörnchen II

15.5.2024, 19:58:36

wo genau spricht man das im Gutachten an?

JUDI

judith

15.5.2024, 23:31:55

Ich würde diese Problematik bei „ausdrückliches und ernstliches Verlangen“ ansprechen Versuch dich am besten an das Schema zu halten: I. Tatbestandsmäßigkeit 1. Objektiver Tatbestand a) Tötung eines anderen Menschen b) Zur Tötung bestimmt c) Ausdrückliches und ernstliches Verlangen Hier geht es darum, ob das gewählte Mittel der Herbeiführung auch vom Verlangen des Opfers gedeckt ist. O hat von T zwar ausdrücklich und ernstlich die Tötung verlangt. Das Verlangen war aber an eine gewisse Bedingung geknüpft (die Herbeiführung des Todes durch Gift). Von dieser Bedingung bzgl. der gewünschten Tötungsweise ist T abgewichen. Die Abweichung (Tötung durch die Zufügung qualvoller Schmerzen) war wesentlich. Folglich war die Handlung des T nicht vom Verlangen der O gedeckt.

MRA

mra

4.7.2024, 12:00:31

Wie wäre dann der Fall zu behandeln, wenn beispielsweise der Ehemann das Gift untermischen würde, es jedoch zu niedrig dosiert sein sollte für einen geplanten schnellen Tod und daraufhin eine Alternative (bpsw. das Erdrosseln) wählt, um seine Frau von ungeplanten langen Dahinraffen oder ähnlichem wie extremen unvorhersehbaren Schmerzen, zu erlösen?

TI

Timurso

4.7.2024, 12:48:15

Wäre imo nur dann vom Verlangen umfasst, wenn auch das ausdrücklich gewünscht wird. Kann entweder vor oder nach dem Vergiften geschehen, aber nur, weil der Ehemann zum vermeintlich Besten der Ehefrau handelt, reicht das nicht, um zum 216 zu kommen.


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