Öffentliches Recht

VwGO

Fortsetzungsfeststellungsklage

Statthaftigkeit der FFK bei Verpflichtungskonstellation 1: analoge Anwendung: Erledigung

Statthaftigkeit der FFK bei Verpflichtungskonstellation 1: analoge Anwendung: Erledigung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Apfelweinverkäuferin A beantragt die Zulassung ihres Standes auf dem Sommerfest der Gemeinde G. Nach Ablehnung ihres Antrags und Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhebt A Klage. Bevor das Gericht entscheiden kann, ist das Fest vorbei.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit der FFK bei Verpflichtungskonstellation 1: analoge Anwendung: Erledigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthaft ist die Verpflichtungsklage, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt. Die Zulassung von As Stand wäre ein Verwaltungsakt.

Genau, so ist das!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Begehrt der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts, ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft. Die Merkmale eines Verwaltungsakts sind in § 35 S. 1 VwVfG festgehalten. Ein Zulassungsbescheid hätte die Rechtsfolge, dass A (= Einzelfall) ihren Stand auf dem Fest aufbauen darf (= Regelung). Der Bescheid würde von der Behörde B auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (§§ 69ff. GewO) mit Außenwirkung erlassen werden. Es würde sich um einen klassischen Verwaltungsakt handeln.
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2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage kommt nur in Betracht, wenn ursprünglich die Anfechtungsklage statthaft war.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO findet direkt nur Anwendung, wenn sich ein zunächst wirksamer Verwaltungsakt erledigt hat, bevor das Gericht über die erhobene Anfechtungsklage entscheiden konnte. Daneben gibt es aber Konstellationen, in denen § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog angewendet wird. Unter anderem dann, wenn der Kläger ursprünglich den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt hat und somit die Verpflichtungsklage statthaft war. Die Fortsetzungsfeststellungsklage kommt etwa dann in Betracht, wenn sich der begehrte Verwaltungsakt, wenn er erlassen worden wäre, mittlerweile erledigt hätte.

3. As Standgenehmigung für das Sommerfest hätte sich mittlerweile erledigt.

Ja!

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unter anderem dann statthaft, wenn sich der ursprünglich begehrte Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits erledigt hätte, wenn er erlassen worden wäre (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog). Die begehrte Genehmigung hätte As Apfelweinstand auf dem Sommerfest zugelassen. Nach dem Sommerfest hätte sich diese zeitlich begrenzte Genehmigung erledigt. Der Erlass der Genehmigung ist mit Beendigung des Sommerfests nicht mehr sinnvoll. Diese Konstellation ist eng verwandt mit dem in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO unmittelbar geregelten Fall, dass sich der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt.

4. Wird der Erlass eines Verwaltungsakts nicht mehr begehrt, scheidet jeglicher Rechtsschutz gegen das (Nicht)Handeln der Verwaltung aus.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein konkretes Verpflichtungsbegehren kann sich aus unterschiedlichen Gründen erledigen. Dennoch kann es Situationen geben, in denen es wichtig für den Betroffenen ist, seinen Anspruch auf Erlass des ursprünglich begehrten Verwaltungsakt gerichtlich feststellen zu lassen. In diesen Fällen ist die Fortsetzungsfeststellungsklage gerichtet auf die Feststellung des Anspruchs auf Erlass des ursprünglich begehrten Verwaltungsakts statthaft (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog). Ob der Kläger tatsächlich ein berechtigtes Interesse an der Feststellung seines Anspruchs hat, muss erst im Rahmen des Rechtsschutzbedürfnisses thematisiert werden.

5. As ursprüngliches Verpflichtungsbegehren hat sich erledigt, bevor das Gericht über ihre Klage entscheiden konnte. Statthaft ist deswegen die Fortsetzungsfeststellungsklage.

Ja, in der Tat!

Die Fortsetzungsfeststellungsklage gibt es nicht nur als verlängerte Anfechtungsklage, sondern auch für Verpflichtungsbegehren. Hätte sich der begehrte Verwaltungsakt mittlerweile erledigt, wenn er erlassen worden wäre, kann die erhobene Verpflichtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt werden. Diese richtet sich dann auf die Feststellung, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Antrags einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakt gehabt hätte. A kann die Fortsetzungsfeststellungsklage gerichtet auf die Feststellung, dass sie einen Anspruch auf Genehmigung ihres Standes auf dem Sommerfest gehabt hätte, erheben (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

RAP

Raphaeljura

17.7.2023, 23:25:57

Nur um sicherzugehen: § 113 I 4 VwGO analog weil sich der VA vor Klageerhebung erledigt hat. Allerdings geht der § 113 VwGO grundsätzlich von einer Anfechtungsklage aus. Insofern müsste in der obigen Konstellation es heißen, "doppelt analog". Sehe ich das richtig?

EVA

evanici

4.9.2023, 13:45:37

Genau das habe ich mir auch gedacht!

BEEPB

BeepBoop

21.9.2023, 17:33:09

Das Verpflichtungsbegehren erledigt sich hier mit dem Ende des Sommerfestes. Diese Erledigung tritt nach dem Sachverhalt wohl nach Erhebung der Klage ein (,,noch bevor das Gericht entscheiden konnte, ist das Fest vorbei").

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

3.7.2024, 11:25:06

Hallo in die Runde, der Begriff der „doppelten Analogie“ ist vor allem eine Formulierung, um sich zu merken, dass die Analogie hier in Bezug auf den Erledigungszeitpunkt UND die Verpflichtungssituation besteht. Sie wird in Lehrbüchern verwendet, um die verschiedenen Konstellationen der FFK besser voneinander abgrenzen zu können. Allerdings kann eine Norm streng genommen nicht „doppelt“ analog angewendet werden, es handelt sich also um einen sehr untechnischen Ausdruck. Es ist daher korrekt, von der (einfachen) analogen Anwendung von § 113 Abs. 1 S. 4 Abs VwGO zu sprechen. Ich habe aber zur Klarstellung einen entsprechenden Vertiefungshinweis aufgenommen. Viele Grüße, Linne - für das Jurafuchs-Team.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

3.7.2024, 11:29:33

Hallo in die Runde, in diesem Fall liegt die Erledigung tatsächlich nach Klageerhebung, weswegen eine „einfache Analogie“ vorliegt. Generell ist der Begriff der „doppelten Analogie“ vor allem eine Formulierung, um sich zu merken, dass die Analogie hier in Bezug auf den Erledigungszeitpunkt UND die Verpflichtungssituation besteht. Sie wird in Lehrbüchern verwendet, um die verschiedenen Konstellationen der FFK besser voneinander abgrenzen zu können. Allerdings kann eine Norm streng genommen nicht „doppelt“ analog angewendet werden, es handelt sich also um einen sehr untechnischen Ausdruck. Es ist daher korrekt, von der (einfachen) analogen Anwendung von § 113 Abs. 1 S. 4 Abs VwGO zu sprechen. Viele Grüße, Linne - für das Jurafuchs-Team.

MAG

Magie99Capona

2.7.2024, 08:47:46

ich finde es wie schon in der vorherigen Aufgabe seltsam das am ende einfach gesagt wird die FFK ist statthaft ohne das analog dazu zuschreiben, ob eine klageart analog oder direkt angewendet wird ist ja schon ein unterschied vor allem bei einer doppelt analogen Anwendung

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

3.7.2024, 11:35:57

Hallo @[Magie99Capona](247187), danke für Deine Nachfrage. Tatsächlich ist es richtig, auch bei der analogen Anwendung von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO davon zu sprechen, dass die Fortsetzung

feststellungsklage

statthaft ist. Die Statthaftigkeit der Klageart ergibt sich lediglich aus der analogen Anwendung der Norm. Wichtig ist also nur, dass das „analog“ bei der Verwendung der Normen genannt wird. Zum Thema der „doppelten“ Analogie: Dieser Begriff ist vor allem eine Formulierung, um sich zu merken, dass die Analogie hier in Bezug auf den Erledigungszeitpunkt UND die Verpflichtungssituation besteht. Sie wird in Lehrbüchern verwendet, um die verschiedenen Konstellationen der FFK besser voneinander abgrenzen zu können. Allerdings kann eine Norm streng genommen nicht „doppelt“ analog angewendet werden, es handelt sich also um einen sehr untechnischen Ausdruck. Es ist daher (zumindest auch) korrekt, von der (einfachen) analogen Anwendung von § 113 Abs. 1 S. 4 Abs VwGO zu sprechen. Viele Grüße, Linne - für das Jurafuchs-Team.


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