Öffentliches Recht
VwGO
Fortsetzungsfeststellungsklage
Statthaftigkeit der FFK bei Verpflichtungskonstellation 3: analoge Anwendung: Veränderte Sach- oder Rechtslage
Statthaftigkeit der FFK bei Verpflichtungskonstellation 3: analoge Anwendung: Veränderte Sach- oder Rechtslage
22. Mai 2025
13 Kommentare
4,8 ★ (21.799 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Immobilien-Hai H beantragt eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Luxusimmobilie. Nach Ablehnung seines Antrags klagt er. Während des Prozesses erlässt die Gemeinde, in dessen Gebiet sich das Bauernhaus befindet, eine wirksame Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
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Einordnung des Falls
Statthaftigkeit der FFK bei Verpflichtungskonstellation 3: analoge Anwendung: Veränderte Sach- oder Rechtslage
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Für die gerichtliche materielle Entscheidung einer Verpflichtungsklage ist die Sach- und Rechtslage des Zeitpunkts der Klageerhebung maßgeblich.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. H hat zunächst einen Anspruch auf Erlass der Baugenehmigung geltend gemacht. Statthaft war die Verpflichtungsklage.
Ja, in der Tat!
3. H kann wegen der Veränderungssperre keinen Anspruch mehr auf Erlass der Baugenehmigung haben. Es wäre damit nicht sinnvoll, an der Verpflichtungsklage festzuhalten.
Ja!
4. Die Rechtslage ist zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine andere, als zum Zeitpunkt der Antragstellung.
Genau, so ist das!
5. Die Fortsetzungsfeststellungsklage scheidet in diesem Fall als statthafte Klageart aus.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Tristan
9.5.2022, 09:15:31
Mir erschließt sich nicht, weshalb hier die
FFKstatthaft sein soll. Soweit die Veränderungssperre der Baugenehmigung im Wege steht, läßt sich deren Rechtmäßigkeit doch inzident in der
Versagungsgegenklageprüfen. Ggf. könnte ja außerdem eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2, 3 BauGB einschlägig sein. In beiden Fällen käme H doch noch an seine Baugenehmigung. Müßte dann nicht die
Verpflichtungsklageweiter statthaft sein?

Lukas_Mengestu
11.5.2022, 11:51:12
Hallo Tristan, wir haben den Sachverhalt an dieser Stelle noch einmal präzisiert. An der Wirksamkeit der Veränderungssperre bestehen hier keine Zweifel. Insofern kommt eine
FFKhier in Betracht, da die Erteilung einer Baugenehmigung aufgrund der Sperre erst einmal nicht mehr möglich ist (vgl. auch BVerwG NVwZ 1999, 523) und insoweit ggfs. ein Amtshaftungsanspruch in Betracht kommt (vgl. BGH NVwZ 1994, 405). Die Voraussetzung der Ausnahme nach § 14 Abs. 3 BauGB liegt nicht vor, da es gerade an der Genehmigung fehlt. In Betracht kommt in der Tat noch eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB. Dann dürften aber öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Dies lässt sich anhand der Sachverhaltsangaben nicht eindeutig beantworten. Stehen diese indes nicht entgegen, so käme hier in der Tat auch die Verpflichtung zum Erlass einer Ausnahmegenehmigung und infolge dessen auch einer Baugenehmigung in Betracht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Tristan
12.5.2022, 00:15:33
Herzlichen Dank für die Antwort!

Johannes Nebe
5.11.2022, 15:14:38
Letzte Subsumtion: gerichtet "auf" die
Feststellungevanici
4.9.2023, 13:58:57
Die Erklärung erschließt sich mir nicht: "Prozessrechtlich maßgeblich für die Entscheidung einer Anfechtungs- und
Verpflichtungsklageist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung."(...)"Bei der Anfechtungsklage ist dagegen grundsätzlich die Rechts- bzw. Sachlage maßgeblich, die bei Erlass des Verwaltungsakts herrschte."
Nilson2503
19.9.2023, 14:01:56
Lieber Evanici, in dem von Dir durch Klammern ausgelassenen Teil des Zitats liegt gewissermaßen der Teufel im Detail. Man unterscheidet zwischen dem prozessrechtlichen und
materiell rechtlichen entscheidungserheblichen Zeitpunkt. Ersteres bezieht sich auf die Frage der Zulässigkeit der Klage, wohingegen letzteres sich auf die
Begründetheitbezieht. Heißt: Bei der AK ist für die Frage der Rechtmäßigkeit des VA grds. der Zeitpunkt des Erlasses entscheidend. Bei der VK dann der Zeitpunkt der letzten mV.
Heuzi
28.2.2024, 09:05:42
m.E. wäre es hier noch hilfreich für die entscheidungsrelevanten Zeitpunkte normative Anknüpfungspunkte herzustellen. Bei der Anfechtungsklage wird z.B. von den Gerichten oft auf § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ("ursprünglicher VA") referenziert.

Sebastian Schmitt
16.5.2025, 12:40:45
Hallo @[Heuzi](227908), vielen dank für deinen guten Hinweis, den wir jetzt in die Aufgabe übernommen haben. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

sy
14.3.2025, 22:54:10
Liebes Team, ziemlich am Anfang der Aufgabe schreibt ihr, dass maßgebender Zeitpunkt für AK und VK die letzte mündliche Verhandlung ist. Das stimmt nicht. Es ist der Zeitpunkt der letzten Behördlichen entscheidung. Außer bei
Dauer VA. Habe ich etwas übersehen oder gar falsch gelesen ? weil so kann es nicht stimmen

Sebastian Schmitt
16.5.2025, 12:37:33
Hallo @[sy](30718), eingangs zunächst mal die Bemerkung, dass hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts natürlich in den Einzelheiten einiges umstritten ist. Wir orientieren uns hier an der recht hM + Rspr. Unsere Erläuterung zitierst Du allerdings nicht ganz vollständig. Wir schreiben, dass prozessrechtlich (!) (zB für Zulässigkeitsfragen) der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der der letzten mündlichen Verhandlung ist - und das ist richtig. Was Du meinst, ist die Frage nach der
Begründetheit, nach den materiell-rechtlichen Voraussetzungen. Darauf gehen wir anschließend ein. Für die Anfechtungsklage ist maßgeblicher Zeitpunkt insoweit in der Tat grds der Zeitpunkt des Erlasses des VA (Ausnahme insbesondere bei Dauer-VA). Für die
Verpflichtungsklageist es dagegen nicht der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung, sondern wiederum der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Insoweit müssen wir also grds zwischen den Klagearten differenzieren (zum Ganzen statt aller BeckOK-VwGO/Decker, 72. Ed, Stand 1.1.2025, § 113 Rn 21 f, 74). Die Aufgabe ist daher mE insoweit völlig in Ordnung. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team