Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Dreipersonenverhältnisse
Einbeziehungsinteresse – Leistung im Interesse des Dritten erbracht
Einbeziehungsinteresse – Leistung im Interesse des Dritten erbracht
17. Mai 2025
18 Kommentare
4,8 ★ (27.639 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Die todkranke E will F ihre Rolex vermachen. E vereinbart mit Anwalt A einen Termin, um ein Testament inklusive Vermächtnis zu errichten. A soll einen Notar mitbringen, um dieses öffentlich zu errichten (§ 2232 BGB). A versäumt den Termin und alle weiteren Termine. E verstirbt und ihre Tochter T erbt alles.
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Einordnung des Falls
Einbeziehungsinteresse – Leistung im Interesse des Dritten erbracht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn E ihr Testament wirksam aufgesetzt hätte, wäre F nach Es Tod unmittelbar Eigentümerin der Rolex geworden.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. F hat nach Es Tod einen Anspruch gegen T auf Herausgabe der Rolex.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. F hat einen Schadensersatzanspruch gegen A nach § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
4. F könnte gegen A ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung Dritter (VSD) zustehen.
Ja!
5. Im Hinblick auf die vertraglichen Pflichten des A, lag für F Leistungsnähe vor.
Genau, so ist das!
6. E hatte ein Interesse daran, dass F in die Schutzpflichten aus dem Testamentserrichtungsvertrag einbezogen wird.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Matschegenga
21.2.2023, 17:32:48
Als Begründung für die
Gläubigernähe, also das Interesse der Erblasserin an der Einbeziehung der F, wird hier nur angeführt, dass die Pflichtverletzung des A zu einer Schädigung der F führe. Dieses Argument geht allerdings nicht über das hinaus, was zur Begründung der
Leistungsnäheder F angeführt wird: Es wird einfach ein Interesse des Gläubigers ohne weiteres aus dem Interesse des Dritten konstruiert. Das kann doch zur Begründung der
Gläubigernähe, als zusätzlicher Voraussetzung, nicht ausreichend sein?

Stefan B.
3.3.2023, 07:55:42
Nach meinem Verständnis liegt in diesem Fall ein VSD vor, weil der ausgeweitete Vertrag E-A allein zum Zweck der Begünstigung der F eingerichtet werden soll. Die
Gläubigernäheergibt sich also aus dem Vertragszweck.
QuiGonTim
13.3.2024, 19:59:50
Inwieweit spielen die strengen Formvorschriften des Erbrechts hier eine Rolle? Die letztwillige Verfügung soll gerade nur bei der Einhaltung bestimmter Formvorschriften wirksam sein. Wie kann dann aus einer überhaupt nicht vollzogenen letztwilligen Verfügung eine rechtliche Bindung zwischen E und F, aus der ein Einbeziehungsinteresse folgen soll, entstehen?
Lt. Maverick
4.5.2025, 12:57:03
Zunächst muss man hier zwei
Rechtsgeschäfte voneinander unterscheiden: Zum einen den
Geschäftsbesorgungsvertragmit A und zum anderen die letztwillige Verfügung der E als einseitiges
Rechtsgeschäft. Die letztwillige Verfügung ist grundsätzlich nicht beurkundungspflichtig, sondern muss lediglich handschriftlich aufgesetzt werden. E beauftragte A aber mit der Vorbereitung und Durchführung der letztwilligen Verfügung unter notarieller Beurkundung. A hat zunächst seine
Hauptleistungspflichtaus dem
Geschäftsbesorgungsvertragverletzt und zum anderen die Rücksichtnahmepflicht hinsichtlich der rechtlichen Interessen der E gemäß § 241 II BGB verletzt. Die Nebenpflichtverletzung bezieht sich folglich nur auf den
Geschäftsbesorgungsvertrag. Es kommt also nicht auf die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung an, sondern darauf, dass diese mangels Vorbereitung und Durchführung aufgrund eines Fehlverhaltens des A gar nicht erst zustande kam. F wurde folglich in den
Geschäftsbesorgungsvertragzwischen E und A einbezogen, da E gegenüber A kommunizierte ein Testament nebst Vermächtnisregelungen zugunsten von F unter Zuhilfenahme des A zu errichten. E hatte demnach ein Interesse daran, dass gerade auch zugunsten von F, als geplanter Bedachter, A zeitig bei der Umsetzung der letztwilligen Verfügung mitwirkt.
okalinkk
28.3.2025, 14:45:03
Ihr schreibt: „
Leistungsnähebedeutet, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommt und den Gefahren einer Pflichtverletzung ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger. Zu fragen ist, ob der Dritte mit der Verletzung der NEBENPFLICHT, die Rechtsgüter des anderen zu schützen (§ 241 Abs. 2 BGB), typischerweise ebenso in Berührung kam wie der Gläubiger selbst.“ wieso genügt nicht auch die Verletzung einer
Hauptleistungspflicht?

_a-k.wgd_
19.4.2025, 11:43:45
Die Verletzung einer
Hauptleistungspflichtgenügt nicht, um als
Drittereinen Anspruch aus VSD geltend zu machen, da die
Hauptleistungspflicht(grds.) nur an den Gläubiger gerichtet ist. Ein
Dritterkann (grds.) gar nicht in die Sphäre der Verletzung einer HLP kommen, da es einfach nicht für ihn gedacht ist. (Sonst könnte sich der
Schuldner auch gegen nahezu jedermann
Schadensersatzpflichtig machen). Einbeziehung des obigen Falles: 1. Was war die
Hauptleistungspflichtdes A? = Ein Testament für E zu errichten. - F spielt in der HLP gar keine Rolle. Nur E und A sind für die HLP zentral. 2. Was war die
Nebenleistungspflichtdes A, welche - über den Vertrag hinaus - auch Dritte schützen sollte? = (U.a.) Die rechtlichen Interessen der E zu wahren. - Das rechtliche Interesse der E war darauf gerichtet, dass F die Rolex erhält. F ist nur mit im Bild, da sie davon begünstigt worden wäre. Da F nur bzgl. der NLP eine Rolle spielt, kann sie nur dort andocken!! Natürlich kann die Verletzung der
Hauptleistungspflichteine „Doppelfunktion“ haben und so auch eine Verletzung der
Nebenleistungspflichtsein, wie im obigen Fall. Indem er kein Testament errichtet hat (HLP), hat er gleichzeitig nicht die rechtlichen Interessen der E gewahrt (NLP). Trotzdem ist für den Dritten aber nur der Weg über die verletzte NLP eröffnet. (Bitte ergänzen/korrigieren falls etwas nicht passt)
Leo Lee
19.4.2025, 12:56:09
Hallo okalinkk, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man sich die Frage stellen, weshalb man hier auf die Nebenpflicht abstellt und nicht "gleich" auf die
Hauptleistungspflicht, zumal diese "wichtiger" ist. Beachte allerdings wie akwgd angerissen hat, dass es beim VSD darum geht, dass man von vornherein einen
Schadensersatzanspruch aufgrund einer Nebenpflichtverletzung ausweitet. Denn wenn es etwa darum geht, dass die
Hauptleistungspflicht(etwa bei 433 die Übergabe und
Übereignung) nicht ordnungsgem. geleistet wurde, gibt es eben keinen Grund - außer bei Fällen des VzD - den Dritten mit in den Schutzbereich zu ziehen. Denn er hat erstmal nichts mit dieser Hauptleistung zu tun. Anders in Fällen, wo eben auch 241 II betroffen ist, da - wie etwa beim Mietvertrag - jeder, der auch nur pot. mit dieser Gefahrensphäre in Berührung kommt, geschädigt werden kann. Kurzum: Der VSD betrifft nur die Nebenpflicht, weshalb der Dritte auch bestimmungsgem. mit der Nebenpflicht in Berührung kommen muss. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Gottwald § 328 Rn. 167 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
JulianF
14.5.2025, 10:30:34
Es geht darum, dass gegenüber dem Dritten nur
Schutzpflichten(
Nebenpflichten) entstehen können, die sich vor allem dadurch von
Leistungspflichtenunterscheiden, dass sie nicht selbstständig einklagbar sind, sondern nur im Nachhinein
Schadensersatzansprüche zeitigen. Diese Schutzpflicht (Nebenpflicht) kann aber mE – anders als hier dargestellt – gegenüber dem Vertragsgläubiger durchaus auch
Leistungspflichtsein. So ist es ja auch beim Mietvertrag, die Instandhaltungspflicht, die in den Fällen mangelnder Reparatur verletzt wird, ist gegenüber dem Mieter
Leistungspflicht, sie ist selbstständig einklagbar. Gegenüber dem Dritten ist sie lediglich Schutzpflicht. Besser wäre es, auf den Schutzcharakter der Pflicht abzustellen, nicht die dogmatische Einordnung. Die Instandhaltungspflicht hat Schutzcharakter, da die Rechtsgüter des Mieters in der Mietwohnung besonders exponiert sind. Von dieser
Leistungspflichtmit Schutzcharakter ist der Dritte ebenso betroffen wie der Mieter selbst, sodass sie sich als Schutzpflicht auch auf den Dritten erstreckt.