Schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A zündet sein Wohnhaus in der irrigen Annahme an, dass sich Mieter B im Urlaub befinde. B ist in der dritten Etage vom Fluchtweg abgeschnitten und springt in Panik aus dem Fenster. Durch den Aufprall wird B so schwer verletzt, dass er für den Rest seines Lebens ab der Hüfte querschnittsgelähmt bleibt.
Einordnung des Falls
Schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem A das Wohnhaus angezündet hat, hat er sich wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
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Ja, in der Tat!
2. Indem A das Wohnhaus angezündet hat, hat er sich auch wegen schwerer Brandstiftung (§ 306a Abs. 2 StGB) strafbar gemacht.
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Nein!
3. Die verwirklichte schwere Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 StGB) ist ein für § 306b Abs. 1 StGB erforderliches Grunddelikt.
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Genau, so ist das!
4. Der Begriff der "schweren Gesundheitsschädigung" (§ 306b Abs. 1 Alt. 1 StGB) ist identisch mit dem Begriff der "schweren Körperverletzung" (§ 226 StGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
5. Die Lähmung der Beine stellt eine "schwere Gesundheitsschädigung" (§ 306b Abs. 1 Var. 1 StGB) dar.
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Ja!
6. Die schwere Gesundheitsschädigung muss durch den Brand verursacht worden sein.
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Nein, das ist nicht der Fall!
7. Der Sprung des B aus dem Fenster ist eine eigenverantwortliche Selbstschädigung, die den spezifischen Gefahrzusammenhang entfallen lässt.
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Nein, das trifft nicht zu!
8. A handelt fährlässig hinsichtlich der "schweren Gesundheitsschädigung" (§ 18 StGB).
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Ja!
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Jonny27
19.4.2021, 09:15:01
Ist die schwere Gesundheitsschädigung gem. § 306b nun der schweren Körperverletzung bei § 226 gleichzusetzen? Eine Frage verneint das ausdrücklich, nur um dann in der nächsten Antwort auf eben § 226 abzustellen.

Lukas_Mengestu
19.4.2021, 10:41:55
Hallo Jonny, das war in der Tat etwas missverständlich. Die Begrifflichkeiten sind nicht identisch, weswegen dies in der ersten Frage zu verneinen war. Da § 306b StGB aber weiter gefasst ist als § 226 StGB, liegt im Falle einer schweren Körperverletzung immer auch eine schwere Gesundheitsschädigung vor. Wir haben nun noch einen entsprechenden Hinweistext mit aufgenommen, um dies weiter zu verdeutlichen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Diaa
30.9.2023, 12:23:19
2 kurze Fragen: 1. Man würde hier einen unbeachtlichen vermeidbaren Irrtum auch anprüfen und ablehnen oder? 2. Ich verstehe die Frage mit dem Anknüpfungspunkt nach h.N. an die Brandstiftungshandlung nicht. Was wird damit bezweckt?
Leo Lee
1.10.2023, 10:29:34
Hallo Diaa, beachte, dass ein vermeidbarer Irrtum nur auf der Schuldebene beim sog. Verbotsirrtum (also wenn man sich über die Strafbarkeit generell irrt) relevant wird und nicht auf der Ebene des Tatbestands (also wenn der Täter sich wie hier über einen Sachverhaltsumstand irrt). Zu der zuweiten Frage: Damit wird bezweckt, dass nicht erst der Erfolg der Brandstiftung zu dem Qualifikationserfolg führt (also dass das Opfer etwa durch Feuer verletzt wird/stirbt), sondern bereits schon solche Handlungen, die an sich „nichts“ mit dem Erfolg des Brandes, sehr wohl aber mit dem Brandstiftungs“geschen“ an sich was zu tun haben (also durch den Brand wird das Opfer zwar nicht etwa unmittelbar durch das Feuer, jedoch durch panische Reaktionen, die typisch für Brände sind – etwa aus dem Fenster springen – verletzt) erfasst. Wenn man die Qualifikation nur auf brandunmittelbare Schäden beschränken würde, wären Fälle wie der hiesige nicht erfasst. Und das obwohl dies genauso „strafwürdig“ ist wie wenn unser Opfer durch Feuer zu Tode gebrannt wäre. Hierzu kann ich die Lektüre von Fischer StGB 69. Auflage, § 306b Rn. 5a empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo