Lukas_Mengestu
1.10.2021, 09:57:21
Hallo Mr_Monsense,
ich kann Deine Bauchschmerzen mehr als nachvollziehen. Gerade in einem so tragischen Fall liegt das Bedürfnis nahe, jemanden dafür zur Verantwortung zu ziehen. Dennoch ist es in einem Rechtsstaat natürlich wichtig, gewisse Maßstäbe zu entwickeln, um objektiv zu ermitteln, wie ein bestimmtes
Verhalten zu bewerten ist. Allein der Umstand, wie eine Person ein bestimmtes Verhalten subjektiv empfindet, kann für die straf-/deliktsrechtliche Haftung insoweit nicht allein ausschlaggebend sein.Dreh- und Angelpunkt ist also die Frage, wann ist die Schwelle zum Mobbing objektiv überschritten. Den entsprechenden Maßstab formuliert das BAG wie folgt:
„Macht ein Arbeitnehmer konkrete Ansprüche auf Grund „Mobbings” geltend, muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den vom Kl. genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein
absolutes Recht des Arbeitnehmers i.S. des § 823 I BGB, ein Schutzgesetz i.S. des § 823 II BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung i.S. des §
826 BGB begangen hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen die einzelnen, vom Arbeitnehmer dargelegten Handlungen oder Verhaltensweisen seiner Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder seines Arbeitgebers für sich allein betrachtet noch keine Rechtsverletzungen darstellen, jedoch die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zu einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung auf Grund der ihnen zu Grunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechtes des Arbeitnehmers führt […] Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Dies entspricht der in § 3 III AGG erfolgten Definition des Begriffs „Belästigung”, die eine Benachteiligung i.S. des § 1 AGG darstellt. Da ein Umfeld grundsätzlich nicht durch ein einmaliges, sondern durch ein fortdauerndes Verhalten geschaffen wird, sind alle Handlungen bzw. Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen. Demzufolge dürfen einzelne zurückliegende Handlungen/Verhaltensweisen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden.“
(BAG NJW 2009, 251)
Gemessen an diesen Maßstäben konnten die Vorinstanzen aber in den Handlungen des B (u.a. neue Aufgabenzuweisungen) keine Maßnahmen des B erkennen, die die Schwelle des Mobbings überschritten haben (deswegen die Angabe im Sachverhalt „legale Maßnahmen“), auch wenn diese sich für A vielleicht subjektiv als Mobbing darstellten.
Ist es so nachvollziehbarer?
Beste Grüße
Lukas – für das Jurafuchs-Team