Zündel-Fall (beschränkt schuldfähig und keine Aufsichtspflichtverletzung)


mittel

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Der zwölfjährige S sortiert mit seinen Eltern E alte Kisten für einen Flohmarktbesuch. Dabei findet er von E unbemerkt ein Feuerzeug und steckt es ein. Am nächsten Tag zündelt S damit in der Scheune des Nachbarn N. Dabei entzündet sich das Heu und die Scheune brennt ab.

Einordnung des Falls

Zündel-Fall (beschränkt schuldfähig und keine Aufsichtspflichtverletzung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S ist verschuldensfähig, sodass N einen Anspruch gegen S wegen der Zerstörung seiner Scheune hat (§ 823 Abs. 1 BGB).

Ja!

Die Beurteilung der Verschuldensfähigkeit von Minderjährigen richtet sich nach einem abgestuften System (§ 828 BGB). Eine Person, die das 7. aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist nicht verantwortlich, wenn sie bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die erforderliche Einsicht hat (§ 828 Abs. 3 BGB). S hat eine rechtswidrige Verletzungshandlung begangen, indem er fremdes Eigentum zerstört hat. S ist 12 Jahre alt. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass Kinder in diesem Alter schon eine Vorstellung der Gefährlichkeit von Feuer haben.

2. Die E sind gegenüber S aufsichtspflichtig (§ 832 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Grundsätzlich tragen die Eltern die elterliche Sorge für das minderjährige Kind (§ 1626 BGB). Kraft Gesetzes sind zur Aufsicht über Minderjährige diejenigen verpflichtet, denen nach den familienrechtlichen Vorschriften die Personensorge obliegt. Bei bestehender Ehe sind dies beide Elternteile. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn ein Elternteil verstorben ist oder das Sorgerecht entzogen wurde (§ 1666 BGB). Damit sind die Eltern E aufsichtspflichtig über S.

3. Das Verhalten der E verletzt ihre Aufsichtspflicht.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Maß der gebotenen Aufsicht über Minderjährige richtet sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Eltern in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Die E dürfen den S nicht durch unvorsichtiges Verhalten in Versuchung führen, Zündmittel zu Spielzwecken einzusetzen. Es kann aber von E nicht mehr im selben Umfang wie bei kleineren Kindern verlangt werden, dass sie ihren dem Grundschulalter entwachsenen S in jedem Fall von Streichhölzern, Feuerzeug oder dergleichen fernhalten.

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Dogu

Dogu

12.10.2023, 16:13:46

Ich finde den Anknüpfungspunkt bei der Subsumtion seltsam. Selbst bei einem 6-jährigen werden ja nicht ernsthaft tägliche körperliche Durchsuchungen verlangt. Vielmehr ist doch schon keine Aufsichtspflichtverletzung darin zu sehen, dass er unbemerkt das Feuerzeug einsteckt und im Anschluss altersgemäß auch mal allein gelassen wird (Schulweg etc.). Die Subsumtion würde eher passen, wenn die Eltern das Einstecken des Feuerzeugs bemerkt und trotzdem nicht gehandelt haben.

julia_purpose

julia_purpose

8.11.2023, 23:09:58

Hallo, ich verstehe Deine Anmerkung hier nicht. Die Subsumtion besagt doch: „Die E dürfen den S nicht durch unvorsichtiges Verhalten in Versuchung führen, Zündmittel zu Spielzwecken einzusetzen. Es kann aber von E nicht mehr im selben Umfang wie bei kleineren Kindern verlangt werden, dass sie ihren dem Grundschulalter entwachsenen S in jedem Fall von Streichhölzern, Feuerzeug oder dergleichen fernhalten.“ Folglich liegt ja auch keine Aufsichtspflichtsverletzung vor, denn den Eltern kann genau wie Du sagst, eben nicht zugemutet werden, einen 12-Jährigen täglich zu durchsuchen.

Dogu

Dogu

9.11.2023, 07:22:31

Es geht mir darum, dass das auch bei 6-jährigen nicht üblich ist. Daher wäre auch bei einem jüngeren Kind hier keine Aufsichtspflichtverletzung zu sehen, wenn die Eltern es nicht bemerkt haben und ihn altersgemäß nicht 24/7 überwacht haben.


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