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Klassisches Klausurproblem

V verkauft K ein altes Schiffsmodell. K zahlt sofort nach Kaufvertragsabschluss. V kann sich aber einfach nicht davon trennen. Daraufhin wird es K irgendwann zu bunt. Als V im Urlaub ist, bricht K bei V ein und nimmt das Schiff mit zu sich.

Einordnung des Falls

Täter hat einen Anspruch auf die Sache

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei dem Modell handelt es sich für K um eine „fremde bewegliche Sache“ (§ 242 Abs. 1 StGB).

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Genau, so ist das!

Eine Sache ist fremd im Sinne von § 242 Abs. 1 StGB wenn sie weder im Alleineigentum des Täters steht noch herrenlos ist. Mangels Eigentumsübertragung (Trennungs- und Abstraktionsprinzip!) stand das Modell nach wie vor im Eigentum des V.

2. K hat das Schiffsmodell „weggenommen“ (§ 242 Abs. 1 StGB).

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Ja, in der Tat!

Wegnahme bezeichnet den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Gewahrsam ist dabei die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft, deren Grenze und Reichweite sich nach der Verkehrsauffassung bestimmt. Wegen des normativen Elements des Gewahrsamsbegriffs hatte der V trotz der Urlaubsreise fortbestehenden Gewahrsam in Form des gelockerten Gewahrsams. Diesen hat K gebrochen, indem er gegen dessen Willen das Schiff an sich nahm, also eigenen Alleingewahrsam begründete.

3. K handelte auch mit Zueignungsabsicht.

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Ja!

Zueignungsabsicht bezeichnet den Vorsatz der dauerhaften Enteignung des Eigentümers sowie die Absicht der zumindest vorübergehenden Aneignung. K wollte V dauerhaft aus seiner Eigentümerstellung faktisch verdrängen und mit dem Schiffsmodell wie ein Eigentümer verfahren. Eine Zueignungsabsicht liegt also vor.

4. Die angestrebte Zueignung war objektiv rechtswidrig.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Rechtswidrig ist die angestrebte Zueignung, wenn dem Täter kein fälliger und einredefreier Anspruch auf die Sache zusteht. Vorliegend hat K einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus dem Kaufvertrag nach § 433 Abs. 1 BGB. Dem steht auch nicht die Einrede aus § 320 BGB entgegen, da er den Kaufpreis bereits bezahlt hat.

5. Dadurch ist auch der gleichzeitig verwirklichte Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) gerechtfertigt.

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Nein, das trifft nicht zu!

Die Rechtswidrigkeit der Zueignung ist Tatbestandsmerkmal des Diebstahls. Ihr liegt die Wertung inne, dass das mit der eigenmächtigen Vollzug des Kaufvertrags verbundene Unrecht nur zivilrechtlich (insbesondere besitzrechtlich) sanktioniert werden soll. Daraus folgt nicht eine allgemeine Rechtfertigung des entsprechenden Verhaltens. Vorliegend begeht K einen Hausfriedensbruch, indem er gegen den Willen des V bei ihm eindringt. Dieser könnte allenfalls durch die allgemeine Rechtfertigungsgründe (Notwehr, Notstand) gerechtfertigt sein. Es fehlt jedoch an einem Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut. K ist gehalten, seinen Anspruch nötigenfalls auf dem Rechtswege durchsetzen, ehe er selbsttätig in andere Rechtsgüter der V eingreift.

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