Scherzerklärung (§ 118 BGB) – die Entlassung

14. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der tollpatschige Angestellte A verschüttet in der Büroküche seinen Kaffee. Um A vorzuführen, übergibt Chef C ihm daraufhin mit ernster Miene eine schriftliche Kündigung. C glaubt trotzdem, dass A erkannt hat, dass er (C) sich nur einen Scherz auf Kosten des A erlaubt. A begibt sich auf Arbeitssuche.

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Einordnung des Falls

Scherzerklärung118 BGB) – die Entlassung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Verhalten des C lässt objektiv darauf schließen, dass er Handlungswillen, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswillen für eine Kündigung besitzt.

Ja!

Der äußere Tatbestand einer Willenserklärung besteht in einem Verhalten, das sich aus Sicht eines objektiven Betrachters als Äußerung eines auf Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichteten Willens darstellt. Das äußerlich erkennbare Verhalten muss auf das Vorliegen eines Handlungswillens, eines Erklärungsbewusstseins und eines Geschäftswillens schließen lassen. C übergab A eine Kündigung. Selbst wenn man die Vorgeschichte kannte, war nicht ohne Weiteres erkennbar, dass sich C hier nur einen Scherz erlaubte. Objektiv lag daher eine Willenserklärung vor.
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2. C besaß Handlungswillen.

Genau, so ist das!

Handlungswille meint den bewussten Willensakt, der auf die Vornahme eines äußeren Verhaltens gerichtet ist. C übergab eine schriftliche Kündigung. Zu welchem Zweck dies erfolgte, ist hierbei unerheblich.

3. C hatte potenzielles Erklärungsbewusstsein.

Ja, in der Tat!

Nach h.M. liegt trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins eine zurechenbare Willenserklärung vor, wenn der Erklärende hätte erkennen können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und der Erklärungsempfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (sog. potenzielles Erklärungsbewusstsein). Hier konnte C erkennen, dass A die Übergabe einer schriftlichen Kündigungserklärung auch ernst nehmen und nicht als Scherz auffassen könnte. A hat dies auch so verstanden, sonst hätte er sich nicht auf Arbeitssuche begeben. Damit liegt ein für den inneren Tatbestand einer Willenserklärung nach hM ausreichendes potenzielles Erklärungsbewusstsein des C vor.

4. C hatte den Willen und das Bewusstsein, durch die Kündigung eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben (Erklärungsbewusstsein).

Nein!

Das Erklärungsbewusstsein ist der Wille, durch sein Handeln eine irgendwie rechtsgeschäftlich relevante Erklärung abzugeben. C wollte sich hier nur einen Scherz auf Kosten des A erlauben und ging davon aus, A würde dies erkennen. Ihm fehlte damit sowohl der Wille, als auch das Bewusstsein, eine rechtserheblich Kündigungserklärung abzugeben.

5. Weil C sich nur einen Scherz erlaubte und er davon ausging, dass A dies erkennen würde, ist seine Kündigungserklärung nichtig (§ 118 BGB).

Genau, so ist das!

Nach § 118 BGB ist eine Willenserklärung nichtig, wenn der Erklärende davon ausgeht, dass der andere die fehlende Ernstlichkeit der Erklärung erkennen wird (Scherzerklärung). Der Erklärungsempfänger soll also erkennen, dass der Erklärende keine Rechtsfolge herbeiführen will („guter Scherz“), wohingegen dies dem Gegenüber beim geheimen Vorbehalt (§ 116 BGB) verborgen bleiben soll („böser Scherz“). Nichtigkeitsgrund ist damit die subjektive Erwartung des Erklärenden, der Erklärungsgegner werde die mangelnde Ernstlichkeit erkennen. Hier nahm C an, dass A die Kündigung als Scherz erkennen würde. Die Erklärung ist damit gemäß § 118 BGB nichtig.

6. A kann Schadensersatz für die bei der Arbeitssuche entstandenen Kosten verlangen (§ 122 BGB).

Ja, in der Tat!

Ist eine Willenserklärung nach § 118 BGB nichtig, muss der Erklärende nach § 122 Abs. 1 BGB dem Erklärungsempfänger den Schaden ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut („negatives Interesse“). Das gilt nach § 122 Abs. 2 BGB nicht, wenn der Beschädigte den Grund der Nichtigkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen musste). A hat nicht erkannt, dass C ihm nur spaßeshalber kündigte. Auch hätte er dies nur auf Nachfrage erkennen können. Er kann daher von C gemäß § 122 BGB Ersatz der Kosten der Arbeitssuche verlangen.

7. Für die Nichtigkeit nach § 118 BGB ist erforderlich, dass A den Scherz als solchen tatsächlich erkennt.

Nein!

§ 118 BGB führt auch dann zur Nichtigkeit der Willenserklärung, wenn der Erklärungsempfänger die fehlende Ernstlichkeit der Erklärung nicht erkennt und auch objektiv nicht erkennen konnte. Würde § 118 BGB nur gelten, wenn die Erklärung offensichtlich nicht ernst gemeint war, gäbe es keinen echten Anwendungsbereich für die Norm. Wenn die Nichternstlichkeit offensichtlich ist, liegt bereits tatbestandlich keine Willenserklärung vor (fehlender Rechtsbindungswille des Erklärenden). § 118 BGB stellt damit eine Ausnahme vom Grundsatz des Verkehrsschutzes dar.

8. C hatte den Willen und das Bewusstsein, durch Kündigung die Beendigung des Arbeitsvertrages herbeizuführen (Geschäftswille).

Nein, das ist nicht der Fall!

Unter dem Geschäftswillen versteht man den Willen, eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Cs Wille war bei Übergabe der Kündigung lediglich darauf gerichtet, A auf den Arm zu nehmen und nicht, die Beendigung des Arbeitsvertrages herbeizuführen. Er besaß somit keinen Geschäftswillen. Der Geschäftswille ist jedoch nach h.M. kein notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung. Sonst kämen die in §§ 116-119 BGB genannten Nichtigkeitsgründe nie zur Anwendung. Vorliegend zeigt die bloße Existenz des § 118 BGB, dass auch eine – ohne Geschäftswillen – abgegebene Scherzerklärung wirksam sein muss.
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